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Al-Kaida geht im Jemen in die Gegenoffensive

Andreas Gorzewski12. Mai 2014

Terroristen von Al-Kaida überziehen den Jemen mit Anschlägen. Sie reagieren auf eine Militäroffensive der Regierung. Experten meinen, dass der Jemen seine bewaffneten Konflikte nicht allein lösen kann.

Jemen Anschlag in Sanaa 09.05.2014
Bewohner von Sanaa am Ort des jüngsten BombenanschlagsBild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Der Militärposten nur wenige hundert Meter vor dem Präsidentenpalast in Jemens Hauptstadt Sanaa geriet gleich zweimal unter Feuer. Als mutmaßliche Al-Kaida-Kämpfer am Sonntag (11.05.2014) den Stützpunkt attackierten, starben drei Angreifer und ein Zivilist im Kugelhagel. Nur drei Tage zuvor waren an derselben Stelle fünf Soldaten getötet worden. Seit einigen Tagen erschüttern immer neue Angriffe den arabischen Krisenstaat. Im besonders umkämpften Süden des Landes riss ein Selbstmordattentäter zwölf Soldaten mit in den Tod. Am Freitag konnte Verteidigungsminister Mohammed Nasser Ahmad im Süden nur knapp einem Überfall entgehen. Auch andernorts gab es Tote und Verletzte.

Angriffe auf Militäreinrichtungen sind im Jemen keine Seltenheit. Beim Sturm auf ein Militärkrankenhaus in Sanaa im Dezember 2013 waren 52 Menschen ums Leben gekommen. Unter ihnen waren auch zwei deutsche Mitarbeiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die aktuelle Welle von Anschlägen in verschiedenen Landesteilen ist nach Ansicht des politischen Analysten und Journalisten Mohammed el-Kadi aus dem Jemen eine Reaktion auf eine Regierungsoffensive. In den südlichen Provinzen greifen Soldaten seit etwa drei Wochen die radikalislamischen Kämpfer an. Auch in die Extremisten-Hochburg Assan in der Provinz Schabwa sind Sicherheitskräfte vorgerückt. "Die Militäroperation ist massiv, und zum ersten Mal sind die Angriffe auf Al-Kaida ernsthaft", erklärt El-Kadi im DW-Gespräch. Deshalb wichen die Extremisten in andere Regionen aus und gingen zum Gegenangriff über.

Al-Kaida im Jemen weitgehend eigenständig

Die Bewaffneten gehören zur Terrororganisation "Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAP), die im Jemen und in geringerem Maße in Saudi-Arabien aktiv ist. Laut dem Nahost-Experten Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sind die Al-Kaida-Kämpfer im Jemen weitgehend unabhängig von der Al-Kaida-Spitze in Pakistan. Sie wollten die Regierung in Sanaa stürzen und einen Staat gemäß ihrer Sicht des Islam gründen. In den Jahren 2011 und 2012 habe der jemenitische Al-Kaida-Zweig das bereits in einigen Gebieten im Süden des Landes versucht. Schließlich seien die Extremisten damit gescheitert. Doch nun versuche Al-Kaida im Jemen es erneut, erklärt der Islamismus-Forscher. "Sie ist eine kleine Organisation, aber eine Organisation, die davon profitiert, dass ihre Gegner sehr schwach sind - und das ist vor allem der jemenitische Staat", führt Steinberg aus.

Seit April rücken jemenitische Truppen gegen Al-Kaida-Stellungen vorBild: picture-alliance/dpa

Auch El-Kadi verweist auf die Schwäche der Zentralregierung. Stammesfehden, eine Revolte der schiitischen Gruppe der Zaiditen im Norden und zunehmend militante Separatisten im Süden überfordern ihm zufolge die Regierung in Sanaa. Während des chaotischen Machtübergangs von Langzeitherrscher Ali Abdullah Saleh auf den derzeitigen Präsidenten Mansur Hadi in den vergangenen Jahren konnten sich die Al-Kaida-Einheiten ausbreiten.

Einige Stämme stehen auf der Seite der Al-Kaida-Kämpfer, andere unterstützen die Regierung. So berichtet die Zeitung "Yemen Times" von Stammesältesten, die in den Provinzen Abyan und Schabwa zwischen Armee und Extremisten vermitteln wollten. "Obwohl wir die Armee in ihrem Kampf gegen die Al-Kaida-Extremisten unterstützen, wollen wir diesen Krieg beenden, denn er zerstört unsere Gebiete", erklärte ein Stammesscheich der Zeitung. Regierungstreue Scheichs sollten mit den Ältesten der Stämme verhandeln, die ihrerseits Al-Kaida unterstützen. Die Armee lehnte solch eine Vermittlung nach Berichten der Zeitung jedoch ab.

Viele Jemeniten über US-Drohnenangriffe empört

Ohne ausländische Hilfe scheint die Regierung in Sanaa zu schwach, um den Kampf gegen die Terrororganisation zu gewinnen. Die USA fliegen häufig Drohnenangriffe auf mutmaßliche Al-Kaida-Anhänger in dem Land. Beim jüngsten Drohnenangriff am Montag wurden nach jemenitischen Stammesangaben sechs mutmaßliche Kämpfer getötet. Vor diesem Hintergrund ist die ausländische Unterstützung zweischneidig, wie Steinberg betont. So reagierten viele Jemeniten empört, wenn bei Drohnenangriffen Zivilisten getroffen würden. "Diese Drohnenangriffe sind oft nicht sehr gezielt, viel weniger als in Pakistan in den letzten Jahren", sagt der Berliner Experte.

Derzeit scheint eine weitere Zuspitzung des Schlagabtausches wahrscheinlich. Das Innenministerium in Sanaa erhöhte die Alarmbereitschaft, da es mit neuen Angriffen rechnet. Die US-Botschaft schloss vorübergehend ihre Tore, denn auch die Gefahr von Anschlägen gegen Ausländer ist hoch. Ein französischer Sicherheitsbeamter, der für die EU-Delegation arbeitete, war vor einigen Tagen in Sanaa erschossen worden. Kurz davor waren zwei Mitarbeiter der deutschen Botschaft im Jemen gerade noch einem Angriff entkommen. "Die Lage wird sicher weiter eskalieren und sich verschlimmern", meint El-Kadi. Deshalb müsse die Regierung möglichst alle Kräfte auf den Kampf gegen die Terroristen konzentrieren. Außerdem brauche der Jemen die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Diese Hilfe muss Steinberg zufolge auf eine Stabilisierung der Gesamtsituation abzielen. Nicht nur Al-Kaida sei ein Problem, sondern auch die Separatisten im Süden und die Zaiditen im Norden. Die Regierung sei derzeit kaum in in der Lage, sich in der Hauptstadt durchzusetzen.

Al-Kaida-Anhänger verüben überall im Land AnschlägeBild: Reuters
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