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PolitikEuropa

EU: Beziehungen zu China "neu kalibrieren"

Lucia Schulten z. Z. in Stockholm
12. Mai 2023

Bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister in Stockholm geht es um die zwei großen geopolitischen Fragen: Russlands Krieg in der Ukraine und die Beziehungen zu China. Entschieden wird nichts - aber manches klarer.

Gruppenbild beim Treffen der EU-Außenministerinnen und -Außenminister in Stockholm
Gruppenbild beim Treffen der EU-Außenministerinnen und -Außenminister in StockholmBild: Jonas Ekstromer/TT News Agency/REUTERS

"China wird das große Thema heute sein," hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem zweitägigen informellen Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union in Stockholm angekündigt. Seine Behörde hatte ein Papier zu den Beziehungen der EU zu Peking vorbereitet, dass die Minister diskutierten, um eine gemeinsame EU-Position zu finden. Außenpolitik sei Sache des Rates, so Borrell, und das Treffen solle die Diskussionen des Europäischen Rates Ende Juni vorbereiten. Er will die Beziehungen zu China "neu kalibrieren".

Nach dem Zusammenkommen verkündete Borrell am Freitagabend, die Außenminister hätten das Papier begrüßt. Eine überarbeitete Version werde den Staats- und Regierungschefs bei ihrem nächsten Treffen präsentiert. 

China: weiterhin Partner, Wettbewerber, Systemrivale der EU?

Seit 2019 definiert die EU die Beziehungen zu China durch den Dreiklang "Partner, Wettbewerber und Systemrivale". Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. In dem internen Borrell-Papier, das der DW vorliegt, betont die Union, dass es von Chinas Verhalten gegenüber der EU abhänge, wie diese drei Aspekte ausbalanciert würden. Auch bekräftigt das Papier, dass die Zusammenarbeit mit den USA weiterhin unentbehrlich sei. Ähnlich klang das bei Bundeskanzler Olaf Scholz' Rede vor dem EU-Parlament in dieser Woche.

Die EU sucht also weiterhin nach einem neuen Umgang mit China. Im Mittelpunkt steht dabei die Idee des De-Risking: "Wir als Europäer wollen keine Entkopplung, kein De-Coupling, aber wir wollen unsere eigenen Risiken minimieren, die unsere Sicherheit gefährden," betonte auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, als sie in Stockholm ankam. In den vergangenen Jahren habe die systemische Rivalität im Verhältnis zu China zugenommen, bedauert die Grünen-Politikerin. 

Schwieriges Terrain: die EU-Russland-Sanktionen

Für das Treffen am Freitag standen zwar keine formalen Beschlüsse an, aber das elfte Sanktionspaket der EU gegen Russland wird hinter den verschlossenen Türen wohl eine Rolle gespielt haben. Vergangene Woche hatte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag vorgelegt, den derzeit die Mitgliedstaaten diskutieren. Enthalten sind auch Maßnahmen, die verhindern sollen, dass andere Staaten die Sanktionen umgehen und Schlupflöcher ausnutzen. Auch das könnte Auswirkungen auf die EU-China-Beziehungen haben.

Droht China "Konsequenzen" an: die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Stockholm Bild: Kira Hofmann/photothek/picture alliance

Man habe in den vergangenen Monaten immer mehr Hinweise bekommen, dass doch Kriegsmaterial und Dual-Use-Güter nach Russland geliefert würden, sagte Außenministerin Baerbock in Stockholm. Sie habe in den entsprechenden Ländern nachgefragt. "In China hat man deutlich gemacht, dass man keine Kriegsmaterialien liefern würde", so die Ministerin. Für den Fall, dass Kriegsmaterial an Russland geliefert werde, kündigte sie nicht näher definierte "Konsequenzen" an.

Dual-Use-Güter sind Waren, die man sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke einsetzen kann, wie etwa Mikrochips oder Nachtsichtgeräte. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass in dem neuen Sanktionspaket auch chinesische Firmen genannt sind. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums mahnte, solche Sanktionen würden die Beziehungen der EU zu China belasten.

Bislang hat die chinesische Regierung den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht verurteilt. Das Verhalten Pekings gegenüber Moskau wird von EU-Entscheidungsträgern als entscheidend für die weitere Gestaltung der Beziehungen gewertet.

Paradigmenwechsel in der Sanktionspolitik?

Die derzeit diskutierten Strafmaßnahmen sind sogenannte Sekundärsanktionen, erklärt Tobias Gehrke von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations. Das bedeutet, Produkte, die eigentlich sanktioniert seien, gelangten über ein Unternehmen in einem Drittstaat dennoch nach Russland. Bislang habe die EU dagegen keine Handhabe - denn sie könne nur Unternehmen in EU-Mitgliedsstaaten sanktionieren, keine Firmen in Drittstaaten, so Gehrke im Gespräch mit der DW. Darum habe die EU sich bisher gegen solche Sanktionen ausgesprochen. Der Sanktionsexperte erkennt in der jetzigen Debatte einen Paradigmenwechsel.

Dual-Use-Gut Nachtsichtgerät: Einsatz bei zivilen Rettungseinsätzen - aber auch im KriegBild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Zu den derzeit diskutierten Maßnahmen gehört auch eine Auflistung von Ländern, die bei der Umgehung von Sanktionen  ihre Finger im Spiel haben. Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis bezweifelte am Freitag in Stockholm,  dass sich die Mitgliedstaaten darauf einigen können. "Ich bin mir nicht sicher, ob ein länderspezifisches Verbot effizient wäre," sagte er. Stattdessen möchte er Unternehmen, die Sanktionen umgehen, einzeln ansprechen.

Die Diskussionen werden in Stockholm nicht beendet werden. Sanktionsexperte Gehrke weist darauf hin, dass Sekundärsanktionen auf internationaler Ebene ein "hochkontroverses Thema" seien, da die meisten Staaten sie als einen Eingriff in ihre nationale Souveränität werten. Er hält es für einen Fehler, sie einzuführen.

Am Samstag wird das Treffen fortgesetzt. Erwartet wird unter anderem der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Auch mit ihm soll besprochen werden, so der schwedische Außenminister Tobias Billström, wie mit Sanktionen weiterhin Druck auf Russland ausgeübt werden kann. Im Anschluss ist ein Treffen mit Außenministern aus dem indopazifischen Raum vorgesehen.

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