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EU will einheitliche Energiepolitik

Bernd Riegert, Brüssel18. März 2015

Europa ist bei Energielieferungen abhängig von Russland. Das muss sich ändern, meint die EU und baut an einer "Energieunion". Der Grundsatz steht, die Details sind aber umstritten. Bernd Riegert aus Brüssel.

Braunkohlekraftwerk und Windkraftanlage
Kohle und Wind aus Europa statt Gas und Öl aus RusslandBild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Die aktuelle Krise um die Ukraine hat den EU-Staaten noch einmal vor Augen geführt, wie abhängig sie immer noch von Öl- und Gaslieferungen aus Russland sind. Präsident Wladimir Putin kann die Energielieferungen als politisches Druckmittel einsetzen. Seit 2009, als die Gasversorgung nach Westeuropa wegen eines Streits zwischen Russland und dem Transitland Ukraine gedrosselt wurde, versucht die EU, unabhängiger zu werden. Mit dem Projekt "Energieunion" wollen die Europäer ihre Bemühungen jetzt noch einmal verstärken und "sichere, nachhaltige und erschwingliche" Energiepreise für Bürger und Unternehmer sicherstellen, heißt es in einem Entwurf der EU-Kommission, den die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag billigen werden. Der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic preist das Vorhaben schon jetzt als historische Leistung, vergleichbar mit der Kohle- und Stahlunion, die der Gründungskern der heutigen EU war: "Dies ist ohne Zweifel das ehrgeizigste Energieprojekt seit der Europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft. Es hat das Potenzial, Europas Integration so voranzutreiben, wie das die Montanunion in den 1950er Jahren getan hat. Es führt den Bürger das große Potenzial des Binnenmarktes vor Augen."

Gemeinsame Verhandlungen mit Gazprom?

Einige EU-Staaten wie Bulgarien oder die Slowakei hängen zu 100 Prozent von russischen Lieferungen bei ihrer Gasversorgung ab. EU-weit ist Russland mit 39 Prozent die wichtigste Gasquelle. Beim Erdöl liegt Russlands Lieferanteil bei 37 Prozent. Der polnische Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, sieht genauso wie die östlichen Mitgliedsstaaten der Union die Versorgungssicherheit als wichtigstes Ziel der Energieunion. Tusk will Energieeinkäufe der Europäer in Russland bündeln. Gemeinsam sollen bessere Preise ausgehandelt werden. "Diese Strategie soll uns von einzelnen Energielieferanten im Ausland unabhängiger machen und unseren Verbund innerhalb Europas stärken", sagt dazu der EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete. Die EU-Kommission will die Verträge der einzelnen europäischen Gasunternehmen, die mit dem russischen Staatskonzern Gazprom verhandeln, sichten und koordinieren. Dagegen wehren sich die privatrechtlich organisierten Energieunternehmen aber. Es gehe schließlich um freien Wettbewerb und Betriebsgeheimnisse. Diese Ansicht teilt auch die Bundesregierung. Gemeinsame Preisverhandlungen könne es nur im Ausnahmefall geben, meint Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

EU-Kommissar Canete: Unabhängiger werdenBild: picture-alliance/epa/J. Warnand

Mehr erneuerbare Quellen und Flüssiggas

Mehr Unabhängigkeit von Russland ließe sich vor allem durch das Erschließen anderer und neuer Lieferquellen erreichen, heißt es im Strategiepapier zur Energieunion. Darauf legen Deutschland, Dänemark und Österreich großen Wert. Sie wollen mehr erneuerbare Energien wie Wind und Sonne einsetzen und Energie einsparen oder effizienter nutzen. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth, der die letzten Verhandlungen zur Energieunion in Brüssel führte, sagte, er habe überhaupt keine Kritik an der Energieunion. Sie sei einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda der Europäischen Union: "Wir sind aber immer für einen breiten Ansatz eingetreten. Es geht nicht alleine nur um Energiesicherheit, die gerade in diesen Zeiten eine wichtige außenpolitische Dimension hat. Es geht um Energieeffizienz, es geht um die Förderung der erneuerbaren Energie. Es geht um die Vollendung des Energie-Binnenmarktes."

