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EU-Energiegesetze: Duschkopf hat überlebt

30. November 2016

Die EU hat dazu gelernt. Sie verzichtet auf umstrittene Regulierung im Alltag. Das Klima-Paket, das die EU-Kommission vorgestellt hat, ist trotzdem ambitioniert. Bernd Riegert aus Brüssel.

Symbolbild duschen Dusche Haare waschen
Bild: Fotolia/gradt

Kritik an der angeblichen Regulierungswut der EU-Bürokraten in Brüssel ist populär. Mit Glühbirnen, Staubsaugern und ja, auch mit Duschköpfen lässt sich gut Stimmung gegen die EU machen. Deshalb verzichtet die EU-Kommission bei ihrem Vorschlag zu Überarbeitung der sogenannten "Öko-Design-Richtlinie" auf detaillierte Vorschriften für alltägliche Haushaltsgegenstände, um Boulevardzeitungen und EU-Skeptikern kein Duschwasser auf ihre Mühlen zu leiten. Im Fall der Duschköpfe, die zu viel warmes Wasser durchlassen, geht es um den Komfort der EU-Bürger, meint der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Peter Liese. Man hätte Energie sparen können, aber niemand wolle die Bürger kalt duschen lassen. Mit ähnlichen Argumenten hat auch der Toaster überlebt. Er soll ebenfalls nicht mehr reguliert werden. Allerdings sind Wasserkocher, Hochdruckreiniger, Solaranlagen und Handtrockner durchaus noch Teil der Gesetzgebung.

Verbindlich: 30 Prozent der Energie einsparen

Das alles sind natürlich nur winzige Ausschnitte eines Pakets aus acht Gesetzen mit fast 1000 Seiten, die die EU in die Lage versetzen sollen, die Ziele aus dem Klimaschutzvertrag von Paris zu erreichen. Die EU-Kommission setzt vor allem auf die Einsparung und effizienterer Nutzung von Energie. Bessere Haustechnik, bessere Aufzüge, bessere Isolierung der Häuser, bessere Batterien und mehr Elektrofahrzeuge sollen bis 2030 dazu beitragen, insgesamt 30 Prozent der genutzten Energie einzusparen. "Dieses Ziel soll für die Mitgliedsstaaten der EU verbindlich werden," sagte Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission vor der Presse.

Sauber und sicher? Maros Sefcovic (li.) und Miguel Arias Canete stellen das Energie-Paket vorBild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

Keine verbindlichen Ziele mehr für Öko-Strom

Im Gegensatz steht dazu eine Lockerung der Ziele bei den erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Biomasse und Wasser. Bis 2020 sollte der Anteil der Erneuerbaren auf dem europäischen Energiemarkt 27 Prozent erreichen. Ob das gelingen wird, ist fraglich. Nach 2020 soll es überhaupt keine verbindlichen nationalen Ziele mehr geben. Das hatten die Mitgliedsstaaten der EU durchgesetzt. Vor allem Polen und das scheidende Großbritannien hatten verbindlichen Zielen widersprochen. Polen setzt weiter auf Kohle-Verstromung. Großbritannien, Frankreich und viele andere Staaten setzen auf Atomenergie und andere fossile Energieträger.

Die Energiewende hat eigentlich nur Deutschland so drastisch vollzogen, meint der Europaabgeordnete und Energieexperte Peter Liese. Konkrete Vorschriften, welche Energiequellen zu nutzen ist, kann die EU den Mitgliedsstaaten nicht machen. "Das würde ich nie tun", sagte der EU-Kommissar für die Energie-Union, Miguel Canete. "Für den Energiemix sind die Mitgliedsstaaten alleine zuständig." Allerdings hat der Kommissar andere Werkzeuge, um alte und schmutzige Kohle- und Gaskraftwerke aus dem Markt zu drängen. Er kann zum Beispiel die Zuschüsse regulieren, die Kraftwerksbetreiber dafür bekommen, dass sie gewisse Kapazitäten für die Versorgungssicherheit vorhalten. Zuschüsse sollen in Zukunft nur noch hochmoderne Kohlekraftwerke mit Abgasreinigung bekommen.

