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PolitikEuropa

EU einigt sich auf Personalpaket um Ursula von der Leyen

25. Juni 2024

Nach der Europawahl bestimmt der EU-Gipfel diese Woche, wer die Topjobs in den EU-Institutionen bekommt. Eine zweite Amtszeit für Kommissionspräsidentin von der Leyen ist nun wohl sicher. Bernd Riegert aus Brüssel.

Europaflaggen wehen vor dem Gebäude in Brüssel, in dem die EU-Kommission untergebracht ist
Im obersten Stockwerk der EU-Kommission in Brüssel wird wohl weiter Präsidentin Ursula von der Leyen residierenBild: James Arthur Gekiere/dpa/Belga/picture alliance

Am Montag letzter Woche hatten es die Staats- oder Regierungschefinnen und -chefs der 27 EU-Mitglieder noch nicht geschafft, sich auf die Vergaben der vier Spitzenposten in der EU nach der Europawahl zu einigen. Das sei auch nie das Ziel gewesen, sagte damals der scheidende EU-Ratspräsident Charles Michel. Aber am Donnerstag und Freitag dieser Woche sollen beim regulären EU-Gipfeltreffen, das alle drei Monate in Brüssel stattfindet, die Würfel fallen.

Laut Agenturberichten steht nun fest: Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird die gewünschte zweite, fünf Jahre währende Amtszeit bekommen. Darauf hätten sich am Dienstag Unterhändler der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten und der Liberalen verständigt, heißt es. "Das Dreier-Paket ist geeint", sagte ein Insider. Von der Leyens EVP stellt wie gehabt die größte Fraktion im neuen Europaparlament, sie erhob daher Anspruch auf den Präsidentenposten an der Spitze der mächtigen EU-Kommission.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte schon zuvor wenig Zweifel daran gelassen, dass die 27 EU-Staaten von der Leyen vorschlagen und sie dann von den drei großen Fraktionen - Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen - gewählt werden wird. "Dadurch, dass die politische Plattform, die bisher im Parlament die Präsidentin getragen hat, erneut eine Mehrheit hat, wird es, glaube ich, auch gelingen, hier schnell zu einer vernünftigen Lösung zu kommen", sagte Olaf Scholz vergangene Woche in Brüssel.

Ursula von der Leyen (65) hat mit den Christdemokraten die Wahl gewonnen: Sie kandidiert für eine zweite Amtszeit als EU-KommissionschefinBild: Piroschka van de Wouw/REUTERS

Christdemokraten (EVP) pokern ein wenig

Die drei Fraktionen in der politischen Mitte des Parlaments haben zusammen 406 Abgeordnete. Die absolute Mehrheit im Europäischen Parlament liegt bei 361. Rechnerisch ist von der Leyen also nicht auf Stimmen aus dem angewachsenen rechtspopulistischen bis rechtsextremen Lager angewiesen. Vor der Europawahl hatte es die Kommissionspräsidentin offengelassen, ob sie eventuell auch mit rechtsnationalen Abgeordneten zusammenarbeiten würde, wenn diese pro Ukraine und pro Europa seien. Auch die Grünen, die bei der Europawahl Sitze eingebüßt haben, könnten für von der Leyen votieren. Die Abstimmung ist für den 17. Juli in Straßburg angesetzt.

Antonio Costa (62) verlor sein Amt als Ministerpräsident in Portugal im März und zieht jetzt nach Brüssel umBild: Patricia de Melo Moreira/AFP/Getty Images

Bereits nach dem informellen Vorbereitungsgipfel der Staats- und Regierungschefs von vergangener Woche zeichnete sich ab, dass den Vorsitz des Europäischen Rates, also der Gipfelrunde, der ehemalige portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa übernimmt. Der Sozialdemokrat würde die südlichen Länder vertreten. Streit gibt es noch, ob er nach zweieinhalb Jahren Amtszeit von einem konservativen Politiker abgelöst werden sollte. Die Christdemokraten unter den Regierungschefs fordern mehr Einfluss für ihre politische Familie, weil sie ja schließlich die Wahlsieger seien. Die liberale Ministerpräsidentin von Estland, Kaja Kallas, dürfte zur neuen EU-Außenbeauftragten gemacht werden. Sie würde als Vertreterin der östlichen Mitgliedsstaaten verbucht. Die christdemokratische Parlamentspräsidentin Roberta Metsola könnte weitere zweieinhalb Jahre auf ihrem Posten bleiben und als Pfund für die kleinen südlichen Staaten zählen.

