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Etappensieg für die Maut

Sabine Kinkartz27. März 2015

Rente mit 63, Mütterrente - jede Partei in der Regierungskoalition hat ihr Steckenpferd. Jetzt ist die CSU dran. Mit den Stimmen von Union und SPD hat der Bundestag die Einführung einer PKW-Maut beschlossen.

Symbolbild Deutschland PKW-Maut
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Dionys Jobst dürfte sich freuen. 1984, also vor über 30 Jahren, brachte der damalige Bundestagsabgeordnete der CSU die Maut politisch zum ersten Mal ins Gespräch. Seine Forderung: Ausländer sollten an den Grenzübergängen für 60 Mark eine Autobahnplakette kaufen. Damals lachten die meisten über den Vorschlag. An diesem Freitag hat der Bundestag mit der Mehrheit der Regierungsparteien und gegen die Stimmen der Opposition ein entsprechendes Gesetz beschlossen.

Die Abgabe soll für alle Nutzer von Autobahnen und Bundesstraßen ab dem 1. Januar 2016 erhoben werden und durchschnittlich 74 Euro im Jahr kosten. Für ausländische Fahrzeughalter wird sie auf Bundesstraßen ausgesetzt, um den kleinen Grenzverkehr nicht zu belasten. Während Deutsche automatisch eine Jahresvignette kaufen müssen, sollen Ausländer die Wahl zwischen Jahresvignetten sowie Zehn-Tages- und Zwei-Monats-Vignetten haben. Je nach Größe und Schadstoffausstoß des Autos sollen die Kurzzeitvignetten zwischen fünf und 30 Euro kosten.

In Deutschland registrierte PKW-Halter sollen allerdings um einen Beitrag, der den Mautkosten enstpricht, bei der Kfz-Steuer entlastet werden, so dass unterm Strich nur Ausländer zahlen. Das könnte als Diskriminierung gewertet werden. Der Bundesrat befasst sich Anfang Mai mit dem Vorhaben. Da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, wird die Länderkammer die Mauterhebung aber höchstens verzögern und nicht stoppen können.

Merkel wollte keine Maut

Lange Jahre war die Maut nicht mehr als ein Wahlkampfschlager. Ein bayerischer wohlbemerkt. Vor der Bundestagswahl 2013 schaffte es die Forderung nach einer PKW-Maut für "Reisende aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen" lediglich ins Wahlprogramm der CSU. Sie fehlte nicht nur im gemeinsamen Programm der Union, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte sogar ausdrücklich: "Mit mir wird es keine PKW-Maut geben."

Doch weit gefehlt. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD durfte im November 2013 jede Partei ihren politischen Herzenswunsch festschreiben. So bekam die CSU die Maut. Für sie ist das eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn deutsche Autofahrer in Frankreich oder Italien Nutzungsgebühren für die Autobahn zahlen müssen, dann sollen umgekehrt auch PKW-Fahrer von dort in Deutschland zur Kasse gebeten werden.

Zahlenspiele

Der neue Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) machte sich unverzüglich an die Arbeit und präsentierte bereits im Juli 2014 sein Konzept. Von nun an hieß die Maut "Infrastrukturabgabe", ihr Erlös soll in den Erhalt und Ausbau des deutschen Straßennetzes fließen. In den folgenden Monaten wurde die Maut zu einem nicht nur politisch, sondern auch europarechtlich hitzig diskutierten Thema. Dobrindt musste sein Konzept mehr als einmal überarbeiten.

Zugeständnis an die CSU: Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel beim politischen Frühschoppen in NiederbayernBild: picture-alliance/dpa

Zu den Fragen, die bis heute nicht abschließend beantwortet sind, gehört die nach den zu erwartenden Einnahmen. Der Verkehrsminister rechnet mit jährlich 500 Millionen Euro. "Wir vollziehen einen klaren Systemwechsel weg von der Steuerfinanzierung hin zur Nutzerfinanzierung", sagte der CSU-Politiker in der abschließenden Debatte im Bundestag zur Infrastrukturabgabe: "Wir stellen einen klaren Bezug her zwischen Einnahmen und Ausgaben."

Kritiker bezweifeln Dobrindts Zahlen allerdings. In einer Anhörung vor dem Haushaltsausschuss hatten Verkehrsfachleute noch am vergangen Montag höchst unterschiedliche Prognosen aufgestellt. Er sehe nicht, dass das Ministerium mit empirisch fundierten Zahlen gearbeitet habe, sagt Alexander Eisenkopf, Professor für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Der Haushaltsexperte der Grünen, Sven-Christian Kindler, kritisiert: "Hier wird im Hauruck-Verfahren ein Bürokratie-Monster geschaffen, das aufgrund der immensen Verwaltungskosten und der geringen Einnahmen am Ende ein Nullsummenspiel ist."

