1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU will Sanktionen gegen Belarus

14. August 2020

Die Außenminister der EU wollen Verantwortliche für Polizeigewalt und Wahlbetrug in Belarus mit Strafen belegen. Jetzt wird eine schwarze Liste erstellt, beschlossen wird später. Bernd Riegert aus Brüssel.

Polen Krakau Solidaritätsproteste mit Belarus
Proteste im Nachbarland Polen (hier Krakau) gegen das belarussische Regime Bild: picture-alliance/NurPhoto/B. Zawrzel

Gleich zwei politische Krisen in Europa machten, so befand der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, eine Sondersitzung der EU-Außenminister mitten in der Sommerpause nötig. Obwohl teilweise im Urlaub, schalteten sich die Minister am Freitagnachmittag zu einer Videositzung zusammen, um über die Lage in Belarus (Weißrussland) zu beraten sowie um den Streit zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei um Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer.

Videokonferenz der Außenminister mit EU-Chefdiplomat Borrell (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/V. Mayo

Borrell weilt in seiner Heimat Spanien, deshalb gab es am Ende der Sitzung keine Pressekonferenz, sondern nur eine schriftliche Erklärung. Der derzeitige Präsident des Rates der EU, der deutsche Außenminister Heiko Maas, macht im Saarland Urlaub. Auch nach Saarlouis war eine technische Verbindung zum Pressesaal der EU in Brüssel wohl nicht möglich.

Sanktionen werden eingeleitet

Maas erklärte vor der Schaltkonferenz, man müsse "den Druck auf den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko" erhöhen. Das will die EU durch die Androhung von Sanktionen erreichen, die sich gegen Personen richten sollen, die für die Misshandlung von Demonstranten und die umstrittene Auszählung der Wahlen am vergangenen Sonntag in Weißrussland verantwortlich sind. Ziel von Sanktionen könnte auch der engere Führungszirkel in Minsk werden. Ob auch der weißrussische Präsident Lukaschenko selbst mit Strafmaßnahmen belegt werden soll, blieb offen.

Heiko Maas: Brutale Gewalt gegen Demonstranten und Inhaftierte wird scharf verurteilt (Archivbild)Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte nach der Videositzung, die EU-Kommission bekomme den Auftrag, eine entsprechende Liste auszuarbeiten, über die die Minister dann noch einmal formal abstimmen müssen, bevor Sanktionen in Kraft treten können. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird diese Liste so schnell wie möglich zusammenstellen lassen, denn sie hatte sich vor der Sitzung der Minister klar für Sanktionen ausgesprochen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hatte gar von "Staatsterrorismus" in Belarus gesprochen.

Vor vier Jahren hatte die EU Sanktionen gegen 173 Personen im belarussischen Staatsapparat aufgehoben, weil man damals leichtes Tauwetter in Minsk entdeckt hatte. Bislang war der Präsident als eine Art Vermittler im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine aufgetreten. In der Hauptstadt Minsk fanden die entscheidenden Treffen statt, weshalb die Gespräche "Minsk-Prozess" genannt werden. Außerdem gibt es auch Verbindungen zu Belarus im Nachbarschaftsprogramm der EU. Von dort fließen, wenn auch in geringem Umfang, Fördergelder. Außerdem arbeitet Belarus in manchen Bereichen mit der NATO zusammen. Es gilt aber nach wie vor ein allgemeines Waffenembargo der EU gegen Belarus.

"Zeichen der Solidarität"

Für das Wochenende sind in Belarus weitere Demonstrationen angekündigt. Der Zentraleuropa-Experte des German Marshall Fund, Jörg Forbrig, sagte der DW, er rechne damit, dass Lukaschenko sich nicht mehr lange im Amt halten werde. Sanktionen der EU, die erst in einigen Wochen in Kraft treten würden, kämen vielleicht schon zu spät, um noch Wirkung zu entfalten.

Kolesnikova: Große Unterstützung aus Europa

01:17

This browser does not support the video element.

