Eskalation beim Waffeneinsatz zwischen Ukraine und Russland
Veröffentlicht 21. November 2024Zuletzt aktualisiert 21. November 2024Der prorussische Social-Media-Kanal "Two Majors" im Kurzmitteilungsdienst Telegram meldete am Mittwoch, die Ukraine habe bis zu zwölf Marschflugkörper vom Typ "Storm Shadow" auf die russische Region Kursk abgefeuert. Kurz darauf bestätigte das russische Militär indirekt den Angriff und erklärte, sie hätten zwei der Raketen abgefangen. "Von der Flugabwehr wurden 2 Marschflugkörper Storm Shadow aus britischer Produktion, 6 reaktive Geschosse des Typs Himars aus US-Produktion und 67 Drohnen abgeschossen", heißt es in der Mitteilung des russischen Militärs. Zu Einschlägen und Schäden machte das Verteidigungsministerium keine Angaben.
Kurz darauf meldete die ukrainische Seite, dass Russland erstmals eine Interkontinentalrakete eingesetzt und damit offenbar auf Angriffe gegen eigene Gebiete reagiert habe. Ziel sei die zentralukrainische Stadt Dnipro gewesen, meldete das ukrainische Medienportal Ukrainska Pravda unter Berufung auf anonyme Quellen. Es habe sich um eine Rakete des Typs RS-26 Rubezh gehandelt. Laut der ukrainischen Luftwaffe war die Rakete aus der russischen Region Astrachan gestartet worden. Das liegt rund 1000 Kilometer von Dnipro entfernt. Die US-Rüstungskontroll-Organisation Arms Control Association gibt die Reichweite der RS-26 mit 5800 Kilometern an.
Russlands Armee hat bei Kursk knapp 50.000 Soldaten zu einer Gegenoffensive zusammengezogen. Darunter sind auch etwa 10.000 Nordkoreaner. Auf diese Weise versucht Russland die Gebiete zurückerobern, die seit Sommer von ukrainischen Truppen besetzt sind.
Verschärfung der russischen Nukleardoktrin
Am Dienstag hatte die ukrainische Armee erstmals mit ATACMS-Raketen aus US-Produktion Ziele in Russland angegriffen. Die Regierung in Moskau sieht in der Erlaubnis zum Einsatz westlicher Waffen mit großer Reichweite auf russischem Territorium eine Eskalation und hat die geplante Verschärfung ihrer Nukleardoktrin vollzogen. Demzufolge wurde die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen gesenkt. Die Regierung in Kyjiw erklärte inzwischen, die von Russland eingesetzte Interkontinentalrakete hätte keinen Atomsprengkörper gehabt.
Das Büro des britischen Premierministers Keir Starmer lehnte eine Stellungnahme ab. Auch der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow wollte den möglichen Einsatz des Waffensystems Storm Shadow weder bestätigen noch dementieren. "Wir nutzen alle Mittel zur Verteidigung unseres Landes, daher werden wir keine Details verraten", sagte er dem US-Sender CNN. "Aber wir geben zu verstehen, dass wir fähig und auch in der Lage zu Gegenschlägen sind."
Erst vor wenigen Tagen hatte US-Präsident Joe Biden der Ukraine nach Medienberichten erstmals erlaubt, Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS gegen Ziele in Russland einzusetzen. Am Dienstag wurden sie nach ukrainischen Angaben gegen ein russisches Waffenlager in der Region Brjansk eingesetzt.
Russische Fake News in der Ukraine
Die Regierung in Kyjiw warf am Mittwoch der russischen Seite einen "massiven informationspsychologischen Angriff" vor. Russland habe eine Attacke inszeniert, indem es über Messengerdienste und soziale Netzwerke eine Warnung vor großangelegten Raketen- und Bombenangriffen auf ukrainische Städte verbreitet habe, teilte der ukrainische Militärgeheimdienst mit. Die Meldung sei gefälscht.
Nur Stunden zuvor hatten die USA die vorübergehende Schließung ihrer Botschaft in Kyjiw wegen Hinweisen auf einen potenziellen Luftangriff als Vorsichtsmaßnahme bekanntgegeben. Auch Italien und Griechenland ließen daraufhin ihre Vertretungen in der ukrainischen Hauptstadt schließen. Die deutsche Botschaft blieb nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt "in eingeschränktem Betrieb geöffnet".
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bevölkerung der Ukraine dazu auf, keine Panik zu verbreiten. "Die informative Aufladung, die es heute gab, die panischen Nachrichten, die verschickt wurden, alles das hilft nur Russland", sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videobotschaft.
Ukraine setzt Evakuierung im Osten fort
In der Region Donezk setzten die russischen Truppen die ukrainischen Verteidiger weiterhin schwer unter Druck. Die Evakuierungsmaßnahmen dort gehen weiter.
Die ukrainischen Behörden haben aus den von ihnen kontrollierten Teilen der Region Donezk seit Anfang August bereits 1,17 Millionen Zivilisten in andere Landesteile der Ukraine gebracht, wie die regionale Militärverwaltung nach Angaben der Agentur Ukrinform mitteilte. Aktuell hielten sich noch fast 324.000 Zivilisten in dem Gebiet auf, das Russland noch unter seine Kontrolle bringen will.
In der Region Donezk befinden sich die schwer umkämpften Brennpunkte Pokrowsk und Kurachowe. Dort haben russische Truppen zuletzt Geländegewinne erzielt, die ukrainische Militärführung befürchtet weitere Rückschläge.
fab/AR (rtr, dpa)