Ausländer benachteiligt

Umstritten ist auch die Frage, ob die Maut einer europarechtlichen Überprüfung standhalten kann. EU-Recht verbietet die Benachteiligung von Ausländern. Verkehrsminister Dobrindt will mit der Infrastrukturabgabe aber nur Ausländer belasten, weil die Bundeskanzlerin ihre Absage an die Maut nur unter der Bedingung zurücknehmen wollte, dass Deutsche nicht zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Daher sollen in Deutschland registrierte Fahrzeughalter entsprechend der Mautkosten bei der Kfz-Steuer entlastet werden.

Grünen-Fraktionschef Hofreiter kommt zwar auch aus Bayern, lehnt die Maut aber abBild: Getty Images

"Wirklich selten war ein Gesetz so offensichtlicher Unsinn", schimpfte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter im Bundestag. In Nachbarländern müssten alle Maut zahlen und nicht nur Ausländer. Hofreiter geht fest davon aus, dass das Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof landen wird. Auch Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens sagte, die Mautformel "Ausländer müssen zahlen, deutsche Autofahrer nicht", sei ein Taschenspielertrick, den die EU so nicht akzeptieren werde.

Alexander Dobrindt gibt sich aber siegesgewiss. "Sie ist europarechtskonform, glauben Sie es endlich", entgegnete er im Bundestag. Dort hatten Linke und Grüne bis zuletzt versucht, die Maut aufzuhalten und am Freitagmorgen kurzfristig sogar eine Diskussion über die Geschäftsordnung beantragt, um die abschließende Lesung von der Tagesordnung zu streichen.

Parlament missachtet

Die Opposition schäumt, nachdem sich Union und SPD erst Anfang dieser Woche auf letzte Änderungen an dem Gesetzentwurf zur Maut verständigt hatten. Über diese seien der Rechtsausschuss und der Finanzausschuss des Bundestages am Mittwochmorgen gegen acht Uhr informiert worden, kritisierte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann. Zu den Änderungen gehört unter anderem, dass die Mauterhebung von einem privaten Betreiber übernommen werden soll. Die jährlichen Kosten sollen bei rund 161 Millionen Euro liegen. Haßelmann sprach von einer "Entparlamentisierung des Parlaments" und betonte, es bestehe "erheblicher weiterer Beratungsbedarf".

SPD-Chef Sigmar Gabriel (re. mit Verkehrsminister Dobrindt im Bundestag) sorgte dafür, dass seine Partei mitgingBild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

Bei den Sozialdemokraten findet die Maut zwar kaum Befürworter, doch sie halten sich an das koalitionsinterne Abkommen mit der Union. Dafür ernteten die SPD-Abgeordneten im Bundestag beißenden Spott. "Die SPD lässt sich von der CSU am Nasenring durch das Parlament führen", kritisierte Grünen-Fraktionschef Hofreiter. Mit der Zustimmung zu dem Gesetz werde die CSU-Idee auch ein Projekt der SPD, obwohl die Partei selbst immer wieder auf die Gefahr einer Diskriminierung von Ausländern hingewiesen habe, so Hofreiter: "Schämen Sie sich eigentlich nicht, was für ein Vorbild für Europa sie abgeben?"

Und was wird aus Mallorca?

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol räumte im Bundestag ein, dass die Maut "kein Wunschprojekt" der SPD sei. Seine Partei sei aber vertragstreu in der Koalition: "Da kann nicht jeder machen, was ihm gerade so in den Kopf kommt." Die SPD habe jedoch dafür gesorgt, dass die Maut nicht so komme, "wie sie in den Deutschen Bundestag hineingekommen ist". Die SPD habe etwa mehr Datenschutz sowie einen Bürokratie- und Einnahmen-Check durchgesetzt. Zudem sollen die Preise der Kurzzeitvignetten gestaffelt werden.

"Es hat keiner geglaubt, dass wir das schaffen", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ulrich Lange, in der Debatte. Das hatte wohl auch Dionys Jobst nicht geglaubt, jener CSU-Bundestagsabgeordnete, der die Maut vor über 30 Jahren anregte. Der schlug übrigens im Sommer 1993 vor, die spanische Ferieninsel Mallorca zum 17. deutschen Bundesland zu machen. Eine absurde Idee?

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