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Politik

Kann Katar die Forderungen der Saudis erfüllen?

27. Juni 2017

Die Liste mit Forderungen, die Saudi-Arabien und seine Partner Katar übergeben haben, wirft Licht auf die politischen Dissonanzen am Golf. Katar kann die Forderungen kaum erfüllen. Dennoch ließe sich der Konflikt lösen.

Katar - Doha Skyline
Bild: Imago

Seit Donnerstag liegt sie vor, die Forderungsliste, die Saudi-Arabien und seine Partner dem Emirat Katar übergeben haben. In Doha prüft man derzeit mögliche Reaktionen. Noch hat sich die katarische Regierung zu Einzelheiten nicht geäußert. 

Verhalten optimistisch zeigte sich derweil der US-amerikanische Außenminister Rex Tillerson. Es gebe "bedeutende Gebiete, die eine Grundlage für andauernden Dialog bieten, der zu einer Lösung führt", erklärte er am vergangenen Sonntag.

Weitgehender Forderungskatalog

Tatsächlich dürfte die Liste den Führern des Emirats erhebliches Kopfzerbrechen bereiten. Die dreizehn Punkte haben es in sich, die der kleine Golfstaat erfüllen soll, will er weiterhin ein friedliches Verhältnis zu seinen Nachbarn halten. So soll Katar seine diplomatischen Beziehungen zu Iran reduzieren und die Mitglieder der Revolutionsgarden ausweisen. Auch soll es gemeinsame militärische oder geheimdienstliche Kooperationen beenden. Außerdem muss es den derzeit in Bau befindlichen türkischen Militärflughafen schließen und generell jegliche militärische Kooperation mit der Türkei einstellen. Zudem soll Katar sein internationales mediales Flaggschiff, den Sender "Al-Dschasira", schließen, dessen Berichterstattung den anderen Herrschern schon länger ein Dorn im Auge war, unter anderem, weil dort regelmäßig Vertreter der Muslimbruderschaft zu Wort kommen und die Berichterstattung über den "Arabischen Frühling" durchweg positiv war.

Die Liste enthält weitere Forderungen. So soll Katar Verbindungen zu Terrororganisationen wie etwa Al-Kaida oder dem "Islamischen Staat" kappen, dazu auch die zur libanesischen Hisbollah und den ägyptischen Muslimbrüdern. Letztere werden von Saudi-Arabien und seinen Partnern - darunter Ägypten - ebenfalls als "Terrororganisation" bezeichnet. Zudem soll Katar mehrere namentlich genannte Terroristen ausliefern. Auch soll das Emirat sämtliche Kontakte zu Oppositionellen in den vier Ländern unterbinden.

Beginn der Auseinandersetzung: Die arabischen Revolutionen 2011, hier eine Szene vom Tahrir-Platz in KairoBild: AP

Zentrale Konfliktpunkte

Die Forderungen berühren zentrale Punkte, in denen Katar und einige seiner Nachbarn - neben Saudi-Arabien die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain sowie das geographisch etwas entferntere Ägypten - unterschiedliche, ja konträre politische Ansätze verfolgen.

Für Saudi-Arabien ist Iran der Hauptrivale in der Region, politisch ebenso wie konfessionell. Im Jemen, aber auch in Syrien liefern die beiden Staaten sich Stellvertreterkriege. In beiden Fällen geht es darum, die jeweilige Hegemonialmacht auszubauen. In diesem Rennen hat Iran derzeit die Nase vorn. Durch die Beteiligung seiner Elitetruppe, der Revolutionsgarden, hat es seinen Einfluss über den Irak, Syrien und – über die von ihm mit-begründete und finanzierte Hisbollah im Libanon - bis an die Grenze zu Israel ausgebaut.

Umso mehr dürften sich Saudi-Arabien und seine Verbündeten darüber ärgern, dass Katar enge Beziehungen zu Iran unterhält: wirtschaftlich in Form eine gemeinsam betriebenen Gasfeldes im Persischen Golf, diplomatisch durch einen regelmäßigen und institutionalisierten Austausch.

Kultur des Dialogs

Katar, sagt der Politikwissenschaftler Sebastian Sons, Nahostexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, pflege einen ganz anderen politischen Stil als Saudi-Arabien.  

"Katar stellt sich als Akteur dar, der mit allen reden kann, und der im Unterschied etwa zu Saudi-Arabien sehr viel offener, sehr viel konzilianter ist und den Dialog suchen will."

