Essen und Gesundheit: Depression geht durch den Magen
10. Februar 2025
Rund 280 Millionen Menschen weltweit leiden unter Depressionen. Zwar ist Depression ist nicht gleich Depression, doch eines haben offenbar alle betroffenen Patientinnen und Patienten gemeinsam: den Hunger auf Kohlenhydrate. Das haben Forschende der Universitätskliniken Bonn und Tübingen sowie der Universität Bonn in einer neuen Studie herausgefunden.
Ob die Erkrankten mit Anti-Depressiva behandelt wurden oder nicht, ergab keine signifikanten Unterschiede, sagt Nils Kroemer, der an beiden Universitätskliniken in den Bereichen Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie forscht.
Bislang wurde vermutet, dass das Verlangen nach kohlenhydratreichen Lebensmittel mit einem gesteigerten Appetit zusammenhängt, der manche Depressionserkrankungen begleitet. "Wir konnten jetzt zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Tatsächlich hängt der Hunger nach Kohlenhydraten eher mit der allgemeinen Schwere der Depression, besonders der Angstsymptomatik zusammen", erläutert Lilly Thurn, die die Studie im Team Kroemer leitete.
Aus Kohlenhydraten kann unser Körper am schnellsten Energie herstellen, sie sind einer der Hauptenergielieferanten für unsere Zellen.
Bei Depressionen ist das Mikrobion des Darms verändert
Den Grund, warum Menschen mit Depressionen vor allem Hunger auf Kohlenhydrate entwickeln, vermutet Nils Kroemer im Darm. Hier könnten sich Veränderungen im Verdauungssystem entwickelt haben. Ebenfalls könnte die Weiterleitung von Informationen aus dem Magen-Darm-Trakt ans Gehirn über den Vagusnerv gestört sein, so Kroemer.
Viele Studien zeigten, dass bei depressiven Menschen das Mikrobiom des Darms verändert sei und dass diese Veränderungen an den Symptomen einer Depression beteiligt seien. Man habe auch festgestellt, dass sich Symptome verbessern, wenn Betroffene probiotische Lebensmittel erhielten.
Sollten Depressive Süßes und Kohlenhydrate weglassen?
Nein, sagt Kroemer. "Wir wissen aus vorherigen Untersuchungen, dass es nicht erfolgsversprechend ist, wenn Personen mit Depressionen auf Kohlenhydrate verzichten." Denn: "Es ist nicht so, dass der Verzehr von Süßigkeiten eine Depression hervorruft. Erst in der Depression verändern sich die Präferenzen", betont der Wissenschaftler.
Dennoch sei es naheliegend, dass diese Veränderungen zumindest zum Teil auch dann eintreten, wenn wir uns über eine lange Zeit ungesund ernährten.
Es bleibe aber die Frage: "Was ist Henne und was ist Ei?", so Kroemer. "Liegt es an der Ernährung, die auf lange Sicht zu einem schlechten Zustand der Psyche führt? Oder ist dieser Zustand der Auslöser für eine Verschlechterung der Ernährung - und führt das dann zu Veränderungen im Mikrobiom?"
Klar ist für den Forscher aber: "Wir sollten Ernährung und Verdauung bei der Behandlung von Depressionen und Angststörungen stärker berücksichtigen."
Bei Depressionen nicht nur auf die Psyche schauen
Dies ist zumindest in Deutschland bisher nicht die Regel. In der Nationalen Versorgungsleitline zum Thema Depression heißt es lediglich: "Patientinnen und Patienten mit depressiven Störungen sollen dazu ermuntert werden, sich ausgewogen und gesund zu ernähren."
Zwar steht dort auch: "Forschungsergebnisse zur Rolle der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse deuten darauf hin, dass sich das Darmmikrobiom von Patient*innen mit depressiven Störungen von dem gesunder Kontrollpersonen unterscheidet." Eine Empfehlung, die Darmflora von Depressionskranken gezielt zu unterstützen, wird den Therapeutinnen und Therapeuten aber nicht gegeben. Bisher gebe es zu wenige Beweise, dass dies tatsächlich helfe, so das Argument.
Studienleiterin Lilly Thurn hält neue Behandlungswege dagegen für sinnvoll. "Besonders vielversprechend erscheinen in Zukunft Therapien, die auf die Verbindung von Darm und Gehirn abzielen." Und Nils Kroemer betont: "Veränderungen in Ernährung und Verdauung dürfen nicht als zweitrangige Probleme angesehen werden."
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