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Politik

EU bietet Afrika Migrationspakt an

13. Dezember 2016

Die Türkei als Vorbild: die EU will auch mit Afrika Migrationsabkommen aushandeln. Wer kooperiert, soll belohnt werden. Die Fortschritte sind eher klein. Bernd Riegert aus Brüssel.

EU Libyen Migranten
Bild: picture alliance/AP Photo/E. Morenatti

Libyen: Warten auf die Überfahrt

03:26

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Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex hat von Januar bis November 170.000 Migranten registriert, die vor der afrikanischen Küste aus Seenot gerettet und nach Italien gebracht wurden. Die meisten dieser Menschen stammen aus Afrika. Die Zahl liegt rund 20 Prozent höher als im vergangenen Jahr. Die EU-Staats- und Regierungschefs, die sich an diesem Donnerstag wieder mit der Migration nach Europa beschäftigten, haben es also noch einmal schwarz auf weiß. Das Problem wächst. Die Flüchtlingskrise ist nicht gelöst. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat das Jahr 2016 zum "tödlichsten Jahr" jemals im gesamten Mittelmeer erklärt. Bis Oktober 2016 wurden 3740 Todesopfer gezählt. Das Risiko auf der zentralen Mittelmeer-Route von Libyen nach Italien liegt nach Berechnungen des UNHCR bei 1 zu 47. Einer von 47 Migranten ertrinkt.

Um dem Migrationsdruck aus Afrika zu begegnen, hat die EU bereits im Juni 2016 beschlossen, sogenannte "Migrations-Pakte" mit ausgewählten afrikanischen Ländern zu schließen. Verhandlungen mit Senegal, Niger, Nigeria, Mali und Äthiopien laufen. "Das Ziel ist es, Leben zu retten und das Geschäftsmodell der Schmuggler zu zerstören. Illegale Migration soll verhindert werden und die Rückführung von Migranten soll vereinbart werden". So beschreibt der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, den Sinn der Abkommen. "Dies soll durch erhöhte Investitionen in unseren Partnerländern begleitet werden. Das ist unsere Priorität."  Staaten, die kooperieren, sollen also mit Finanzhilfen und neuen Projekten belohnt werden.

Erste Trends, wenig Ergebnisse

Mogherini: EU will strategische Partnerschaft mit AfrikaBild: picture-alliance/abaca/D. Aydemir

Allerdings sind die konkreten Ergebnisse der Verhandlungen bislang eher überschaubar. Nach Angaben der EU-Kommission gab es bis Mitte Oktober erste Besuche von hochrangigen Vertretern in den afrikanischen Partnerländern. Erste Entwicklungsprojekte, die aus einem besonderen Afrika-Fonds finanziert werden, wurden vereinbart. Mit Nigeria wird über ein Rücknahme-Abkommen von illegalen Migranten verhandelt. Mit Mali und Senegal gibt es ebenfalls Gespräche über die Rückführung von Migranten. Mit Niger wurde ein Fahrplan ausgearbeitet, der zu besserem Management in Migrationsfragen führen soll. Insgesamt stehen für die Unterstützung für Länder, die sich zu Migrationspakten entschließen, bis zum Jahr 2020 acht Milliarden Euro bereit, teilt die EU-Kommission mit. Länder, die nicht kooperieren, sollen allerdings auch mit dem Entzug von Entwicklungshilfe bestraft werden können, hatte die EU bereits im Juni beschlossen. "Wir sehen positive Trends, erste Ergebnisse. Und diese Einschätzung werde ich auch dem Europäischen Rat diese Woche übermitteln", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit Blick auf das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag.

Eigentlich sollten die Abkommen mit den fünf ersten afrikanischen Staaten schon fertig sein. Doch diesen Zeitplan kann die EU nicht einhalten. Mit den nordafrikanischen Staaten, Tunesien, Ägypten und vor allem Libyen, die die Haupttransitländer sind, haben Verhandlungen über Migrationspakte noch gar nicht begonnen, räumte Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Sonntag ein. "Hier sind die Gespräche noch im Anfangsstadium. Denn das bedeutet, dass wir diesen Ländern auch helfen müssen, weil sie ja selber sehr unter der Flüchtlingsproblematik leiden. In Libyen ist vor allem die Aufgabe, eine stabile Einheitsregierung erst einmal hinzu bekommen, weil der libysche Staat im Augenblick in einem katastrophalen Zustand ist."

Nur mit einem der Hauptherkunfsländer (Nigeria) verhandelt die EU

Abschreckung und Türsteher

Menschenrechts-Organisationen kritisieren den Kurs der Europäischen Union scharf. Die EU verhandele in Afrika mit autoritären Regimen, die weder die Menschenrechte ihrer eigenen Bevölkerung achteten noch die der Migranten und Flüchtlinge, erklärte die "Brot für die Welt"-Referentin Sophia Wirschning im "Evangelischen Pressedienst". "Die unsägliche Erpressungsstrategie, mit der Transitländer mit allen Mitteln zu Türstehern der EU gemacht werden wollen, ist eine Absage an den Flüchtlingsschutz", sagte Karl Kopp von der Organisation "Pro Asyl". Insgesamt 110 Nichtregierungsorganisationen hatten sich bereits im Juni gegen die Afrika-Politik der EU in der Migrationsfrage gewandt.

Merkel in Afrika: im Oktober besuchte sie Niger, mit dem die EU verhandeltBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Abkommen mit Afrika sollen langfristig so funktionieren, wie die Vereinbarung mit der Türkei vom März. Dieser Deal hat zu einer Abschreckung der Migranten geführt und den Schleusern an der Ägäisküste das Geschäft verdorben. Der Türkei-Deal setzt auf eine Rückführung von Migranten und Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei. So etwas schwebt dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz auch für die Migrationsroute im zentralen Mittelmeer vor. Die Migranten, die aus Schleuser-Booten gerettet werden, sollen nicht mehr nach Italien, sondern möglichst an die afrikanische Küste zurückgebracht werden.

Das deutsche Innenministerium plant nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" auch die Einrichtung von Lagern für Asylbewerber in Tunesien. Solche "Hotspots" seien nötig, weil die Lager in Italien immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen stießen.

Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten

12:03

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Frontstaat Italien macht Druck

Italien beklagt sich seit Monaten darüber, dass es mit der Migrations- und Flüchtlingskrise allein gelassen wird. Die Ansätze der EU-Kommission sind viel zu klein und greifen zu kurz. Mehr Geld und höhere Investitionsfonds seien nötig, meinte im September der damalige italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. "Italien hat eigentlich alles gemacht, was nötig ist in der Flüchtlingsfrage. Europa hat gar nichts gemacht", schimpfte Renzi beim EU-Gipfel in Bratislava. Er bezog sich vor allem auf die mangelnde Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien auf andere EU-Staaten. "Wir haben jetzt eine Europäische Grenzschutzagentur, die im Grunde nichts anderes macht, als die Migranten auf See einzusammeln und dann nach Sizilien zu bringen. Dieser Mechanismus kann nicht aufrechterhalten werden über die nächsten Monate", sagte Renzi. Italien setzt sich dafür ein, so schnell wie möglich auch mit nordafrikanischen Staaten über Migrations-Abkommen zu verhandeln und wesentlich mehr Geld für die Migrationspolitik aufzuwenden.

Der deutsche Entwicklungsminister, Gerd Müller, kann die Forderungen der Italiener verstehen. Er warnte unlängst in einem DW-Interview vor großen Migrationswellen aus Afrika, wenn die EU als Ganze nicht mehr unternehme, um echte Partnerschaften mit afrikanischen Staaten einzugehen.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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