ESM-Chef optimistisch
27. August 2015Um es vorweg zu sagen: Der Grexit, also ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, ist keineswegs vom Tisch. Selbst ausgewiesene Optimisten – und dazu gehört Klaus Regling, der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM ohne Zweifel – würden das nie behaupten. Ohne den entsprechenden Druck, davon ist selbst er überzeugt, wird es auch in Zukunft nicht gehen. "Diese Drohung als Möglichkeit muss natürlich immer dastehen und steht auch immer da", gibt er unumwunden zu.
Wenn die wirtschaftspolitischen Reformen, zu denen sich Griechenland verpflichtet hat, nicht umgesetzt würden, dann würden auch die Zahlungen eingestellt. Griechenland wäre schnell zahlungsunfähig. "Dann kommt es in riesige Probleme und wird letztendlich nicht darum herumkommen, seine eigene Währung wieder einzuführen." Faktisch wäre das der Grexit. "Ohne diese Drohung wäre alles, was wir immer sagen, also Gelder fließen nur gegen Auflagen und das wird immer überprüft, das wäre ja nicht glaubwürdig."
Werben für das Hilfspaket
Das sagt Regling auch den Bundestagsabgeordneten, von denen er in den letzten Wochen eine ganze Reihe gesprochen und informiert hat. In dieser Woche stand er für zwei Stunden den nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten Rede und Antwort. Vor allem diejenigen, die nicht daran glauben, dass Griechenland im Euro gehalten werden kann, hätten sich zu Wort gemeldet, berichtet der ESM-Chef in Berlin. Die Diskussion sei durchaus lebhaft gewesen.
"Die Skepsis vieler Menschen ist verständlich", räumt Regling ein. Schließlich würden die Euro-Staaten und der IWF Griechenland bis zum Ende des ESM-Programms über 300 Milliarden Euro ausgeliehen haben. "Ich kann keine Erfolgsgarantie für das ESM-Programm in Griechenland abgeben, aber ich sehe gute Gründe für eine erfolgreiche Entwicklung, vorausgesetzt, die Regierung setzt die vereinbarten Reformen entschlossen um."
Gelungener Start
Bis zu 86 Milliarden Euro soll das dritte Hilfspaket schwer sein. Im Gegenzug muss die Regierung in Athen unter anderem das Renten- und Gesundheitssystem reformieren, Steuererhöhungen auf den Weg bringen, die Öffnung abgeschotteter Berufsgruppen ermöglichen und den baldigen Verkauf von Staatsbesitz in die Wege leiten. Mitte August wurden erste Reformauflagen auf den Weg gebracht und das verschafft Griechenland nach Ansicht von ESM-Chef Regling die notwendige Atempause, um die anstehenden Neuwahlen vorzubereiten.
"Deshalb kann man Griechenland jetzt auch diese drei, vier Wochen Wahlkampf zubilligen." In Griechenland würden Regierungen relativ rasch neu gebildet, Ende September könne die Arbeit wieder beginnen. "Dann werden wir uns eine Meinung bilden", kündigt Klaus Regling für den Oktober an und meint damit nicht nur die Euro-Gruppe, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission, sondern auch den Internationalen Währungsfonds, der offiziell nicht am dritten Hilfspaket beteiligt ist, den die europäischen Gläubiger aber gerne mit an Bord hätten. Doch der IWF hat Bedenken, weil er nicht daran glaubt, dass Griechenland die Darlehen auch zurückzahlen kann.
Wie definiert man Schulden?
"Mit dem IWF sprechen wir täglich", sagt der ESM-Chef. Noch Mitte August war von IWF-Chefin Christine Lagarde zu hören, die griechischen Schulden seien nicht tragbar, es müsse Erleichterungen geben, die weit über das bisher in Betracht gezogene Maß hinaus gingen. Glaubt man Klaus Regling, dann ist die Lage aber weit weniger dramatisch. Maßgeblich sei inzwischen nicht mehr die Höhe der Schulden, die mit dem ESM-Programm auf mehr als 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt, sondern die Fähigkeit, diese Schulden zu bedienen.
"Schuldenstand in Prozent der Wirtschaftsleistung ist einfach ein falsches Konzept, wenn man sich die Kreditkonditionen der Rettungsschirme anschaut", erklärt Regling. Über den ersten Rettungsschirm EFSF schuldet Griechenland ausstehende Darlehen in Höhe von 130 Milliarden Euro. Die Laufzeit beträgt 32 Jahre, erst ab 2023 müssen Zinsen in Höhe von einem Prozent gezahlt und das Darlehen getilgt werden. Auch die neuen ESM-Kredite werden eine Laufzeit von 32 Jahren haben. "Wenn kein Schuldendienst da ist über die nächsten zehn Jahre, warum soll man sich dann den Schuldenstand in zehn Jahren anschauen?", fragt Klaus Regling. "Der mag sehr hoch sein, aber das ist keine Belastung für die Volkswirtschaft."
Der IWF macht mit – wahrscheinlich
Brutto-Finanzierungsbedarf heißt das Zauberwort, das die jährlich zu zahlenden Zinsen und die Tilgung der Schulden umfasst. Der liegt in Griechenland in den kommenden zehn Jahren bei unter 15 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das sei weniger als in Italien, Belgien oder Spanien, argumentiert Regling. Die USA hätten einen Bruttofinanzierungsbedarf von 20 Prozent, Japan sogar von 50 Prozent. Ein Rechentrick oder gar Schönfärberei sei das nicht, widerspricht der ESM-Chef, das Konzept als solches sei vom IWF inzwischen akzeptiert, das habe Christine Lagarde in der Eurogruppe zugesagt.
"Von daher gehe ich mit einer großen Wahrscheinlichkeit davon aus, dass sich der IWF mit einer geringen Summe, die viel kleiner sein wird, als das, was wir machen, beteiligen wird. Also bei weitem nicht das Drittel, das vor fünf Jahren mal da war bei Griechenland. Aber er wird sich beteiligen", sagt Regling und schätzt, dass der IWF bis zu 16 Milliarden Euro zum neuen Hilfspaket beisteuern könnte. Das ist die Summe, die im abgebrochenen zweiten Hilfspaket verblieben ist.
Schuldenerleichterungen müssen kommen
Von einem Schuldenschnitt will der ESM-Chef allerdings weiterhin nichts wissen. Stattdessen wird über eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten nachgedacht und darüber, die Zinszahlungen noch weiter hinauszuschieben. Zudem hätten die Euro-Zentralbanken Gewinne mit griechischen Staatsanleihen gemacht, die sie an Athen überweisen könnten. Alles in allem würden so die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass zum einen Griechenland wieder auf die Beine kommen könnte und zum zweiten der ESM vielleicht gar nicht so sehr strapaziert würde.
"Ich erwarte, dass nicht nur die spätere Beteiligung des IWF den ESM-Anteil an der Finanzierung des Griechenland-Programms senken wird", verspricht Regling. "Falls Griechenland die vereinbarten Reformen entschlossen durchsetzt, halte ich es für wahrscheinlich, dass die Regierung in Athen vor dem Ende des Programms das Vertrauen der Investoren zurückgewinnt und wieder zu akzeptablen Kosten Anleihen am Markt begeben kann."
Dass das ohne einen Wirtschaftsaufschwung kaum möglich sein wird, ist auch Klaus Regling klar. Als Volkswirt könne er zum zukünftigen Geschäftsmodell aber keine Empfehlungen abgeben. Dafür, sagt er, seien andere zuständig.