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Politik

EU-China-Gespräche: "Verpasste Chance"

Barbara Wesel
22. Juni 2020

Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen sollte die Videokonferenz zwischen der EU-Führung und der chinesischen Regierung neuen Schwung in das Verhältnis bringen - doch die Fortschritte blieben aus.

Brüssel Videokonferenz EU China Gipfel Charles Michel und Li Keqiang
Ein Gipfel in Corona-Zeiten: Auf der Videokonferenz sprachen Chinas und Europas Spitzen miteinander Bild: picture-alliance/AA/EU Council

Die Fakten allein sind verblüffend: Die EU ist der größte Handelspartner Chinas. Im vorigen Jahr betrug der Wert der Handelsbeziehungen rund 1,5 Milliarden Euro pro Tag.  Die Europäer exportieren Güter für knapp 200 Milliarden Euro nach China, während sie umgekehrt Waren für über 360 Milliarden Euro importieren. Und das ist nur einer der Aspekte des seit Jahren ungleichen Verhältnisses. Die Spitzengespräche zwischen der EU-Führung und der chinesischen Regierung an diesem Montag brachten allerdings keinen Fortschritt. Das Verhältnis sei "schwierig", sagen die Europäer, die die Abschlusspressekonferenz wegen fehlender Gemeinsamkeiten schließlich allein absolvieren mussten.

Auch Thema: Das umstrittene Sicherheitsgesetz 

Diplomaten sprachen von "intensiven und offenen" Gesprächen. Diese Formulierung deutet auf Streit hin - und darauf, dass man sich nichts geschenkt hat. Die EU sei "sehr besorgt" über die Situation in Hongkong, sagte Ratspräsident Charles Michel nach der Videokonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang und Staatspräsident Xi Jinping. Wenn China das angekündigte Sicherheitsgesetz durchsetze, würde dies ein Ende des Grundsatzes "Ein Land - zwei Systeme" bedeuten und gegen Chinas vertragliche Verpflichtungen verstoßen, die Autonomie Hongkongs zu bewahren. Unter anderem dürften dem Gesetz zufolge chinesische Sicherheitskräfte auch in der Finanzmetropole tätig werden. 

"Besorgt über die Lage": Die Autonomie hatte Hongkong Wohlstand beschert Bild: Getty Images/AFP/R.-A. Brooks

Durch diese Autonomie sei Hongkong zu Wohlstand gelangt und China riskiere "sehr negative Konsequenzen", fügte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hinzu. Man sei dazu auch in Kontakt mit den Mitgliedern der G7, den führenden Industrieländern. Aber wie die Konsequenzen aussehen könnten, ließ sie offen. Angesichts ihrer wirtschaftlichen Position wäre die EU durchaus imstande, verschiedene Sanktionen zu erwägen. Aber niemand in Brüssel nimmt dieses Wort in den Mund. 

Keine Gegenseitigkeit und kein fairer Wettbewerb

Seit dem EU-China-Gipfel im vergangenen Jahr hat sich die Regierung in Peking verpflichtet, die Wirtschaftsbeziehungen mit den Europäern auf eine ausgewogenere Basis zu stellen. Jetzt brauche man endlich konkrete Fortschritte: "Es geht um Gegenseitigkeit und fairen Wettbewerb", erklärte Ursula von der Leyen. Die Regierung in Peking hätte demgegenüber ihre eigene Haltung zu den Themen Marktzugang und Staatssubventionen klar gemacht. Kompromissbereitschaft gehört offenbar nicht dazu.

Seit Jahren beklagt sich die EU, dass ihre Unternehmen in China auf politischer, bürokratischer und finanzieller Ebene am Markt behindert werden. Aber die bisherigen Versprechen auf chinesischer Seite haben keine Besserung gebracht. Das gleiche gelte für den erzwungenen Technologietransfer und mehr Ehrgeiz beim Investitionsabkommen - an allen Fronten gehe es nicht voran. 

