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Eskalation der Gewalt im Kosovo

Bernd Johann18. März 2004

Nach blutigen Ausschreitungen zwischen Serben und Albanern im Kosovo hat die NATO drei Kompanien mit rund 350 SFOR-Soldaten in Marsch gesetzt. Eine Analyse der Konfliktsituation.

Ratlose Ordnungskräfte und die Spuren nach den UnruhenBild: AP

Plötzlich und völlig unerwartet ist die Lage im Kosovo am Mittwoch (17.3.2004) eskaliert. Erinnerungen an das Jahr 1999 werden wach. Damals entschloss sich die NATO, die anhaltende Gewalt durch Luftangriffe zu beenden. Eine internationale Friedenstruppe wurde stationiert, das Kosovo unter UN-Mandat gestellt. Die eigentliche Frage, der künftige Status Kosovos ist bis heute ungelöst: Aus Sicht der Albaner ist das die Unabhängigkeit, aus Sicht der Serben der Verbleib im Staatenbund von Serbien und Monetenegro.

Doch in den letzten Tagen kamen erste Gespräche beider Seiten über wichtige Grundsatzfragen in Gang - Gespräche über das Schicksal von vermissten Personen und die Energieversorgung. Die internationale Militärpräsenz, die UNO-Polizei und lokale Sicherheitskräfte sorgten für eine gewisse Ruhe.

Gewalt an mehreren Orten

Doch nun diese Eskalation der Gewalt - nicht nur in der umstrittenen Stadt Kosovska Mitrovica, sondern gleich an mehreren Orten im Kosovo. Zudem zündeten serbische Extremisten in Belgrad und Nis Moscheen an. Die Eskalation folgte dem bekannten Muster: Unbestätigte Gerüchte über den gewaltsamen Tod albanischer Kinder machten die Runde. Es kam zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Albanern und Serben. 17 Menschen starben, in Belgrad und Nis zündeten serbische Extremisten daraufhin Moscheen an. KFOR-Soldaten und UNO-Polizei wurden angegriffen. Als Reaktion auf die Gewalt fanden am Donnerstag (18.3.04) in Serbien Protest-Demonstrationen statt.

Immer wieder ist es in den vergangenen fünf Jahren zu solchen Unruhen gekommen. Doch diesmal hat sich die Gewalt mit einer Wucht und einem Ausmaß entladen, die einen schrillen Alarmton in der internationalen Gemeinschaft auslösen sollte. Denn die Unruhen eskalierten nahezu zeitgleich an vielen Stellen im Kosovo und griffen auf Serbien und Montenegro über.

Streit um gemeinsame Zukunft

Das Kosovo hat in letzter Zeit nicht mehr die Schlagzeilen der Weltpresse beherrscht. Doch demokratische Strukturen und eine Kultur des Dialogs haben sich nicht entwickelt. Und die Ursache des Konflikts, der Streit um die Zukunft Kosovos, wurde auf die lange Bank geschoben. Die internationale Gemeinschaft hoffte darauf, dass die Lage sich weiter beruhigen und damit eine Lösung der politischen Streitfragen leichter würden. Das Gegenteil scheint der Fall: Die Vertagung der Status-Frage sorgt für Verbitterung auf allen Seiten.

Außerdem hat sich das politische Umfeld verändert. In Serbien gibt es eine neue national-konservative Regierung, die von Milosevics Sozialisten geduldet wird. Sie lässt keine Zweifel aufkommen, dass sie keinen Kompromiss bei der Status-Frage will. Die Albaner im Kosovo wiederum haben in den vergangenen Jahren ihr Selbstbewusstsein gestärkt, die UNO-Verwaltung hat ihnen Kompetenzen abgetreten. Für die Albaner steht damit längst fest: Die Zukunft Kosovos liegt in der Unabhängigkeit, einen Kompromiss mit Belgrad kann und wird es nicht geben.

Auch fünf Jahre nach Kriegsende keine Einigung

Fünf Jahre nach dem Kosovo-Krieg ist damit eine Einigung in der Status-Frage keineswegs greifbarer geworden. Die jüngsten Unruhen zeigen: Es genügt ein Funken, dann brennen wieder Barrikaden und Gotteshäuser. So war es 1999 und so ist es auch heute wieder.

Von einer friedlichen Zukunft ist Kosovo noch weit entfernt. Und wenn Serben und Albaner kompromisslos bleiben, dann kann die internationale Gemeinschaft nicht mehr als Schadensbegrenzung betreiben. Und Souveränität bleibt für Serben wie Albaner ein Wunschtraum.

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