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Politik

Haftstrafe für Thailands Es-Premier

27. September 2017

In Thailand ging mit der Urteilsverkündung gegen Ex-Premierministerin Yingluck Shinawatra ein weiteres Kapitel im jahrelangen politischen Machtkampf zu Ende. Das Militär konnte seine Stellung weiter festigen.

Thailand Prozess Yingluck Shinawatra
Bild: Getty Images/AFP/L. Suwanrumpha

Die 2014 durch das Verfassungsgericht aus dem Amt gedrängte Premierministerin wurde jetzt von demselben Gericht in absentia wegen krimineller Vernachlässigung ihrer Amtspflichten zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Dabei geht es um ein umstrittenes Reis-Subventionsprogramm, das die Regierung der Premierministerin nach ihrer Wahl 2011 aufgesetzt hatte. Thailand war damals der größte Reisexporteur der Welt. Die Regierung kaufte den Bauern den Reis zum doppelten Marktpreis ab, lagerte den Reis ein und hoffte so, den Weltmarktpreis in die Höhe zu treiben.

Doch Thailand verspekulierte sich. Indien, das jahrelang kaum Reis exportiert hatte, kam im gleichen Jahr zurück auf den Markt, und auch Vietnam erhöhte die Produktion, wodurch die Preise rapide sanken. Yinglucks Regierung verbrannte auf diese Weise nach Angaben der derzeit amtierenden Militärregierung etwa acht Milliarden US-Dollar. Kritiker werfen Yinglucks Regierung in diesem Zusammenhang Populismus vor. Die Premierministerin hätte die Gesetze des Marktes ignoriert, um der Stammwählerschaft ihrer Pheu Thai Partei Geschenke zu machen. Sie habe dem Land damit insgesamt geschadet.

Yinglucks Anhänger sind noch da, aber zum zweiten Gerichtstermin, der wegen ihrer Flucht angesetzt wurde, kamen weit weniger als bei früheren Terminen Bild: Reuters/A. Perawongmetha

Kein fairer Prozess

Yingluck verteidigte die Subventionen im Rahmen des aktuellen Verfahrens im August 2016. Die Bauern hätten so eine gewisse Planungssicherheit erhalten und es sei darum gegangen, ihnen zumindest den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. "Das war keine neue Politik. Das gab es seit 30 Jahren", erklärte Yingluck damals. Wolfram Schaffar, Politologe von der Universität Wien und Kenner des Landes, weist darauf hin, dass es vergleichbare Agrarsubventionen weltweit gibt. "Es war ein absolutes Standardprogramm. Und ich sehe das so, dass die Opposition das künstlich hochspielt." Die Ex-Premierministerin hatte stets alle Anschuldigungen zurückgewiesen und auf unschuldig plädiert. Sie sei das Opfer raffinierter politischer Ränkespiele. Sie hatte sich der erwarteten Strafe durch Flucht entzogen und ist höchstwahrscheinlich ins Ausland geflohen. Tausende Anhänger hatten Ende August vergeblich auf ihr Erscheinen am Gericht gewartet. Armeechef Prayuth Chan-ocha kommentierte: Wenn sie unschuldig wäre, hätte sie sich dem Gericht stellen können.

Das sei nicht ernst zu nehmen, wie Schaffar im Gespräch mit der Deutschen Welle betont: "Wir können in Thailand nicht von fairen Verfahren sprechen. Die Justiz ist nicht unabhängig und das zeigt sich auf allen Ebenen des Rechtssystems." Es sei deshalb falsch, so zu tun, als handle es sich im Falle Yinglucks um ein rechtsstaatliches Verfahren.  

"Gelb-Hemden" feiern in Bangkok die Amtsenthebung Yinglucks im Mai 2014Bild: Reuters

Thailands polarisierte Politik

Der Prozess wirft ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise, wie in Thailand spätestens seit 2001 Politik gemacht wird. Damals wurde Thaksin Shinawatra, der ältere Bruder Yinglucks, Premierminister. Er belebte die Wirtschaft und legte zugleich das umfassendste staatliche Wohlfahrtsprogramm der thailändischen Geschichte auf. Die Idee zum Reis-Subventionsprogramm wird ebenfalls Thaksin zugeschrieben. Mit seiner Politik, die populistisch und autoritär war, war Thaksin sehr erfolgreich. Der Emporkömmling wurde damit der zuvor herrschenden Elite aus Bürokratie, Militär und Königshaus gefährlich. Insbesondere das Königshaus, das sich unter anderem durch sein soziales Engagement die Zuneigung der Bevölkerung erworben hatte, fürchtete um seinen Einfluss. 2006, während Thaksin auf dem UN-Gipfel in New York war, putschte das Militär. Thaksin lebt seitdem im Exil in Dubai. Seine Partei Thai Rak Thai wurde 2007 verboten.

