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Politik

EU beschließt neue Libyen-Mission

Barbara Wesel
17. Februar 2020

Die EU-Außenminister haben eine neue Mission zur Überwachung des Waffenembargos in Libyen vereinbart. Dazu gehören eine Luftüberwachung und Fregatten aus den Mitgliedsländern. Kritiker zweifeln am Nutzen des Einsatzes.

Libyen Symbolbild | UN-Sicherheitsrat Resolution zur Unterstützung der Beschlüsse der Libyen-Konferenz in Berlin
Bild: picture-alliance/Xinhua/A. Salahuddien

Nach intensivem Streit einigten sich die EU-Außenminister in Brüssel auf einen neuen Libyen-Einsatz. Es geht um die Kontrolle des Waffenembargos, das Ende Januar bei der Konferenz in Berlin zum ersten Baustein einer neuen europäischen Libyen-Strategie werden sollte. Zuletzt hatte noch Österreich die Einigung aufgehalten. Wien befürchtete einen "pull-Faktor" für Flüchtlinge, wenn einfach die Sophie-Mission wieder aufgelegt würde. Das Problem konnte jetzt mit einem Formelkompromiss beigelegt werden. Aber was kann dieser Einsatz überhaupt leisten?

Diplomatie im Schneckentempo

"Es gab eine positive Grundsatzentscheidung" verkündete der deutsche Außenminister Heiko Maas nach dem Treffen mit seinen EU-Kollegen und sprach von einer "maritimen Komponente" beim neuen Libyen-Einsatz - womit einfach Schiffe gemeint sind. Die "Sophia"-Mission der EU liegt seit dem vergangenen Jahr wegen Widerstands aus Italien auf Eis, weil die Fregatten immer wieder Flüchtlinge vor der Küste Libyens aus dem Wasser geholt hatten, die dann in italienischen Häfen an Land gelassen wurden.

Zuletzt hatte die österreichische Regierung mit dem Argument eine Einigung blockiert, man befürchte wieder mehr Flüchtlinge, wenn EU-Fregatten erneut vor der libyschen Küste ausfahren würden. Deshalb betonte Maas auch, der neue Einsatz solle im östlichen Mittelmeer stattfinden, fernab der Flüchtlingsrouten. Wobei eine solche Festlegung wohl nur begrenzt umsetzbar ist, denn Waffenschmuggler werden sich eher nicht an die Routen der EU-Beobachter halten. 

Heiko Maas und EU-Chefdiplomat Josep Borrell sind zufrieden auch über kleine Erfolge bei ihrer Libyen-Strategie Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Seco

Es gehe um die Fortsetzung des "Berliner Prozesses", so erklärt Maas in Brüssel einmal mehr, wonach die Bürgerkriegsparteien in Libyen voneinander getrennt werden und ihre internationalen Unterstützer ihnen keine Waffen mehr liefern sollten. Am Sonntag zum Ende der Münchener Sicherheitskonferenz hatten sich die betroffenen Teilnehmerländer erneut auf die Einhaltung des Waffenembargos verpflichtet. Wie ernst das gemeint war, steht dahin. Schon nach dem Treffen in Berlin hatte UN-Generalsekretär Guterres innerhalb von Tagen festgestellt, dass der Waffenstillstand gerade ein paar Stunden hielt und das Waffenembargo kurz darauf von allen Seiten gebrochen wurde.

Was kann die EU überhaupt ausrichten?

Nach dem Sturz von Machthaber Gaddafi 2011 bewaffneten sich zunächst die örtlichen Milizen aus den Beständen der Armee. Mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 2014 wurde Libyen zu einem nennenswerten Importeur von Waffen und seit die Kämpfe im vergangenen Jahr wieder aufflammten, wird auf libyschem Boden ein Stellvertreterkrieg ausgetragen: Die Arabischen Emirate, Ägypten, Jordanien und Russland liefern Ausrüstung an die Milizen von Rebellen-General Haftar, die Türkei versorgt die von den Vereinten Nationen und der EU anerkannte Regierung Saraj in Tripolis. Durch die Internationalisierung des Konfliktes strömen längst Waffen auf allen Wegen ins Land - auf dem Landweg, zu Wasser und durch die Luft. 