Das gelte auch für Gruppen wie Hamas oder die Taliban. Katar, so Sons, sei überzeugt, dass man auch mit solchen Gruppen reden müsse. "Katar will sie einbinden, um dadurch Konflikte bereits im Vorfeld entschärfen. Auf diese Weise will man vermeiden, dass diese Gruppen sich weiter radikalisieren."

Ägypten und die Muslimbrüder

Zu den Muslimbrüdern pflegt Katar seit langem enge Beziehungen. Sie gehen zurück auf die ersten Jahre nach der arabischen Revolution 2011. Als die Muslimbrüder bei den Präsidentschaftswahlen 2012 die meisten Stimmen erzielten, ging Katar auf sie zu, in der Hoffnung, mit ihnen zusammen die politischen Beziehungen zwischen Kairo und Doha auszubauen.

Der Sturz der Muslimbrüder 2013 verkehrte diesen Ansatz in sein Gegenteil. Die Beziehungen zur neuen Regierung unter Abdel Fatah al-Sisi, einem entschiedenen Gegner der Muslimbrüder, verschlechterten sich. Aber auch Saudi-Arabien lehnt das sozialrevolutionär beeinflusste religiöse Weltbild der Muslimbrüder ab. Das Königshaus sieht darin eine Bedrohung der sozialen und politischen Ordnung auf der arabischen Halbinsel, einschließlich des ultrakonservativen wahhabitischen Islam, der in Saudi-Arabien selbst herrscht. "Als Katar sich mit den Muslimbrüdern einließ, hat es sich politisch gründlich verschätzt", sagt Sebastian Sons.

Die Auseinandersetzung sei mehr oder weniger direkte Folge der arabischen Aufstände, heißt es in einem Kommentar der - Katar nahestehenden - Zeitung "Al Araby al-jadeed". Einige Staaten der Region hätten sich den politischen und intellektuellen Veränderungen verweigert, schreibt das Blatt unter Anspielung auf Saudi-Arabien. Zudem versuchten sie nun, diejenigen Ländern zu schwächen, die sich - wie Katar - zu einer neuen, vergleichsweise offenen Politik entschlossen hätten. "Aus Sicht derer, die eine solche Entwicklung ablehnen, muss diese Politik regional wie global überwunden werden", kommentiert die katarisch finanzierte Zeitung die Sicht der saudischen Regierung.

Kunst des Kompromisses

Es dürfte für Katar schwer werden, sämtliche Forderungen zu erfüllen, sagt Sebastian Sons. Möglichkeiten des Entgegenkommens seien aber gegeben: "Katar könnte sich gegenüber Iran distanzieren. Ebenso könnte die Regierung stärker als bislang betonen, dass man ein gutes Verhältnis mit den arabischen Brüdern haben möchte." Grundsätzlich gehe es darum, dass alle Beteiligten aus diesem Konflikt gesichtswahrend herauskommen könnten, meint Sons. „Das aber alle Forderungen erfüllt werden können, halte ich für ausgeschlossen."

Die Frage ist, ob sich Saudi-Arabien, allen voran der vergangene Woche ernannte junge Kronprinz Mohammed bin Salman, auf solche Kompromissformeln einlässt. Bislang versuchte der Kronprinz, sich als kompromissloser Politiker zu empfehlen.

Saudi-Arabiens forscher junger Mann: Kronprinz Mohammed bin Salman Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Reaktionen aus Iran und der Türkei

Während die Regierung in Doha noch an ihrer Antwort auf den Forderungskatalog arbeitet, hat Iran dem Emirat bereits seine Unterstützung angeboten. Teheran stehe "an der Seite des Volkes und der Regierung von Katar", erklärte Präsident Hassan Rohani.

Die Solidaritätsbekundung aus Teheran dürfte man in Riad ebenso als Provokation empfinden wie die Einschätzung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der erklärt hatte, die Liste der Forderungen an Katar verstoße gegen internationales Recht.

Offen ist derzeit, wie weit Saudi-Arabien und seine Gegner zu gehen bereit sind, damit ihre Forderungen erfüllt werden. Dass sie tatsächlich eine bewaffnete Auseinandersetzung mit dem gut gerüsteten Katar anstreben, scheint angesichts der notorischen Erfolglosigkeit, die die von Saudi-Arabien geführte Koalition derzeit im Jemen verzeichnet, nur schwer denkbar. Sebastian Sons sagt, hierfür brauche es Geduld und Verhandlungsgeschick auf beiden Seiten.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika