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Politik

Kongos verhinderter Präsident ist tot

2. Februar 2017

Der einstige Mitstreiter Mobutus gründete später die erste Opposition gegen den Despoten. Zuweilen als Opportunist beschimpft, hatte Etienne Tshisekedi eine große Anhängerschaft. Jetzt ist er 84-jährig gestorben.

Étienne Tshisekedi
Bild: picture-alliance/dpa/T. Roge

Als "Sphinx von Limete" wurde Etienne Tshisekedi in der Demokratischen Republik Kongo bezeichnet - benannt nach seiner Residenz im gleichnamigen Stadtteil der Hauptstadt Kinshasa. Immer wieder schien der Oppositionelle der ersten Stunde politisch am Ende - und schaffte es stets aufs Neue, sich zurück ins Rampenlicht zu bringen.

Die letzte Rückkehr

So auch im Sommer 2016. Seine politischen Sternstunden hatte der damals 83-Jährige längst hinter sich, und nach einer Niederlage gegen Joseph Kabila fünf Jahre zuvor sah es nicht danach aus, dass der gesundheitlich Angeschlagene noch einmal das höchste Staatsamt erlangen würde. Dennoch: Tshisekedis Rückkehr nach einer zweijährigen Rekonvaleszenz in Brüssel geriet zum Triumphzug. Zehntausende Anhänger empfingen ihn am Flughafen, mehrere Stunden brauchte sein Konvoi, um sich den Weg durch die Menge bis zu Tshisekedis Residenz zu bahnen.

Oppositionsführer Tschisekedi bei der Rückkehr nach Kinshasa im Juli 2016: Ein TriumphzugBild: picture-alliance/AP Photo/P Photo/J. Bompengo

Hier, umgeben von einer Handvoll Parteifreunde, hatte sich Etienne Tshisekedi im Dezember 2011 selbst zum Präsidenten vereidigen lassen. Die Wiederwahl von Präsident Kabila in einem Klima wachsender Repressionen wollte er nicht anerkennen. Doch außerhalb seiner Partei UDPS taten das viele als den Altersstarrsinn eines Berufsoppositionellen ab. Umso mehr achtete 2016 Tshisekedis Entourage darauf, seine Rückkehr gut in Szene zu setzen. Sein neues Zugpferd war der Zusammenschluss für den Wandel, kurz Rassemblement, ein breites oppositionelles Bündnis, das sicherstellen wollte, dass Präsident Kabila sein Amt zum Jahresende verfassungsgemäß niederlegt.

Kämpfen und Feilschen

Es wurden Monate von zähen, immer wieder unterbrochenen Verhandlungen. Als am 19. Dezember Joseph Kabilas zweite Amtszeit endete, ohne dass Wahlen auch nur in Sicht waren, rief Tshisekedi die Bürger dazu auf, sich diesem "Staatsstreich" friedlich zu widersetzen. In letzter Minute unterzeichneten Regierung und Oppositionsparteien am Silvesterabend 2016 einen Kompromiss: Neuwahlen binnen eines Jahres und - vor allem - Kabilas Zugeständnis, kein weiteres Mal anzutreten und auch keine Verfassungsänderung mehr anzustreben, die ihm dies ermöglichen könnte.

Präsident Kabila im Juni 2016: Zugeständnis an TshisekedBild: picture-alliance/AP Photo/J.Bompengo

Ein Kompromiss war es - aber zugleich der letzte große Erfolg eines Oppositionellen, der mit allen Wassern gewaschen war. Tshisekedi verstand das Spiel des Feilschens und Kämpfens, brachte mit zeitweiligen Blockaden der Verhandlungen die Regierung in entscheidenden Punkten zum Einlenken. Vor allem: Er kannte sein ungebrochenes politisches Gewicht. "Er ist ein historischer Oppositionsführer im einstigen Zaire, dem heutigen Kongo", begründet der tansanische Politikanalyst Jenerali Ulimwengu die Strahlkraft Tshisekedis. "Er ist von einem Zauber umgeben, den die Menschen bei politischen Führern suchen - und den das Alter nicht vernichten kann."

Übervater der Opposition

Seine Stärke erwuchs Tshisekedi vielleicht gerade aus seiner einstigen Nähe zur Macht. Als der Kongo 1960 unabhängig von der Kolonialmacht Belgien wurde, gehörte er zu einer kleinen Gruppe von Intellektuellen, die die Geschicke des Landes fortan mitbestimmen wollten.

Tshisekedi und Mobutu im November 1996: Weggefährten und RivalenBild: picture-alliance/dpa/P. Hertzog

Sein Justizstudium hatte er noch nicht abgeschlossen, da leitete er schon die Nationale Hochschule für Recht und Verwaltung. 1968 ernannte ihn Präsident Joseph Mobutu zum Justizminister, weitere Ministerposten, Einsätze als Botschafter und Führungspositionen in Staatsunternehmen sollten folgen.

Zwei Jahrzehnte blieb Tshisekedi ein enger Vertrauter des Präsidenten. Dann kam der Bruch. Als erster Intellektueller übte er Kritik am Präsidenten, forderte in einem offenen Brief Reformen. 1982 gründete er die erste Oppositionspartei, die Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt (UDPS), die gleich darauf verboten wurde. Auf internationalen Druck ließ Mobutu schließlich eine Nationalkonferenz zu, die Reformen ausarbeiten sollte und Tshisekedi 1992 zum Ministerpräsidenten ernannte. Die Hoffnung auf einen schnellen Wandel zerschlug sich, als Mobutus unterbezahlte Soldaten bald darauf blutige Unruhen anstießen. Doch Tshisekedi blieb die Symbolfigur der politischen Opposition, auch als Mobutu 1997 gestürzt und das einstige Zaire zur Demokratischen Republik Kongo wurde.

Ende einer Epoche

Eigentlich hätte Tshisekedi an der Spitze eines Aufsichtsrats über die Übergangszeit bis zu den nächsten Wahlen wachen sollen. Doch das bleibt nun anderen überlassen. Am Mittwoch ist Tshisekedi 84-jährig in einem Brüsseler Krankenhaus gestorben. Seine Partei sei für viele Kongolesen eine "Schule der Demokratie" gewesen, sagt der kongolesische Menschenrechtler Jean-Claude Katende. Die UDPS selbst trauert um ein "Denkmal". Und auch André Alain Atundu, Sprecher der Regierungskoalition, würdigt den Oppositionellen. Der Tod von Etienne Tshisekedi sei das "Ende einer Epoche", sagte er.