Die Verhandlungen über die neue EU-Mission seien strittig gewesen, sagte Chefdiplomat Josep Borrell, aber es gebe genug Freiwillige, um die nötigen Schiffe bereit zu stellen: "Es wird keinen Mangel geben". Und wenn die Fregatten einen Waffentransport auffinden, seien sie auch imstande ihn zu stoppen: "Der Einsatz ist kein Spaziergang". Borrell wollte sich allerdings nicht darauf festlegen, welcher Prozentsatz von militärischem Gerät überhaupt über das Meer kommt. "Wir tun was wir können, aber wir können schließlich keine Truppen an der ägyptisch-libyschen Grenze aufstellen". 

Beide Seiten im libyschen Konflikt, Regierungstruppen und Rebellenmilizen, erhalten Waffen von internationalen UnterstützernBild: picture-alliance/Photoshot/H. Turkia

Womit er deutlich macht, dass die Luftüberwachung nur zur Information dienen kann und die maritime Kontrolle den Europäern vor allem das Gefühl vermitteln soll, sie würden sich in dem Konflikt engagieren. Denn um den Zufluss von Waffen ernsthaft zu stoppen, müssten sowohl Bodentruppen eingesetzt werden, als auch eine komplette Kontrolle des libyschen Luftraums durch Kampfjets sichergestellt werden. Beides kann die EU nicht leisten.

Ist das Waffenembargo ein "Witz"?

In München hatte die UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Stephanie Williams, gesagt: "Das Waffenembargo ist zu einem Witz geworden und wir müssen hier wirklich mehr tun". Es sei kompliziert, weil die Verletzungen auf allen Transportwegen stattfinden würden, aber das Embargo müsse überwacht und die Verantwortlichkeit festgestellt werden. Auch Außenminister Heiko Maas musste einräumen, dass es in den letzten Wochen "viele nicht unbedeutende Verletzungen" gegeben habe.

Die Liberalen im Europaparlament sprechen von 100 Verstößen in jüngster Zeit und halten den Beschluss der Außenminister für ungenügend. Sie hätten die Chance verpasst, "sich auf Sanktionen zu verständigen, um eine klare Botschaft Richtung Türkei, Russland oder den Vereinigten Emiraten zu senden", erklärte die FDP- Abgeordnete Nicola Beer. Die Militärmission ohne Sanktionen sei zu schwach, um den Konflikt in Libyen zu entschärfen und gleichzeitig die Ursachen für Migration zu bekämpfen. 

Einige EU-Länder fürchten einen "Pull-Effekt" durch die EU-MissionBild: pictur- alliance/AP Photo/O. Calvo

Die Grünen wiederum kritisieren, dass Seenotrettung im neuen Mandat für Libyen ausdrücklich nicht vorgesehen sei: "Die Schiffe müssen dort sein, wo Menschen in Not sind". Seit einem Jahr schon verhinderten EU-Regierungen die Rettung von Flüchtlingen und würden libysche Milizen noch dabei unterstützen, Fluchtmöglichkeiten weiter einzuschränken, klagt der Europaparlamentarier Erik Marquardt.

Und die "Stiftung Wissenschaft und Politik" zweifelt in einer aktuellen Untersuchung daran, dass die EU unter gegenwärtigen Umständen überhaupt imstande sei, ihr Vorhaben umzusetzen: "Es gibt keine einfachen, nur geringen Aufwand erfordernde und vollen Erfolg versprechende Optionen für die EU, in Libyen das geltende Waffenembargo durchzusetzen. Alle sind mit zum Teil erheblichen politischen, finanziellen und militärischen Kosten verbunden", schreiben Markus Keim und René Schulz. Militärisch sei die EU dazu überhaupt nicht in der Lage und nur in Verbindung mit Wirtschaftssanktionen sei es überhaupt möglich, den Zustrom zu verringern. Da aber auch Italien und Frankreich in Libyen eigene Wege gehen und sich auf entgegengesetzten Seiten des Konfliktes wiederfinden, gehen die Chancen dafür eher gegen null.

 

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