In den folgenden Jahren flammten immer wieder politische Unruhen auf. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Anhängern der sogenannten Rothemden-Bewegung, die Thaksin unterstützt, kamen 2010 fast 100 Menschen ums Leben. Die Versuche des Establishments, die Shinawatras dauerhaft von der Macht fernzuhalten, scheiterten allerdings. 2011 gewann Yingluck an der Spitze der Pheu Thai Partei, die als Nachfolgepartei der Thai Rak Thai Partei gegründet worden war, mit deutlicher Mehrheit die allgemeinen Wahlen. Zum Sieg hatte unter anderem das in Aussicht gestellte Reis-Subventionsprogramm beigetragen. Der Shinawatra-Clan war nach fünfjähriger Pause zurück.

Als die Regierung Yinglucks 2013 eine Amnestie für Demonstranten der Proteste von 2010 und eine mögliche Amnestie für Thaksin ins Spiel brachte, rief das die politischen Gegner, die sogenannten Gelbhemden, auf den Plan. Sie versammelten hunderttausende Demonstranten auf den Straßen Bangkoks. Schlussendlich zwang das Verfassungsgericht Yingluck zum Rücktritt. Als sich die Lage nicht beruhigte, putschte zwei Wochen später das Militär unter der Führung von Prayuth Chan-Ocha.

Thailands Militärregierung unter Prayuth Chan-Ocha hat sich eine passende Verfassung genehmigen lassenBild: Getty Images/AFP/L. Suwandrumpha

Neutralisierung des Shinawatra-Clans

Seither baut die Militärregierung das politische System Thailands Schritt für Schritt um. Ziel ist es, den Einfluss der traditionellen Eliten aus Bürokratie, Militär und Königshaus zu sichern. Dafür ist es auch notwendig, den Shinawatra-Clan und deren Partei, die wie ein Stehaufmännchen nicht totzukriegen ist und mit immer neuen Namen zu den Wahlen antritt, endgültig zu neutralisieren. Diesem Ziel ist das Militär, zumindest was den Shinawatra-Clan betrifft, durch die Flucht Yinglucks einen großen Schritt nähergekommen. Beobachter meinen, dass die Flucht Yinglucks dem Militär in die Hände spiele, denn im Gefängnis hätte sie eine gefährliche Märtyrerrolle spielen können. 

Im August 2016 wurde eine vom Militär ausgearbeitete Verfassung per Referendum vom Volk angenommen. Die Verfassung sieht unter anderem eine Reduzierung der Zahl der gewählten Senatoren im thailändischen Oberhaus vor. Das bedeutet, dass aus den nächsten Wahlen, die erneut Yinglucks Partei Pheu Thai gewinnen könnte, der Sieg nicht automatisch zu einer Mehrheit im Oberhaus führt, in dem viele Senatoren direkt vom Militär eingesetzt werden. Die neue Verfassung stärkt zugleich Institutionen wie das Verfassungsgericht oder die Anti-Korruptionsbehörde.

Was auf den ersten Blick die Gewaltenteilung zu befördern scheint, bedeutet bei näherer Betrachtung das Gegenteil. Institutionen wie das Verfassungsgericht dienen in Thailand weniger der Verteidigung der Verfassung, als vielmehr der Durchsetzung der Interessen der Eliten. So wurde Yingluck 2014 durch das thailändische Verfassungsgericht gestürzt, noch bevor das Militär die Macht übernahmen. Schaffar fasst das so zusammen: "Ziel ist es, die Elemente direkter Demokratie zu schwächen und den Einfluss von Vetoinstanzen auszubauen. Es geht darum, die Mehrheitsentscheidungen der Wähler einzuhegen. Das Parlament wird umstellt von Institutionen, deren Mitglieder aus der Elite rekrutiert werden, um dessen Entscheidungen überschreiben zu können."

Verfassungsgericht als Instrument der Machterhalts der MilitärregierungBild: picture-alliance/AP Photo/S. Lalit

Militär wartet günstigen Termin für Neuwahlen ab

Dass die Bevölkerung im Referendum für die Verfassung gestimmt hat, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen hat die Militärregierung Presse- und Meinungsfreiheit stark beschnitten. Eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie das Zusammenleben zukünftig gestaltet werden soll, ist nur sehr eingeschränkt möglich. Zum anderen hätte eine Ablehnung der Verfassung nur eine weitere Verzögerung im politischen Prozess bedeutet. Die Militärregierung hätte eine erneute Verfassung geschrieben, die erneut zur Abstimmung gestellt worden wäre. Die Normalisierung des politischen Geschäfts, wenn auch unter autoritären Vorzeichen, wäre bloß verschoben, aber nicht vermieden worden. Neuwahlen hat das Militärregime für 2018 in Aussicht gestellt. Allerdings wurde der Termin in den vergangenen Jahren bereits mehrfach verschoben.

 

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