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PolitikEuropa

Autos müssen in der EU klimaneutral fahren

28. März 2023

Der Porsche ist gerettet. Er darf auch nach 2035 zugelassen werden, wenn er E-Fuels verbrennt. Der deutsche Sonderweg und der Sturm im Wasserglas. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Deutschland Salzgitter | Volkswagen - Batterien für Elektroautos
Recycling von Autobatterien bei Volkswagen: Die EU setzt auf klimaneutrales FahrenBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Das weitgehende Verbot neuer Autos mit Verbrennermotor kommt: Die Energieministerinnen und -minister der Europäischen Union billigten das Gesetz, das von 2035 an die Zulassung von Personenkraftwagen auf Modelle beschränkt, die keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen. Die Abstimmung, die im Gesetzgebungsverfahren eigentlich nur noch als Formsache galt, war durch einen deutschen Einspruch um einige Wochen verzögert worden.

Die deutsche Bundesregierung, genauer gesagt der liberale Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), verlangte eine Klarstellung, dass nach 2035 auch Autos neu zugelassen werden können, die nicht von einem Elektromotor, sondern von einem Otto-Motor angetrieben werden, der ausschließlich künstliche Kraftstoffe, so genannte E-Fuels, verbrennt.

E-Fuels: Bislang waren sie für Sonderfahrzeuge, Lkw, Flugzeuge und Schiffe gedachtBild: Tom Weller/dpa/picture alliance

Gesetz wird nicht geändert

Diese Hintertür für Verbrenner-Modelle steht zwar im ursprünglichen Gesetzestext vom Juni 2022, war aber der deutschen Seite nicht eindeutig genug. Deshalb hat die zuständige EU-Kommission mit der Bundesregierung eine Erklärung ausgehandelt, die ausdrücklich die Zulassung von E-Fuel-getriebenen Fahrzeugen zulässt. E-Fuels gelten als weitgehend klimaneutral, wenn sie mit Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt werden. Sie dürften aber mit sieben bis acht Euro pro Liter sehr teuer sein. Am Gesetzestext zur Emissionsfreiheit von Fahrzeugen wurde kein einziger Buchstabe geändert, erklärten EU-Beamte in Brüssel.

Die Ausnahmeregelung soll nun von der EU-Kommission durch eine Verordnung als eine Ergänzung zum Gesetz rechtsverbindlich gemacht werden. Sollte das EU-Parlament diesen so genannten "deligierten Rechtsakt" ablehnen, würde die EU-Kommission Plan B verfolgen. Der würde ein neues Gesetzgebungsverfahren erfordern, das mehrere Jahre dauern kann und nach Meinung von EU-Beamten nicht vor 2026 abgeschlossen werden könne.

"Harte Nuss"

Viele Energieminister hatten kein Verständnis für die deutsche Ausnahmeregelung für Verbrenner. Die schwedische Vorsitzende des Ministerrates, Edda Busch, zeigte sich erleichtert. "Ich bin froh, dass die EU jetzt einen anspruchsvollen nach vorne gerichteten Weg eingeschlagen hat, um Autos mit herkömmlichen Kraftstoffen abzuschaffen." Die deutschen Einwände seien eine "hart zu knackende Nuss" gewesen, am Ende sei es gelungen.

Volker Wissing: Bedenken in allerletzter Minute, trotz anfänglicher ZustimmungBild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

Die EU-Kommission hofft, dass das Vorgehen von Verkehrsminister Volker Wissing, der das Gesetzgebungsverfahren erst in allerletzter Minute angehalten hatte, keine Schule machen werde. Man müsse sich schließlich auf eine einmal gegebene Zustimmung verlassen können. Die Bundesregierung war in sich in dieser Frage zerstritten, hatte aber bereits im November ihre Zustimmung gegeben. Diese hatte der FDP-Politiker dann im Februar zurückgezogen.