Kaja Kallas (47) tritt vehement gegen die russische Bedrohung auf: Sie verlässt den Posten als Regierungschefin von EstlandBild: Askin Kıyagan/Anadolu/picture alliance

NATO gehört mit zum Personalpaket

Zur delikaten Balance zwischen Parteifamilien des Parlaments und der geografischen Herkunft der Kandidatinnen und Kandidaten gehört auch der Posten des NATO-Generalsekretärs. Den wird nach dem Willen der NATO-Staaten der scheidende niederländische Premier Mark Rutte bekommen. Er ist ebenfalls ein Liberaler wie Kaja Kallas und würde Ansprüche der nördlichen Europäer auf einen Platz im Personalkarussell befriedigen. Nur Rumänien mauerte noch bis letzten Donnerstag. Der Präsident Rumäniens, Klaus Johannis, hatte sich selbst für den Job beworben, zog dann aber seine Kandidatur zurück. Eventuell hofft der konservative Rumäne noch auf einen anderen EU-Spitzenposten.

Nach zähmen Werben alle überzeugt: Der scheidende niederländische Ministerpräsident Mark Rutte führt die NATO anBild: Robin Utrecht/ANP/picture alliance

Frankreich will Zusagen, keine Posten

Frankreichs umtriebiger Präsident Emmanuel Macron, der vor fünf Jahren Ursula von der Leyen auf ihren Posten als Kommissionspräsidentin hievte, hält sich diesmal zurück. Denn Frankreich ist mit der Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main postentechnisch noch gut bedient.

Die Amtszeit der Französin Christine Lagarde endet dort erst 2027. Allerdings möchte Macron als Preis für seine Zustimmung zum Personalpaket wohl die politische Zusage, dass die neue EU-Kommission sich stärker für gemeinsame Schulden der EU und lockere Finanzregeln einsetzt. Das berichteten zumindest italienische Medien. Ob es stimmt, ist unklar.

Christine Lagarde (68) führt weiter die Europäische Zentralbank: Mit ihr sind Frankreichs personalpolitische Ansprüche befriedigtBild: Florian Wiegan/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag soll es nicht um Posten gehen, sondern auch um Inhalte. Der neuen Führungsmannschaft geben die EU-Mitglieder ein strategisches Konzept mit, dass die wichtigsten politischen Ziele für die nächsten fünf Jahre definiert. An der Spitze dürften Sicherheit und Verteidigung stehen, während Umwelt- und Klimaschutz weiter nach unten rücken. 

"Wir sind immer noch mitten im Krieg", mahnte die dänische Ministerpräsidentin Mette Fredriksen it Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine. "Meiner Ansicht nach hat von der Leyen einen guten Job gemacht. Wir brauchen eine schnelle Entscheidung bei allem, was zur Zeit in der Welt los ist. Ich bin zuversichtlich, dass das klappt."

Italien möchte einen Super-Kommissar

Italiens rechtsnationale Regierungschefin Giorgia Meloni will nach eigener Aussage den Einfluss Italiens in der EU stärken, vor allem, weil ihre rechtsnationale Parteienfamilie EKR im Europäischen Parlament um einige Sitze auf 83 zugelegt hat. Bei Personalfragen hält sich Meloni aber zurück. Kein Italiener wurde für ein Spitzenamt vorgeschlagen, stattdessen fordert sie für ihr Land einen gewichtigen Posten in der noch zu formenden EU-Kommission. Ein Vizepräsident der Kommission, zuständig für Wirtschaft, Industrie und Finanzen wäre nach ihrem Geschmack.

Der slowakische Präsident Peter Pellegrini, der den bei einem Mordanschlag im Wahlkampf schwer verwundeten Ministerpräsidenten Robert Fico in Brüssel vertritt, hatte vergangene Woche noch Zweifel. Die osteuropäischen Staaten seien in den letzten Jahren beim Spitzenpersonal unterrepräsentiert gewesen. "Ich will verstehen, wie Zentral- und Osteuropa im neuen Paket vertreten sind", meinte Pellegrini. Weder Polen noch Rumänien oder Bulgarien seien berücksichtigt, bemängelte ein osteuropäischer EU-Diplomat hinter vorgehaltener Hand.

Doppelt hält besser: Verstärkte Mehrheit nötig

Für eine Nominierung als Kommissionspräsidentin durch den Rat braucht Ursula von der Leyen die Zustimmung von 20 der 27 Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen, die sogenannte verstärkte doppelte Mehrheit. Diese Mehrheit müsste sie nach den Äußerungen, die aus dem Ratsgebäude zu hören waren, sicher haben. Auch die oder der EU-Außenbeauftragte braucht die verstärkte doppelte Mehrheit.

Roberta Metsola (45) bleibt als Präsidentin das Gesicht des Europäischen Parlaments, zumindest für zweieinhalb JahreBild: FREDERICK FLORIN/AFP

Die Parlamentspräsidentin zählt zwar auch zum verhandelten Paket, wird aber eigentlich unabhängig vom EU-Gipfel alleine vom Europäischen Parlament gewählt, und zwar mit absoluter Mehrheit. Wie immer bei politischen Entscheidungen in der EU gilt, alles hängt mit alles zusammen. Nur wenn alle vier Posten klar sind, wird eine Einigung verkündet.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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