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EU bei Euro-Rettung auf "Nebengleis"

29. Januar 2012

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben immer noch keine umfassende Lösung für die Schuldenkrise, bemängelt der neue Fraktionschef der Sozialisten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Hannes Swoboda (Foto: dapd)
Sozialist # 1 im EU-Parlament: Hannes SwobodaBild: dapd

Dem nächsten EU-Gipfeltreffen am Montag (30.01.2012) sieht Hannes Swoboda von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs mit Skepsis entgegen. Die Staats- und Regierungschefs werden viel über den neuen Fiskalpakt zur besseren Haushaltsführung sprechen, aber das gehe, so Swoboda, an den wahren Problemen vorbei. "Der Fiskalpakt ist nur ein Nebengleis, das nur das Problem eines Landes behandelt, nämlich die Überschuldung in Griechenland. Wir brauchen aber erst einmal die Hauptgleise in diesem Verkehrsknoten. Wo soll es hingehen? Das eigentliche Problem in Europa ist doch, dass es zu wenig Wachstum und Beschäftigung gibt. Alle Länder müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Dazu trägt der Fiskalpakt nichts bei", so Hannes Swoboda im Interview mit der Deutschen Welle.

Mangel an politischem Willen

Hannes Swoboda erwartet von den solventen Staaten der Euro-Zone mehr Engagement zur Lösung der Krise. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dagegen gewarnt, Deutschland dürfe nicht überfordert werden. "Es ist selbstverständlich, dass Deutschland nicht überfordert werden darf. Da stimme ich der Kanzlerin zu", so Swoboda. Allerdings dürften auch die Krisenstaaten nicht mit überzogenen Sparprogrammen überfordert werden. Sparen allein schaffe kein Wachstum, keine Arbeitsplätze und keine Steuereinnahmen, um die Schulden zurückzahlen zu können.

Das EU-Parlament in StraßburgBild: dapd

Das Streben der EU-Staats- und Regierungschefs, mit dem neuen Fiskalpakt neue Strukturen zu schaffen, ist für Hannes Swoboda nicht ganz einzusehen. "Es gibt genügend Strukturen in Europa, man muss sie nur richtig verwenden. Auch die deutsche Bundeskanzlerin weigert sich vor allem in diesen bestehenden Strukturen, in der Gemeinschaft zu arbeiten. Widerstand kommt ja vor allem aus dem Rat." Der Sozialdemokrat aus Österreich, der seit vergangener Woche neuer Fraktionschef der Sozialisten im Europäischen Parlament ist, gesteht zu, dass Deutschland wegen seiner wirtschaftlichen Potenz eine gewisse Führungsrolle in der Krise übernehmen muss. "Wir haben nichts gegen eine Führung aus Deutschland, aber es muss die richtige Führung sein, die richtige Richtung sein. Es wird oft nur auf die nächste Wahl geschielt. Es wird gezögert. Erst will man gar nicht helfen, dann ein bisschen und dann ein bisschen mehr. Da es nicht den Willen zu einer gemeinsamen Lösung gibt, ist die Politik die eigentliche Katastrophe", so Swoboda gegenüber der Deutschen Welle.

Juncker: Oft zu zaghaft

Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker übte vor dem EU-Gipfeltreffen ebenfalls Kritik an Deutschland. In einem Gespräch mit der Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" sagte Juncker, natürlich habe Deutschland als das finanzstärkste Land der Euro-Zone ein großes Gewicht. "Ich wehre mich aber gegen den Eindruck, dass die ganze EU sich ständig im deutsch-französischen Maschinenraum zusammenrotten würde", so Juncker. "Jeder, der die Innereien der Währungsunion kennt, weiß aber, dass Merkel und (Frankreichs Staatschef) Sarkozy öfter Vorschläge als neu verkaufen, die in Wahrheit längst in der Euro-Gruppe beschlossen wurden." Die EU sei für ihre Verhältnisse in der Schuldenkrise beherzt vorgegangen wie nie zuvor, trotzdem sei vieles noch zu zaghaft, kritisiert der konservative Premierminister. Jean-Claude Juncker ist auch Vorsitzender der 17 Staaten umfassenden Euro-Gruppe. Im Gespräch mit dem Handelsblatt kündigte Juncker an, dass er den Vorsitz der Eurogruppe im Sommer abgeben will. Das sei ein "aufreibender Job", den er nicht weiterführen wolle. "Man muss jemanden finden, der es machen kann und will."

Entnervter Euro-Retter: Jean-Claude JunckerBild: dapd

Der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle, Bundeskanzlerin Merkel handle richtig, wenn Sie sage, Deutschland dürfe nicht überfordert werden. "Solidarität kann ja nicht nur heißen, dass man das Portemonnaie öffnet", so Brok.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Thomas Kohlmann