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Einspeise-Garantie sollen fallen

Die Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Quellen soll nach 2020 neu geregelt werden. Die Einspeisegarantie für Erneuerbare in das Stromnetz soll fallen. Nur noch die preiswertesten Stromerzeuger sollen zum Zuge kommen. Das werden aus Sicht der EU-Experten in vielen Mitgliedsländern nicht Kohle- oder Atomstrom sein. Energie aus Wind oder Wasser ist im Regelfall billiger. Allerdings geben deutsche Gesetze im Moment den Erzeugern von erneuerbarer Energie eine Einspeisegarantie, die dann fallen würde.

Auf der anderen Seite der Gleichung steht die Abschaltung von Kraftwerken, wenn zu viel Strom erzeugt wird. Heute haben die Kohle- und Atomkraftwerke hier ein Privileg, weil sie zuletzt abgeschaltet werden müssen. Zuerst müssen Windparks vom Netz gehen. Dieses Privileg will die EU-Kommission aufheben. Mit dem neuen Gesetz sollen kleine kommunalen oder genossenschaftlichen Erzeuger von Öko-Strom möglichst lang im Netz bleiben und zuerst die teuersten Energiearten der Stromkonzerne, also Atom-und Kohlekraftwerke, abgeschaltet werden müssen. "Wir wollen hin zu einer dezentralen Stromerzeugung, weg von großen Kraftwerksblöcken mit fossilen Brennstoffen, wie sie vor einhundert Jahren mal entwickelt wurden", erklärte EU-Kommissar Sefcovic.

Polen setzt auf Kohle: Das Kraftwerk Belchatow produziert Strom und schädliche AbgaseBild: Darek Redos/AFP/Getty Images

Leere Hülle?

Die Umweltschutz-Organisation "Friends of the Earth" sieht diese Wende durchaus positiv. "Dass Bürger damit in das Zentrum der Energiewende gestellt werden, ist ein Hoffnungsschimmer. Ansonsten ist das Paket immer noch zu einseitig auf fossile Brennstoffe fixiert. Die Abhängigkeit von fossiler Energie wird immer noch nicht aufgegeben. Das ist ein Gegensatz zu den Klimazielen von Paris", erklärte Molly Walsh von "Friends of the Earth" in Brüssel.

Die Grünen im Europäischen Parlament halten das Energiepaket für "gähnend leer", weil es dem Ausbau der erneuerbaren Energie schaden werde. "EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte bei seinem Amtsantritt angekündigt, die EU weltweit zur Nummer Eins in erneuerbaren Energien zu machen. Mit diesen Vorschlägen arbeitet die EU-Kommission diesem Ziel entgegen", kritisierte der Europaabgeordnete Claude Turmes (Grüne) die Vorschläge. "Anstatt eine solide Perspektive insbesondere für die Windkraft in Europa zu schaffen, zeichnet sich das Paket durch zu wenig Ambition, Verzicht auf nationale Ziele und Aufgabe des bevorzugten Zugangs zu den Netzen aus."

Schweden wird "eingespart"

Die EU-Kommission schlägt einen weiteren Ausbau von grenzüberschreitenden Stromnetzen in Europa vor, um auf die Schwankungen von Angebot und Nachfragen besser reagieren zu können. Das Ziel ist ein gemeinsamer Energiemarkt in allen Mitgliedstaaten. Diese Stromnetze sollen dann nicht mehr allein von den Kraftwerksbetreibern in den Mitgliedsstaaten kontrolliert werden. Die EU will "regionale Operationszentren" für mehrere Länder schaffen. Dagegen wehren sich aber viele Regierungen in den Mitgliedsstaaten, die ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit bei der Energieversorgung unbedingt wahren wollen.

Die 1000 Seiten an komplexen Gesetzesvorschlägen zum Energiemarkt werden gewiss noch verändert werden. "Das ist heute nur der Start", sagte EU-Energiekommissar Canete. Das Europäische Parlament und die Vertreter der Mitgliedsstaaten werden das komplexe Werk beraten. Bis die einzelnen Vorschriften von Duschköpfen bis zu Großkraftwerken in Kraft treten werden noch Jahre vergehen. "Man sollte die Regelungen aus der Öko-Design-Richtlinie aber nicht als Kleinkram abtun", warnt der CDU-Abgeordnete Peter Liese. Allein mit den Verbesserungen in der Gebäude- und Haustechnik lasse sich am Ende Energie einsparen, die dem gesamten Stromverbrauch Schwedens entspreche.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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