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PolitikEuropa

EU erhöht Druck auf Lukaschenko

18. August 2020

Am Tag vor einem Sondergipfel zur Lage in Belarus fordert Brüssel zum Dialog auf. Deutlichere Forderungen dringen aus dem Baltikum. Die Opposition wittert die Chance für einen Koordinationsrat.

Demonstration von Litauern vor der Botschaft von Belarus in der Hauptstadt Vilnius (Foto: Imago Images/D. Mataitis)
Demonstration von Litauern vor der Botschaft von Belarus in der Hauptstadt VilniusBild: Imago Images/D. Mataitis

Die Europäische Union erhöht den politischen Druck auf den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, nach Tagen der Eskalation auf die Demonstranten zuzugehen. "Nur ein friedlicher und inklusiver Dialog kann die Krise lösen", schrieb Ratspräsident Charles Michel. Er habe sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgetauscht.

Unterdessen preschen die baltischen EU-Mitglieder, die eine Landgrenze mit Belarus teilen, weiter vor: Das Parlament in Litauen verabschiedete eine nicht bindende Resolution, in dem es andere westliche Staaten auffordert, Lukaschenko nicht länger als legitimes Staatsoberhaupt von Belarus anzuerkennen. Im benachbarten Lettland sprachen die Abgeordneten sich einstimmig für eine Beschlussvorlage aus, in der die Forderung nach Neuwahlen in Belarus zum Ausdruck gebracht wird.

EU-Ratspräsident Charles MichelBild: Reuters/F. Walschaerts

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte im DW-Interview: "Europa muss klarmachen, dass es alle seine Möglichkeiten nutzt, um auf die Einhaltung von Menschenrechten und Demokratie und auf Gewaltfreiheit zu setzen." Dabei gehe es Europa nicht um eine Verschiebung von Machtbereichen beabsichtige, sagte Schäuble: "Wir haben eine Verantwortung auch für unsere Nachbarn und das muss Europa deutlich zum Ausdruck bringen." US-Präsident Trump kündigte derweil an, er werde "zu gegebener Zeit" das Gespräch mit Moskau suchen.

Putin warnt vor Einmischung

Zuvor hatte Russland vor ausländischer Einmischung gewarnt. Dann könne die Lage weiter eskalieren, teilte der Kreml mit. Zuvor hatte Präsident Wladimir Putin mit Bundeskanzlerin Angela Merkeltelefoniert. Laut dem deutschen Regierungssprecher Steffen Seibert sprach sich Merkel dabei für einen "nationalen Dialog mit Opposition und Gesellschaft" aus, um die Krise zu überwinden.

Die EU hatte den Weg für Sanktionen gegen den Machtapparat von Lukaschenko geebnet. Für Mittwoch ist ein Video-Sondergipfel der 27 Staats- und Regierungschefs angesetzt, um über den Umgang mit Belarus, das im Deutschen auch als "Weißrussland" bezeichnet wird, zu beraten.

Finden beide Seiten zum Dialog?

Im Laufe des Tages wollten Oppositionelle einen Koordinierungsrat gründen. Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja hatte ein solches Gremium ins Gespräch gebracht, um den Machtwechsel zu organisieren. Aus ihrem Exil im EU-Nachbarland Litauen verschickte sie eine Videobotschaft, in der sie Lukaschenko vorwarf, das Land seit 26 Jahren mit Lügen und Schrecken zu führen.

Präsidentenkandidatin und Hoffnungsträgerin, aber derzeit noch im Exil in Litauen: Swetlana TichanowskajaBild: picture alliance/AP Photo

Aus der Regierung gab es erste Äußerungen, sich am Koordinierungsrat nicht zu beteiligen: "Wir sind offen für einen Dialog", zitierte das unabhängige Portal tut.by aus einem offenen Brief von Gesundheitsminister Wladimir Karanik. "Ich bin kein Anhänger einer Megafon-Diplomatie, sondern immer davon ausgegangen, dass die Suche nach einer Lösung an einem Runden Tisch stets der am ehesten richtige Weg ist."

Lukaschenko selbst wies den Vorstoß laut der Nachrichtenagentur Belta jedoch zurück: "Wir sehen unzweifelhaft, das ist ein Versucht, die Macht zu ergreifen", sagte der Machthaber. Man werde Maßnahmen gegen jene ergreifen, die sich dem Rat angreifen. "Wir haben genug von diesen Maßnahmen, um einige Hitzköpfe abzukühlen."

Kein Vertrauen in das Wahlergebnis

Seit der Präsidentschaftswahl vor gut einer Woche weiten sich in ganz Belarus Proteste gegen Präsident Lukaschenko immer weiter aus. Dieser hatte ein Ergebnis von mehr als 80 Prozent für sich reklamiert. Die Opposition ficht dieses offiziell verkündete Ergebnis an und beruft sich auf eigene Wahlbeobachtungen, nach denen ein deutlicher Sieg der Herausforderin Tichanowskaja wahrscheinlich sei. In der ersten Protestwelle hatten Sicherheitskräfte Tausende Demonstranten verhaftet und teils brutal misshandelt; mehrere Menschen wurden getötet. Inzwischen schließen sich die Beschäftigten von immer mehr Staatsbetrieben einem Generalstreik an, in dem sie Lukaschenko zum Amtsverzicht auffordern. Experten gehen bereits davon aus, dass die belarussische Wirtschaft die Folgen der Generalstreiks deutlich spüren wird.

ehl/sti (dpa, rtr, afp)

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