Präsidentin der Europäischen Kommission: Ursula von der Leyen Bild: picture-alliance/dpa/European Council/D. Pignatelli

Darüber hinaus brauche man "moderne Regeln für Staatsbeihilfen im Rahmen der WTO (Welthandelsorganisation)", führte die EU-Kommissionschefin aus. Es müsse dabei mehr Transparenz und klar Richtlinien geben, aber auch diese Forderung prallt an Peking weiter ab. Ebenso wie die Aufforderung, sich gemeinsam für eine Reform der WTO einzusetzen und Überkapazitäten im chinesischen Markt zurückzufahren.

Beim Klimaschutz wiederum habe sich China als globaler Führer bezeichnet, womit aber auch die Verantwortung zu entsprechendem Handeln verbunden sei, so von der Leyen. Im nächsten Fünf-Jahres-Plan müsse der Ausstieg aus der Kohlewirtschaft umgesetzt werden, China die Klimaneutralität ab 2050 zusagen und international durch gutes Vorbild wirken.

Wichtiges Verhältnis und Herausforderung

Die Beziehung mit China sei eine der wichtigsten und schwierigsten, erklären die EU-Politiker zu den offenbar unerfreulichen Gesprächen. Es gebe bestimmte Bereiche, wo mehr als ein Dialog nicht möglich sei. "Wir stimmen nicht in allem überein, aber wir brauchen Fortschritt", räumte von der Leyen ein.

Das gilt auch für den Bereich Cyber-Sicherheit. Es habe Attacken auf Krankenhäuser und Netzwerke in Europa gegeben, und man wisse, woher sie gekommen seien. Das gelte auch für die Verbreitung von Fake-News während der Corona-Krise.

Für VW gehört China zu den wichtigsten Märkten Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

China sei ein Verhandlungspartner, führte die Kommissionschefin einmal mehr aus, ein wirtschaftlicher Konkurrent und ein systemischer Rivale. Die Verhandlungen über die wichtigsten Fragen aber müssten politisch jetzt auf ein höheres Niveau gehoben und die Gespräche intensiviert werden. Wenn man ein Investitionsabkommen bis Ende des Jahres wolle, müsse es nach der Sommerpause auf dem Tisch liegen, so Ursula von der Leyen.

Konfliktreiche Landschaft

"Der Gipfel hat keine substantiellen Ergebnisse gebracht", sagte der China-Experte der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer. Nicht einmal die Verabredung über die künftige Zusammenarbeit sei zustande gekommen und es gebe keine gemeinsame Abschlusserklärung. "Gegenüber den Vorjahren bedeutet das einen Rückschritt." Es gebe eine lange Liste der unerfüllten chinesischen Versprechen, der Kompromisslosigkeit und der Dialogverweigerung.

CSU-Abgeordneter Markus Ferber hätte sich deutlichere Worte gewünscht Bild: DW/B. Wesel

Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber formuliert noch drastischer: "Der heutige EU-China-Gipfel war eine verpasste Chance". Er kritisierte, dass die EU keine klaren Ansagen in Richtung China mache. Angesichts der Eskalation in Hongkong und der chinesischen Desinformationskampagne in der Corona-Krise hätte es deutlicherer Worte bedurft. Gegenüber den aggressiven Aufkaufaktionen chinesicher Konzerne in Europa allerdings sei die EU auf dem richtigen Weg: "Ich bin froh, dass die Kommission dem künftig einen Riegel vorschieben will."

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der nächsten Woche den halbjährigen Vorsitz im Rat der EU-Regierungen übernimmt, sind das schlechte Vorzeichen. Der für September geplante China-Gipfel war eines ihrer zentralen Vorhaben. Wegen der Corona-Krise soll er zwar auf den späten Herbst verschoben werden, aber die Gefahr scheint, dass es in Peking nicht genug politischen Willen gibt, um überhaupt ein erfolgreiches Treffen zwischen beiden Seiten zu planen.

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