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Politik

Eskalation in der Ostukraine

Roman Goncharenko
31. Januar 2017

Zuspitzung im Stellungskrieg: Aus Awdijiwka bei Donezk werden schwere Gefechte gemeldet. Die Strom- und Wasserversorgung in der ostukrainischen Stadt ist unterbrochen. Es droht eine humanitäre Katastrophe.

Ein verwundeter ukrainischer Soldat wird am 31.01.2017 in Awdijiwka (Ukraine) von seinen Kameraden versorgt
Bild: picture-alliance/dpa/I. Varenytsia

Kämpfe in der Ostukraine

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Der schwelende Stellungskrieg in der Ostukraine ist an einem Ort wieder aufgeflammt. Aus dem Städtchen Awdijiwka bei Donezk werden seit dem Wochenende heftige Gefechte zwischen der ukrainischen Armee und den prorussischen Separatisten gemeldet. In der Nacht auf Dienstag sollen die Separatisten schwere Waffen wie Mehrfachraketenwerfer vom Typ "Grad" (Hagel) eingesetzt haben, berichten ukrainische Medien. Präsident Petro Poroschenko unterbrach am Montag seinen Besuch in Berlin und kehrte in die Ukraine zurück.

Ein Ort, an dem der Krieg nie aufhörte

Es ist die heftigste Eskalation des Konflikts seit Monaten. Nach offiziellen Angaben aus Kiew sind in den vergangenen zwei Tagen sieben ukrainische Soldaten getötet und 35 verletzt worden. Vertreter der selbsternannten "Donezker Volksrepublik" meldeten ihrerseits sechs Tote und 13 Verletzte. Beide Seiten geben jeweils der anderen die Schuld an der Eskalation. 

"Promzona" am Stadtrand von Awdijiwka: Seit Jahren besonders umkämpftes IndustriegebietBild: picture-alliance/dpa/I. Varenytsia

Awdijiwka ist eine kleine Trabantenstadt und nur sechs Kilometer von der Separatistenhochburg Donezk entfernt. Sie liegt auf der von Kiew kontrollierten Seite. Awdijiwka ist einer der wenigen Orte, wo trotz der Minsker Vereinbarungen der Krieg nie aufhörte. Besonders umkämpft ist seit Jahren die sogenannte "Promzona", ein Industriegebiet am Stadtrand, das von der ukrainischen Armee gehalten wird. Die Separatisten versuchen immer wieder, dieses Gelände einzunehmen, offenbar um die Trennlinie von Donezk weiter wegzuschieben.

Am Rande einer humanitären Katastrophe

Von den rund 35.000 Bewohnern lebt derzeit knapp mehr als die Hälfte in der Stadt an der Frontlinie. Ihr Leben ist besonders jetzt in Gefahr. Bei den jüngsten Gefechten wurde die Versorgung mit Strom, Wasser und teilweise mit Heizwärme unterbrochen. Dabei herrscht in der Ostukraine zurzeit klirrende Kälte mit Temperaturen von minus 20 Grad. In Awdijiwka wurde deshalb der Notstand ausgerufen. Die Behörden bereiten eine Evakuierung tausender Menschen vor, um eine Katastrophe für die Menschen zu verhindern.

Für die Versorgung der Stadt mit Strom und Wasser ist vor allem die Awdijiwka-Kokerei wichtig, nach eigenen Angaben eine der größten in Europa. Das Werk wird immer wieder beschossen. Inzwischen hat es seinen Betrieb teilweise eingestellt.

Zuspitzung im Schatten der US-Wahl

Im Schatten der US-Präsidentschaftswahlen spitzte sich die Lage in der Ostukraine bereits Ende 2016 zu. Neben Awdijiwka ist zum Beispiel der sogenannte Bogen von Switlodarsk nach wie vor heftig umkämpft. Das Gebiet liegt wie ein Keil zwischen den beiden Separatistengebieten Donezk und Luhansk. Im Dezember gab es dort schwere Gefechte, bei denen mehrere ukrainische Soldaten starben. Anfang Januar haben die ukrainischen Einheiten nach Medienangaben aus Kiew eine "schleichende Offensive" durchgeführt und die von ihnen kontrollierten Gebiete ausgeweitet.

Ukrainische Soldaten an einem Explosionskrater: Schwere Waffen im Einsatz?Bild: picture-alliance/dpa/I. Varenytsia

Auch im Südosten der Ukraine bei der Stadt Mariupol am Asowschen Meer werde derzeit heftig gekämpft, berichtete am Dienstag ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kiew.   

Eskalation als Druckmittel?

Die jetzige Zuspitzung erinnert an die Ereignisse vor rund zwei Jahren. Damals gelang es den Separatisten, den seit Monaten belagerten Donezker Flughafen einzunehmen. Schwere Kämpfe an der ganzen Frontlinie zwangen die ukrainische Regierung und westliche Vermittler zu direkten Verhandlungen mit den Separatisten und zur Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen im Februar 2015. Doch deren Umsetzung stockt unter anderem deshalb, weil die ukrainische Regierung eine dauerhafte Waffenruhe als Voraussetzung für politische Zugeständnisse betrachtet.

Beobachter in Kiew vermuten, dass die prorussischen Separatisten auch jetzt durch eine Eskalation die Ukraine zu neuen Zugeständnissen zwingen wollen. Sie verweisen darauf, dass sich nur wenige Tage nach dem ersten Telefonat zwischen dem neuen US-Präsidenten Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin die Lage zugespitzt habe. Beide sollen auch über den Konflikt in der Ukraine gesprochen haben, allerdings sind keine Details bekannt. Trump hatte sich während des Wahlkampfs mehrmals positiv über Putin geäußert und sich bereit erklärt, über eine mögliche Aufhebung der Sanktionen zu sprechen.

Ähnliche Vorwürfe sind aus Donezk und Luhansk zu hören. Kiew wolle durch die jetzige Zuspitzung die Aufmerksamkeit der Welt zurückgewinnen, sagte am Dienstag ein Vertreter der Separatisten. 

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