Israel beim ESC 2026? Länder drohen mit Boykott
16. September 2025
Nach Irland drohen auch die Niederlande mit einem Boykott des Eurovision Song Contest 2026, wenn Israel wie geplant teilnimmt. Der verantwortliche öffentlich-rechtliche TV-Sender AVROTROS erklärte, er könne "die Teilnahme Israels in der heutigen Situation angesichts des anhaltenden und schweren menschlichen Leidens in Gaza nicht länger verantworten".
Die Niederlande schließen sich damit einer Ankündigung Irlands an. Auch Slowenien hatte schon Anfang September klar durchblicken lassen, dass man bei einer Teilnahme Israels nicht dabei sein werde.
Spanien und Island erwägen ebenfalls, bei einer Teilnahme Israels dem Eurovision Song Contest im kommenden Jahr in Wien (12. bis zum 16. Mai 2026) fernzubleiben.
Eine Entscheidung über Israels Teilnahme wird im Dezember erwartet.
Wie es zur ESC-Teilnahme Israels kam
Israel gab 1973 sein Debüt beim ESC, damals noch "Grand Prix d'Eurovision de la Chanson" genannt. Seitdem ist das Land Mitglied der Europäischen Rundfunkunion EBU, einem Zusammenschluss von derzeit 73 aktiven Mitgliedern (Sendern) aus 56 Ländern sowie 35 assoziierten Mitgliedern aus 21 Staaten Europas, Nordafrikas und des Nahen Ostens. Israel ist nicht das einzige außereuropäische Land, das am ESC teilnimmt. Auch Armenien und Aserbaidschan spielen mit. Australien ist seit 2015 das "exotischste" ESC-Teilnehmerland - weil es eine riesige Fangemeinde hat und als assoziiertes Mitglied in die EBU aufgenommen wurde.
Dieser Zusammenschluss vieler Rundfunkanstalten und Länder über die Grenzen Europas hinaus ist auch der Grund, warum die Veranstaltung "Eurovision Song Contest" - und nicht "European Song Contest" - heißt. Israel gehört mit vier ersten Plätzen zu den erfolgreichsten Teilnehmern des Wettbewerbs. Doch der Nahostkonflikt spiegelte sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten mehrfach im Contest wider.
1973 war die Sängerin Ilanit die erste Künstlerin, die für Israel antrat. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen - wenige Monate zuvor hatten palästinensische Terroristen elf israelische Sportler im Olympiadorf in München getötet. Ilanit soll eine kugelsichere Weste getragen haben, das Publikum musste während ihres Auftritts sitzen bleiben, und die Fotografen mussten die Hallendecke ablichten, um zu beweisen, dass ihre Kameras keine getarnten Schusswaffen waren.
Israelische Kandidatin musste beschützt werden
Unter besonderem Schutz musste auch 2024 die israelische Kandidatin Eden Golan auftreten. Schon zu Beginn des Jahres hatten mehrere Teilnehmerländer die EBU aufgefordert, Israel vom Wettbewerb auszuschließen.
Fast wäre dies sogar passiert. Jedoch nicht wegen des Gazakriegs selbst, sondern wegen des ursprünglichen Titels des israelischen Beitrags "October Rain", der nach Ansicht der EBU-Verantwortlichen zu stark an den Auslöser des Gazakriegs erinnerte: den Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und 240 als Geiseln nach Gaza verschleppt worden waren. Der Text des Liedes wurde geändert, Golan wurde zugelassen.
Geldstrafe für die palästinensische Flagge
Auch eindeutige Forderungen und Parolen im Publikum oder seitens der Künstlerinnen und Künstler kommen immer wieder vor und werden geahndet. In Tel Aviv 2019 wurde das besonders deutlich:
Am Abend des ESC-Finales hielt die isländische Band Hatari ein "Palestine"-Banner in die Kamera und sorgte damit für Ärger. Der isländische Sender RÚV musste 5000 Euro Strafe an die EBU zahlen. Am selben Abend ließ Weltstar Madonna , die als internationaler Star zum ESC eingeladen war, bei ihrem Auftritt einen Tänzer mit israelischer und eine Tänzerin mit palästinensischer Flagge Arm in Arm die Treppe hinaufsteigen. Das sei eine "Botschaft von Frieden und Einheit" gewesen, sagte die US-Sängerin dazu später. Die EBU war jedoch alles andere als begeistert.
Bei den Wettbewerben in Malmö 2024 und Basel 2025 gab es israelkritische Demonstrationen auf den Straßen und vereinzelt auch Pfiffe und Buhrufe im Saal gegen Israels Acts.
Politische Botschaften versus Kulturveranstaltung
Die Diskussion darüber, ob der ESC politisch sein darf oder nicht, flammt immer wieder auf und wird angesichts der zunehmenden globalen Krisen erst recht nicht verstummen. Es steht zwar in den Statuten der Europäischen Rundfunkunion EBU, dass der ESC ganz und gar unpolitisch sein soll. Dennoch: Die Zahl der Songs mit klaren Positionen gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen, aber auch für Female Empowerment und Diversität nimmt zu. Und das, obwohl die EBU den ESC als eine reine Kulturveranstaltung betrachtet, bei der Politik nichts zu suchen hat.
Als Gastgeber des ESC 2026 hat sich der österreichische Sender ORF ganz klar für Israels Teilnahme ausgesprochen. Damit liegt er auf der Linie der EBU, die betont, dass die Künstlerinnen und Künstler nicht verantwortlich für politische Kontroversen seien. Es gehe primär um die Musik, die Kultur und die universelle Botschaft der Einheit durch die Sprache der Musik.