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PolitikEuropa

Bulgarien legt Veto gegen Nordmazedonien ein

18. November 2020

Die Europaminister der EU konnten bei ihrer Videokonferenz kein grünes Licht für Beitrittsverhandlungen geben. Bulgarien und die Niederlande bremsen - aus unterschiedlichen Motiven. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Symbolbild Westbalkan Flaggen (mit EU)
Seit Jahren wird verhandelt und verschoben: Flaggen der EU und der Westbalkan-Staaten Bild: picture-alliance/Photoshot/Qian Yi

Für die deutsche Ratspräsidentschaft der EU ist es keine gute Woche. Am Montag blockierten Ungarn und Polen den Haushalt. An diesem Dienstag legte Bulgarien ein Veto gegen ein längst beschlossenes EU-Projekt ein. Die bulgarische Regierung sprach sich gegen die Einberufung einer Regierungskonferenz aus, um mit dem Bewerberland Nordmazedonien über die EU-Mitgliedschaft zu verhandeln.

Die deutsche Ratspräsidentschaft, die die nächste Erweiterungsrunde unterstützt, hatte vergeblich versucht zu vermitteln. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, appellierte zu Beginn der heutigen Videokonferenz der zuständigen EU-Minister, der "Beitrittsprozess darf nicht Geisel bilateraler Forderungen einzelner Mitgliedsstaaten werden. Bulgarien verlangt von Nordmazedonien die bulgarischen Wurzeln in seiner Sprache und Geschichte anzuerkennen. Es stand sogar die Forderung im Raum die Landessprache nicht als Mazedonisch, sondern als bulgarischen Dialekt zu bezeichnen.

Bulgarisch? Mazedonisch?

Nordmazedonien pocht dagegen mit relativ harten anti-bulgarischen Tönen auf nationale Eigenständigkeit. Ein seit Jahren schwelender Streit, von dem die übrigen 25 EU-Mitglieder eigentlich dachten, dass er beigelegt sei. Nordmazedonien hatte nach Jahre währendem Streit mit Griechenland seinen ursprünglichen Staatsnamen "Republik Mazedonien" aufgegeben und gehofft, nun endlich die Beitrittsgespräche beginnen zu können. Das Veto aus Bulgarien dürfte zu einiger Enttäuschung und nicht gerade zur Entspannung zwischen den beiden Nachbarländern führen, die 2017 sogar einen Freundschaftsvertrag geschlossen hatten.

Nordmazedoniens Premier Zaev (li.), Bulgariens Premier Borissov (am 10. November in Sofia): Keine AnnäherungBild: Regierung Nordmazedonien

Drei Forschungsinstitute aus Nordmazedonien hatten bereits am Montag eine entsprechende Stellungnahme veröffentlicht. "Unser Land hat sogar seinen Namen geändert, beseelt von den Versprechungen der EU. Deshalb ist die neue Blockade nicht nur ein Betrug an mazedonischen Bürgern, sondern auch ein Verrat europäischer Werte", heißt es in der Erklärung des Instituts für Demokratie, des Europäischen Politikinstituts und des Thinktanks Eurothink in Skopje.

Die bulgarische Außenministerin Ekaterina Zaharieva sagte vor der Videokonferenz der Europaminister der EU, sie sei nicht im Prinzip gegen eine Mitgliedschaft Nordmazedoniens, nur die Verhandlungen könnten eben jetzt noch nicht beginnen. "Niemand spricht ihnen das Recht ab, ihre Nation selbst zu definieren und ihre Sprache so zu nennen, wie sie wollen. Aber wir können nicht billigen, dass dieses Recht auf Hass, Geschichtsklitterung und Leugnen Bulgariens fußt", sagte Zaharieva in einem Interview mit dem bulgarischen Fernsehsender BTV.

Deutsche Ratspräsidentschaft scheitert

Bereits im März dieses Jahres hatte der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs grünes Licht für Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien gegeben. Daran erinnerte Michael Roth, der Staatsminister im Auswärtigen Amt, heute noch einmal. "Es liegt im ureigensten Interesse der Union, so schnell wie irgend möglich zu starten. Pragmatisch und solidarisch." Stabilität und Demokratie durch eine EU-Mitgliedschaft sei von zentraler strategischer Bedeutung auf dem westlichen Balkan, so der Staatsminister. "Bei der Suche nach vernünftigen Lösungen wollen wir hilfreich sein", versprach Michael Roth.

Staatsminister Roth: Zuversichtlicher, aber bislang glückloser VermittlerBild: Markus Schreiber/AFP/Getty Images

Aber bilaterale Probleme dürften nicht die gesamte europäische Ebene lahmlegen. Es sei "ein klares Signal der Verlässlichkeit nötig", sagte der deutsche Ratsvorsitzende. Sowohl Albanien als auch Nordmazedonien hätten sehr viel geleistet, um sich für konkrete Beitrittsgespräche zu qualifizieren. Nach einem schnellen Verhandlungsbeginn sieht es im Moment nicht aus. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass bis zum Ende des Jahres, wenn auch die deutsche Ratspräsidentschaft enden wird, gar nichts mehr bewegt werden kann. Und das liegt nicht nur am Streit zwischen Bulgaren und Mazedoniern.

Niederlande gegen Albanien

Die niederländische Regierung hat immer noch Bedenken gegen Beitrittsverhandlungen mit Albanien. Den Haag verlangt, dass Albanien die Funktion seines Verfassungsgerichts sicherstellt und noch ein Medien-Gesetz umsetzen muss, bevor die lange versprochenen Beitrittsverhandlungen beginnen können. Mit Nord- Mazedonien hingegen haben die Niederländer kein Problem. Der Ministerpräsident von Albanien, Edi Rama, bestritt schon vor zwei Wochen in Gesprächen mit Journalisten, dass es noch offene Bedingungen gebe.

Die ablehnende Haltung der Niederlande sei auf die bevorstehenden Parlamentswahlen 2021 zurückzuführen. Eine EU-Erweiterung ist in den von einer christdemokratisch-liberalen Koalition regierten Niederlanden nicht gerade ein Wahlkampfschlager. Vor einem Jahr, im Oktober 2019, hatten die Niederlande, Frankreich und Dänemark den Beginn Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien verhindert. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron setzte durch, dass der Beitrittsprozess vor Beginn neuer Runden noch einmal reformiert und verschärft wurde. Jetzt wird das heiße Eisen an die nächste EU-Präsidentschaft 2021, nach Portugal weiter gereicht.

Neben Albanien und Nordmazedonien streben auch die übrigen Staaten auf dem westlichen Balkan seit Jahren eine Mitgliedschaft in der EU an. Serbien und Montenegro verhandeln bereits konkret. Kosovo und Bosnien-Herzegowina müssen vor diesem Schritt noch etliche interne und externe Konflikte überwinden.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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