"Die Sanktionen sind ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Belarus und dass die Behandlung der Demonstranten durch ihre Regierung nicht hingenommen wird", meinte Jörg Forbrig. Auf der anderen Seite seien die Sanktionen auch für die Glaubwürdigkeit der EU wichtig, denn Belarus trete schließlich europäische Werte mit Füßen. "Die EU sollte aber mehr anbieten, zum Bespiel eine Vermittlerrolle in dem Konflikt und humanitäre Hilfe für die Opfer der Gewalt."

Die direkten Nachbarstaaten Belarus' in der EU, Polen, Litauen und Lettland, forderten eine Wiederholung der offensichtlich gefälschten Präsidentenwahl unter internationaler Aufsicht. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis hatte sogar einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zu Belarus vorgeschlagen. Darauf ist der zuständige Ratsvorsitzende Louis Michel bislang nicht eingegangen.

Ungarn bleibt skeptisch

Sanktionen gegen die weißrussische Führung hatte das EU-Mitglied Ungarn zunächst abgelehnt. "Wir sind daran interessiert, dass in der EU dialogbasierte Entscheidungen getroffen werden, die den künftigen Ausbau von Beziehungen zwischen der EU und Belarus nicht unmöglich machen", hatte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto bereits am Donnerstag erklärt. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte den weißrussischen Diktator erst kürzlich besucht und umfangreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Sollten Sanktionen beschlossen werden, müsste am Ende auch Ungarn zustimmen, denn es ist Einstimmigkeit erforderlich.

Die Proteste in Belarus gehen derweil weiter: Demonstrantin in weiß vor SicherheitskräftenBild: Getty Images/AFP/S. Leskiec

Kurz vor der Sitzung der EU-Außenminister hat der Außenminister von Belarus, Wladimir Makei, in einem Interview erklärt, er sei bereit zu "konstruktiven und objektiven" Gesprächen über den Verlauf der umstrittenen Präsidentenwahl und die seit Tagen anhaltenden Proteste. Doch dieses Angebot reichte nicht. Die EU ist jetzt auf Sanktionskurs. Der belarussische Präsident Lukaschenko machte erneut, ohne Belege zu nennen, "ausländische Kräfte" aus den Niederlanden, Polen und der Ukraine für die Proteste gegen ihn verantwortlich.

EU will Eskalation im östlichen Mittelmeer vermeiden

Das zweite Krisenthema wurde ohne formale Sanktionsdrohungen besprochen. Griechenland und Zypern werden von der EU im Streit um Gasbohrrechte im östlichen Mittelmeer unterstützt. Die Türkei sucht nach Ansicht der EU illegal in griechischen und zyprischen Hoheitsgewässern nach Gas, doch Strafmaßnahmen soll es deswegen vorerst nicht geben. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte seinen europäischen Kolleginnen und Kollegen kurz vor deren Videoschalte versichert, Ankara wolle keine Eskalation des Konflikts. Allerdings, so Cavusoglu, müsse sich auch Griechenland "vernünftig" verhalten. Der griechische Außenminister Nikos Dendias betonte, sein Land hoffe, es werde keinen Konflikt geben, wenn "jeder bei Sinnen und beim internationalem Recht bleibt."

EU-Außenbeauftragter Borrell, türkischer Minister Cavusoglu im Juli in Brüssel: Viele Reibungspunkte mit der TürkeiBild: picture-alliance/AA/C. Ozdel

Bundeskanzlerin Merkel vermittelt

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan telefoniert, um die Wogen zu glätten. Sie rief beide zum Dialog und zur Deeskalation auf.

Im östlichen Mittelmeer ist ein türkisches Explorationsschiff unterwegs, begleitet von der türkischen Marine. Erdogan kündigte an, die Erkundungen würden bis zum 23. August fortgesetzt. Frankreich hatte Seemanöver mit der griechischen Marine vor Kreta begonnen, um die Türkei einzuschüchtern. Der türkische Außenminister Cavusoglu warf Frankreich vor, es verhalte sich wie ein "Gangster".

Die drei Konfliktparteien Türkei, Griechenland und Frankreich sind NATO-Verbündete. Griechenland und die Türkei streiten sich bereits seit Jahrzehnten um territoriale Fragen. Die Türkei hält immer noch den Nordteil des EU-Mitglieds Zypern besetzt.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen