Interveniert Europa?
1. März 2011Der britische Premierminister David Cameron drängt auf eine militärische Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen und hat Regierungsmitarbeiter beauftragt, Pläne für die Durchsetzung einer Flugverbotszone auszuarbeiten. "Wir schließen die Nutzung militärischer Mittel in keiner Weise aus," erklärte Cameron und betonte: "Wir dürfen es nicht tolerieren, dass das Regime Militärkräfte gegen das eigene Volk einsetzt." Auch die Möglichkeit, Gaddafi-Gegner mit Waffen zu versorgen, erwähnte Cameron.
Alle Maßnahmen müssten allerdings durch das internationale Recht gedeckt sein, forderte Cameron. Dennoch sei es nötig, schon bevor ein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorliegt, Planungen und Vorbereitungen aufzunehmen. Am Montagabend (28.02.2011) habe er mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy telefoniert, erklärte Cameron.
Dabei habe er militärische Optionen besprochen. Aus diplomatischen Kreisen bei den UN hieß es, für einen Beschluss dazu seien weitere Diskussionen unter den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates nötig. Die USA haben damit begonnen Kriegsschiffe und Flugzeugträger näher an Libyen heranzuführen.
Drohkulisse wird aufgebaut
Der französische Premierminister Francois Fillon bestätigte Camerons Position. "Wir prüfen alle Optionen, um Oberst Gaddafi klarzumachen, dass er gehen muss, auch militärische Lösungen", so Fillon. Aber er betonte, dass Frankreich diesen Schritt nur gemeinsam mit NATO Verbündeten gehen würde, und auch eine UN-Zustimmung dafür eine Voraussetzung sei.
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle warnte vor voreiligen Entscheidungen. Die Ausrufung einer Flugverbotszone sei etwas anderes als deren Durchsetzung. Allerdings wolle er auch keine Optionen ausschließen.
NATO Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen stellte klar, dass der UN-Sicherheitsrat bereits am Sonntag Abend eine Resolution verabschiedet habe, in der jedoch keine Flugverbotszone erwähnt wird. "Ich denke, es gibt jetzt einen Rahmen. Dieser ist und sollte auch die UN-Sicherheitsratsresolution von letzter Woche sein. Diese schließt den Waffeneinsatz aus. Auch eine Flugverbotszone wird darin nicht erwähnt," sagte Rasmussen.
Allerdings wollte Rasmussen gegenüber Journalisten "nicht über Spezifika möglicher zukünftiger Maßnahmen" sprechen. Auch EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton äußerte sich zurückhaltend: "Bislang ist darüber noch nichts entschieden worden. Dies ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit," sagte die Chefdiplomatin.
Warnung vor Alleingängen
Auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, der Diplomat Wolfgang Ischinger, warnte vor einem "lockeren Umgang" mit militärischen Optionen. "Es ist ganz schwer, hier die Linie zu definieren, ab der man einschreiten sollte", sagte er im Deutschlandfunk. Diese Grenze nicht dürfe nicht "fahrlässig niedrig" liegen.
Der Westen müsse jeden Anschein vermeiden, "hier erneut in einem arabischen Land zu intervenieren, solange nicht der moralisch-humanitäre Zwang überwältigend groß ist." Auch Libyens Nachbarstaaten und andere arabische Länder müssten diese Notwendigkeit erkennen, so Ischinger.
Auch seien die Demokratien der Welt praktisch gezwungen mit totalitären Staaten zusammenzuarbeiten. Wolle man die Zusammenarbeit mit Diktaturen und Staaten vermeiden, die Menschenrechte massiv verletzten, "müssten wir die Beziehungen zu etwa der Hälfte der Welt einfrieren," erklärte er.
Jean-Pierre Maulny, Stellvertretender Direktor des Pariser Istituts für Internationale und Strategische Beziehungen (IRIS) erklärte, dass nur die NATO effektiv eine Flugverbotszone durchsetzen könnte. Allerdings sei es aus politischen Gründen sinnvoll auch nicht-NATO-Staaten in eine solche Maßnahme einzubinden.
Vor einer entsprechenden UN-Sicherheitsratsresolution müsse es aber wahrscheinlich erst zu "größeren Massakern" kommen. Dann würde an einer entsprechenden UN-Resolution "kein Weg vorbeiführen."
Welche Rolle spielt Lukaschenko?
Unterdessen berichtet ein Forscher des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes Sipri, dass Indizien vorlägen, Gaddafi und seine Familie könnten eine Flucht nach Weißrussland vorbereiten. Sipri-Experte Hugh Griffith erklärte im schwedischen Rundfunk, im Laufe der letzten sieben Tage, hätten mindestens zwei Flüge von Gaddafis Privatjet zwischen Tripolis und einem weißrussischen Flugplatz stattgefunden.
Zudem sei erwiesen, dass Weißrussland in den vergangenen Wochen 40 Tonnen Waffen an Libyen geliefert habe. Als Zahlungsmittel habe Gaddafi mit seinem Privatjet wahrscheinlich Diamanten nach Weißrussland schaffen lassen.
Autor: Fabian Schmidt (dpa, AFP, dapd)
Redaktion: Gero Rueter