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Etappensieg im Kampf gegen Korruption

Fernando Caulyt22. November 2013

Erstmals müssen in Brasilien hohe Politiker wegen Korruption ins Gefängnis. Ihr Verfahren war der größte Korruptionsprozess der Landesgeschichte. Elf der 25 Straftäter sind bereits in Haft. Eine Zeitenwende?

José Dirceu umgeben von mehreren Personen in zivil reckt die Faust in die Höhe. (Foto: picture-alliance/dpa)
Der verurteilte José Dirceu (Mitte) stellt sich der Bundespolizei in São PauloBild: picture-alliance/dpa

"Mensalão" bedeutet auf Deutsch etwa "dickes Taschengeld". So haben die Medien die wohl größte Korruptionsaffäre im brasilianischen Parlament seit Wiederherstellung der Demokratie 1986 getauft.

Sie wird seit August 2012 im größten Korruptionsprozess der Landesgeschichte aufgearbeitet. 25 Politiker und Unternehmer sind dort bereits zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Inzwischen haben sich elf Verurteilte der Bundespolizei gestellt, nachdem das Oberste Bundesgericht STF (Supremo Tribunal Federal) die Vollstreckung ihrer Strafe angeordnet hatte.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Bundesparlamentarier monatlich bis zu 30.000 Real, damals rund 9000 Euro, aus öffentlichen Kassen erhielten, um im Gegenzug die Gesetze der Regierung unter Ex-Präsident Lula da Silva abzunicken. Im Oktober 2012 hatte das STF unter anderem drei hohe Politiker schuldig gesprochen, die das Bestechungs-System laut dem Urteil organisiert hatten: den ehemaligen Vorsitzenden der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) José Genoino, deren Ex-Schatzmeister Delúbio Soares und José Dirceu, 2002 bis 2005 Kabinettschef unter Lula da Silva.

Justiz greift durch

Schon allein ihre Verurteilung stellte eine Premiere dar: Noch nie wurden in Brasilien ranghohe Politiker wegen Korruption belangt. Deshalb hatte die Öffentlichkeit auch bis zuletzt daran gezweifelt, ob die Politiker wirklich jemals eingesperrt würden. Nun atmen viele auf: "Die Mensalão-Urteile werden einen großen kulturellen Wandel im Land anstoßen: Dieser Präzedenzfall dürfte einen starken erzieherischen Effekt auf Politiker haben und die Korruption eindämmen", glaubt Josmar Verillo, Vizepräsident von Amarribo, der brasilianischen Partnerorganisation von Transparency International.

Griffen hart durch im Mensalao-Prozess: die Richter des Obersten Bundesgerichts (STF)Bild: José Cruz/Abr

Auch Roberto Gondo, Professor für Politische Kommunikation an der Mackenzie-Universität in São Paulo, betont die Signalwirkung; nun sei klar, dass Veruntreuung und Missbrauch öffentlicher Mittel sowie Stimmenkauf auch für einflussreiche Persönlichkeiten der Republik strafbar seien: "Insofern kann man schon sagen, dass die Mensalão-Urteile dazu beitragen, dass politische Akteure künftig sorgfältiger mit ihrer Macht umgehen werden." Auch der Justiz dürften die Verurteilungen zu mehr Glaubwürdigkeit verholfen haben, so Gondo.

Beginn eines langen Prozesses

Länger als die juristische Aufarbeitung des Mensalão selbst dürfte eine wirkliche gesellschaftliche Veränderung dauern. Denn um ein Gefühl von "null Toleranz" gegenüber Korruption zu erzeugen, meint Gondo, seien die bisherigen Mensalão-Urteile noch lange nicht genug: "Das ist ein langsamer Prozess, den auch die Bevölkerung über demokratische Institutionen immer wieder einfordern muss."

Auch Gil Castello Branco, der mit seiner Nichtregierungsorganisation Associação Contas Abertas Korruption aufdeckt, indem er öffentliche Bilanzen prüft, betont, dass der Weg noch lang sei. Derzeit seien gerade einmal 0,3 Prozent der brasilianischen Häftlinge für Straftaten wegen Korruption oder verwandter Delikte im Gefängnis. "Bisher bestraft man in Brasilien lieber jemanden, der eine Person bestiehlt, als jemanden, der den Staat, also alle, bestiehlt." Castello Branco fordert: "Korruptionsverbrechen sollten Priorität in der Strafverfolgung haben."

Nicht noch eine volle Unterhose! Ein Demonstrant erinnert an einen Korruptionsfall: Einst wollte ein Politiker veruntreutes Geld in besagtem Kleidungsstück außer Landes schmuggeln. Er wurde erwischt, aber nie verurteilt.Bild: Reuters

Kritik an angeblichem Schauprozess

Die Brasilianer hoffen nun, dass die Bewältigung des Mensalão kein Einzelfall bleibt. Doch es gibt auch Kritik: In sozialen Netzwerken wird dem einst gefeierten Joaquim Barbosa, dem Haupt-Richter des Mensalão-Verfahrens, vorgeworfen, er habe sich und das STF in einem Schauprozess inszeniert. Manch einer zweifelt immer noch an der Schuld der Beteiligten. Tatsächlich blieben einige Fragen offen, wie etwa die um das Wissen von Ex-Präsident Lula da Silva um den Stimmenkauf für seine Politik.

Außerdem stehen die Verhandlungen zu diversen, teils älteren Korruptions-Fällen weiterhin aus. Einer davon betrifft die linksliberale PSDB (Sozialdemokratische Partei Brasiliens) des ehemaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso. Während dessen Regierungszeit (1995-2002) hatten Parteigenossen im Bundesstaat Minas Gerais Abgeordnetenstimmen gekauft. Diese Straftaten sollen Anfang 2014 verhandelt werden.

Schritt Richtung Demokratie

Der Bürgerrechtler Castello Branco versteht, dass nun eine hohe Erwartungshaltung in der Bevölkerung existiert, aber er weist auch auf die positiven Signale hin: "Auch wenn man zum Teil einwenden kann, der Staat habe hier und da strenger durchgegriffen als woanders - im Mensalão haben alle drei Staatsgewalten zusammengearbeitet und funktioniert. Das zeigt, dass die brasilianische Demokratie heranreift."

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