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EU besorgt wegen Medienpolitik

3. Januar 2016

Die neue Warschauer Medienpolitik stößt bei der Europäischen Kommission auf Unverständnis. Der zuständige EU-Kommissar möchte Warschau "unter Aufsicht stellen".

EU-Kommissar für digitale Wirtschaft Günther Oettinger (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Julien Warnand

"Es spreche "viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen", sagte der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Er werde sich auf der nächsten Sitzung der Kommission am 13. Januar dafür einsetzen.

"Ein Intendant darf nicht ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Das wäre Willkür", sagte der in der EU für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständige Oettinger mit Blick auf das neue polnische Mediengesetz. "Je größer unsere Sorge ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion einbüßen könnte, nämlich die Bürger unabhängig zu informieren, desto mehr müssen wir die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden stärken", fügte er in der FAS hinzu.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte das Thema auf die Tagesordnung der Sitzung Mitte Januar gesetzt. Er will mit dem sogenannten Rechtsstaatsmechanismus ein Instrument nutzen, das es in der Europäischen Union erst seit 2014 gibt. Es sieht einen strukturierten Dialog mit einem Mitgliedstaat vor, wenn die Kommission systembedingte Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit erkennt. Je nach Verlauf kann ein Verfahren wegen Verstoßes gegen europäische Grundwerte eingeleitet werden. Das sei noch nie geschehen, könnte aber bis zum Entzug von Stimmrechten führen, heißt es in dem Bericht der FAS weiter.

Öffentlich-rechtliche Medien an der kurzen Leine

Das polnische Parlament hatte mit der Mehrheit der konservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Eilverfahren eine Reform beschlossen, die es der Regierung unter anderem erlaubt, das Führungspersonal öffentlich-rechtlicher Sender auszutauschen.

Rücktrittswelle im öffentlich-rechtlichen Fernsehen

Nach Verabschiedung des umstrittenen Mediengesetzes in Polen hatten am Samstag die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP ihren Rücktritt eingereicht. Das berichtete unter anderem die "Gazeta Wyborcza". Die prominenten Fernsehmacher dürften damit ihrer Entlassung zuvorkommen. Mit einem offenen Brief verabschiedete sich auch Tomasz Lis, einer der bekanntesten Journalisten Polens, von den Zuschauern.

Nach dem Gesetz, das die nationalkonservative Regierung am Donnerstag auch durch die zweite Kammer des Parlaments gebracht hatte, sollen die Mandate der bisherigen Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder von TV und Rundfunk verfallen. Über die Spitzenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien soll der Schatzminister und damit die Regierung entscheiden.

Internationale Medienorganisationen waren Sturm gegen die Medienreform in Polen gelaufen. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski hat bereits einen noch weitergehenden Umbau der öffentlich-rechtlichen Sender und der polnischen Nachrichtenagentur PAP angekündigt: Sie sollen zu "Kulturinstituten unter Patronat eines Nationalen Medienrates" werden, den die neue Regierung aufbauen will.

qu/sti (afp, rtr)

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