EU-Annäherung immer fraglicher
17. November 2013Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Vor zwei Jahren versprach der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch, den Fall Julia Timoschenko zu lösen. Auf dem Gipfel der EU-Initiative "Östliche Partnerschaft" in Warschau im September 2011 deutete Janukowitsch an, dass die in einem umstrittenen Prozess angeklagte ehemalige Ministerpräsidentin und Oppositionsführerin freikommen würde. In Gesprächen mit seinen europäischen Kollegen sagte Janukowitsch, dass das Problem im ukrainischen Parlament gelöst werde. Auch eine Begnadigung schloss er nicht aus. Nichts davon geschah. Timoschenko wurde vor zwei Jahren wegen Amtsmissbrauchs verurteilt und sitzt seitdem hinter Gittern.
Für den 28. November 2013 ist der nächste Gipfel der "Östlichen Partnerschaft" im litauischen Vilnius geplant. Wieder steht das Schicksal von Timoschenko im Vordergrund. Die Europäische Union hat ihre Freilassung zu einer der Bedingungen gemacht, um das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu unterzeichnen. Das Dokument soll die Ukraine an die EU heranführen, unter anderem durch die Schaffung einer Freihandelszone.
Parlament und Präsident spielen auf Zeit
Doch die Chancen dafür schwinden. Denn in der Timoschenko-Frage scheint die Regierungsmehrheit im Parlament auf Zeit zu spielen. Ein neues Gesetz soll eine medizinische Behandlung Timoschenkos im Ausland ermöglichen. Deutschland hat angeboten, sie wegen ihres Rückenleidens in der Berliner Charité-Klinik aufzunehmen.
Die Verabschiedung des Gesetzes wird seit Ende Oktober immer wieder verschoben. Mal wird eine Arbeitsgruppe gegründet, mal fehlt Abgeordneten die Zeit, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Dabei gibt es mehrere Gesetzentwürfe: sowohl von der Regierung, als auch von der Opposition. Doch es gab bisher keine einzige Abstimmung. Die nächste Parlamentssitzung ist für Dienstag (19.11.2013) geplant.
Janukowitsch trifft sich mit Putin
Präsident Janukowitsch hat versprochen, das Gesetz zu unterzeichnen. Zu der Verzögerung im Parlament findet er keine deutlichen Worte. Seinen Einfluss auf die Regierungsmehrheit will Janukowitsch offenbar nicht nutzen.
Genauso wenig ist über die jüngsten Treffen des ukrainischen Präsidenten mit seinem russischen Kollegen bekannt. Seit Ende Oktober traf sich Janukowitsch bereits dreimal mit Wladimir Putin. Russland droht der Ukraine mit Handelsbeschränkungen, sollte die Ukraine das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Moskau möchte, dass die Ukraine der von Russland vorangetriebenen Zollunion beitritt. In Kiew wird spekuliert, dass Putin Janukowitsch einen Milliardenkredit für die angeschlagene ukrainische Wirtschaft in Aussicht gestellt haben soll.
EU gibt Ukraine letzte Chance
"Die Ukraine betreibt eine Schaukelpolitik und möchte auch in der Zukunft zwischen Russland und der EU lavieren", meint Gernor Erler, SPD-Außenpolitiker und Bundestagsabgeordneter im Gespräch mit der Deutschen Welle. Erler verweist dabei auf den starken Druck, den Moskau derzeit auf Kiew ausübe. Die EU-Assoziierung stehe jedoch engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der Ukraine nicht entgegen. Das Abkommen mit der EU würde allerdings die Position der Ukraine stärken, so der SPD-Politiker.
In der Europäischen Union mehren sich inzwischen Hinweise, dass das Assoziierungsabkommen mit Kiew später unterzeichnet werden könnte. Manche EU-Politiker nennen das Jahr 2015, also nach der Präsidentenwahl in der Ukraine. "Die Unterzeichnung in Vilnius wird immer weniger wahrscheinlich", meint auch Andrew Wilson vom European Council on Foreign Relations im Gespräch mit der DW. Die Abgeordneten im Kiewer Parlament würden "mit Feuer spielen", so der britische Ukraine-Experte.
Die EU will sich in den kommenden Tagen entscheiden, wie sie mit der Ukraine weiter umgehen wird. Am Montag, dem 18. November, wollen die EU-Außenminister darüber beraten. Brüssel will aber der Ukraine wohl noch eine letzte Chance geben. Die Mission der Gesandten des EU-Parlaments im Fall Timoschenko, Pat Cox und Alexander Kwasniewski, wurde bis zum Gipfel der "Östlichen Partnerschaft" in Vilnius verlängert.
Opposition mobilisiert Bevölkerung
Die ukrainische Opposition will vor diesem Hintergrund die Bevölkerung mobilisieren. Drei prowestliche Oppositionsparteien haben zu einer Kundgebung in Kiew am 24. November aufgerufen. Man will versuchen, durch den Druck der Straße den Präsidenten Janukowisch zum Einlenken zu bewegen.
Manche Ukrainer blicken dabei auf die benachbarte Republik Moldau. Dort gingen Anfang November rund hunderttausend Menschen auf die Straßen der Hauptstadt Chişinău, um für die Annäherung an Europa zu demonstrieren. In der Ukraine hat es solche Massendemonstrationen seit der sogenannten "Orangenen Revolution" im Herbst 2004 nicht mehr gegeben.