EU-Kommissar Sefcovic: Bessere Netze, mehr ZusammenhaltBild: picture-alliance/epa/J. Warnand

Der Import von Flüssiggas aus den USA oder dem Nahen Osten wäre eine weitere Möglichkeit. Der Bau der nötigen Flüssiggas-Entladestationen an europäischen Küsten kommt bislang aber nur schleppend voran, weil er zu unwirtschaftlich ist. Russisches Gas ist viel billiger als verflüssigtes Gas. Die Förderung von Schiefergas steckt in Europa ebenfalls noch in den Kinderschuhen. Eine Wiederbelebung des Pipeline-Projektes "Nabucco" durch die Türkei wäre denkbar, wenn die EU in Zentralasien Lieferanten gewinnen könnte. Sollten die Verhandlungen mit dem Iran zur Eindämmung seines Atomprogramms erfolgreich verlaufen und die Sanktionen gegen Teheran aufgehoben werden, könnte eines Tages auch dieses Land als Gaslieferant für Europa in Frage kommen.

Förderung soll auslaufen

Die EU-Kommission schätzt, dass sich in einem Energiemarkt mit europaweit geltenden Regeln bis zu 40 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 einsparen ließen. Die Wirtschaftsvereinigung "Business Europe" weist in einer Stellungnahme zur Energieunion darauf hin, dass die Preise, die Unternehmen für Energie in Europa zahlen müssten, verglichen mit den USA oder Asien doppelt so hoch seien. Das müsse sich ändern, damit die europäische Industrie wettbewerbsfähig bleiben könne. Langfristig will die EU-Kommission die Subventionen für bestimmte Energiearten abbauen, nur dann könne ein Binnenmarkt funktionieren, so EU-Kommissar Canete: "Wir werden das Wettbewerbsrecht nutzen, um Preise unter Herstellungskosten auslaufen zu lassen und wir werden die Mitgliedsstaaten ermutigen, alle Regulierungen für Preise aufzugeben." In Deutschland werden zum Beispiel erneuerbare Energien subventioniert. In anderen Staaten wird immer noch die Kernenergie gefördert. Die Frage des Energie-Mixes bleibt heikel. Ob sie Kohle, Gas, Atomkraft, Wind oder Sonne zur Energieerzeugung einsetzen, bleibt weiterhin den Mitgliedsstaaten überlassen. Daran wird die Energieunion nichts ändern. Mehrere EU-Staaten, darunter Polen, Tschechien, Ungarn und Großbritannien, wollen die umstrittene Kernenergie sogar weiter ausbauen, während Deutschland ganz aus ihr aussteigt.

"Effizienz als eigenständige Energiequelle"

Die EU will nach zähen Verhandlungen an den Klimazielen bis zum Jahr 2030 festhalten. Durch "Emissionsreduzierung, bessere Wirkungsgrade und mehr erneuerbare Quellen" soll der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen reduziert werden. Einsparen, bessere Gebäudedämmung und moderne Kraftwerke will EU-Kommissar Maros Sefcovic in der Energieunion betonen: "Wir müssen Energieeffizienz ganz neu bewerten und als eigenständige Energiequelle anerkennen." Auch der Handel mit Emissionsrechten soll wiederbelebt und wirtschaftlich attraktiver gemacht werden. Welches EU-Land im Rahmen der Energieunion wie viel zu den Klimazielen beisteuern muss, ist aber noch umstritten. Polen und Großbritannien sperren sich gegen genaue Festlegungen. EU-Kommissar Canete verspricht, dass "der Klimaschutz das Herzstück der Energiestrategie werden wird."

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Um die Versorgungssicherheit zu erhöhen, sollen in der Energieunion Gasleitungen und Stromnetze weiterhin grenzüberschreitend ausgebaut und verbunden werden. Die EU-Kommission will bis 2020 die sogenannte Verbindungsquote bei Stromleitungen zwischen EU-Staaten von heute acht auf zehn Prozent erhöhen. Angesichts der zunehmend dezentralen Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen sei ein intelligenteres regionales Stromnetz nötig, in das problemlos eingespeist werden könne, so EU-Kommissar Maros Sefcovic.

Die energiepolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martina Wernter, kritisierte die Energieunion als zu wenig konkrete "Wundertüte", die zu sehr auf konventionelle Energieträger und zu wenig auf erneuerbare Quellen setze. Der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul lobt dagegen den Ansatz der Energieunion bei der Vereinheitlichung von Subventionen für Energieträger. Das bisherige Nebeneinander der nationalen Fördersysteme sei "zu unwirtschaftlich und zu teuer."

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