"Sturm im Wasserglas"

Der Energie- und Verkehrsminister von Luxemburg, Claude Tumes (Grüne), kritisierte das deutsche Beharren auf E-Fuels für Autos nach 2035 als "Sturm im Wasserglas". Diese Antriebsart sei teuer und offenbar nur für begüterte Sportwagenfahrer gemacht. "Es war unsäglich, dass wir in Europa wochenlang die Schmerzen der FDP mit erleiden mussten. Das war eine Politik für Porsche-Fahrer und Reiche. Das war ziemlich absurd, was da gelaufen ist", sagte Claude Tumes in Brüssel am Rande des Ministerrates.

Christian Lindner: Bei seiner Hochzeit 2022 fuhr der Autofan einen PorscheBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Die FDP habe Wahlschlappen erlitten und zeigen müssen, dass sie auch noch da sei, meinte Claude Tumes weiter. Dass der FDP-Vorsitzende, Bundesfinanzminister Christian Lindner, ein leidenschaftlicher Porsche-Fahrer sei, sei in diesem Zusammenhang sicher ein Zufall, frotzelten Beobachter der EU in Brüssel.

Verkehrsminister Wissing hatte argumentiert, man dürfe der Autoindustrie nicht vorschreiben, wie sie das Null-Emissionsziel erreichen solle. Die Politik müsse sich "technisch neutral" verhalten. Am Markt würde sich die beste Technik, ob nun batterieelektrisch oder saubere Verbrenner, durchsetzen. Der grüne Koalitionspartner in Berlin hatte Wissings Kurs heftig kritisiert. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sagte, das Verbrenner-Drama schade der Glaubwürdigkeit Deutschlands bei der EU.

Keine Ausnahme für Bio-Kraftstoffe

Der für Klimaschutz zuständige Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, der wochenlang mit Volker Wissing gerungen hatte, lobte den heutigen abschließenden Beschluss der Ministerinnen und Minister. "Die EU hat einen wichtigen Schritt hin zur Mobilität ohne Emissionen gemacht. Die Richtung ist klar: Von 2035 an dürfen Autos und Vans keine Abgase mehr ausstoßen", schrieb Timmermans auf Twitter.

Die italienische Regierung hatte verlangt, auch Fahrzeugen, die mit Bio-Kraftstoffen aus Pflanzen angetrieben werden, eine Ausnahme zu gewähren. Das lehnte die EU-Kommission jedoch mit dem Argument ab, Bio-Kraftstoffe seien nicht klimaneutral, weil bei ihrer Herstellung Kohlendioxid freigesetzt würde. Künstliche Kraftstoffe (E-Fuels) würden dagegen bei ihrer Herstellung Kohlendioxid binden, das bei der Verbrennung im Motor wieder freigesetzt werde. Sie räumte aber ein, dass im Moment völlig klimaneutrale E-Fuels noch gar nicht auf dem Markt seien.

Frans Timmermans: Kompromiss gefunden auf dem Weg zur KlimaneutralitätBild: Jean-Francois Badias/AP/picture alliance

Nächster Streit: "Erneuerbare" Atomenergie

Die Energieminister und -ministerinnen diskutierten neben dem Aus für Verbrennermotoren die Gasversorgung für den kommenden Winter. Außerdem wird über eine Reform des Strommarktes und eine geänderte Preissetzung für Strom diskutiert. Der nächste Streit zeichnet sich auch bereits ab: Frankreich besteht darauf Atomenergie, die für die Produktion von E-Fuels oder Wasserstoff eingesetzt wird, als erneuerbar, nachhaltig und förderwürdig zu erklären.

Österreich und Luxemburg lehnen das ab, weil Atomenergie auch aus fossilen Quellen stamme und der Bau von Kernkraftwerken riesige Mengen CO2 freisetze. Die Frage ist nun, wird Frankreich dem deutschen Vorbild folgen und als großer Mitgliedsstaat der EU ebenfalls Extrawürste fordern? "Dies ist ein schwieriger Punkt für Frankreich und seine Partner, und wir sind noch nicht so weit", sagte die französische Energieministerin Agnès Pannier-Runacher bereits im Februar.

Sind E-Fuels wirklich eine ökologische Alternative?

07:16

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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