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EU erhebt Strafzölle auf Schuhe aus China und Vietnam

Angela Göpfert23. März 2006

Mit Strafzöllen von knapp 20 Prozent auf Schuhimporte aus China und Vietnam will die EU heimische Produzenten vor Dumpingpreisen schützen. Wirtschaftsexperten und Verbände äußern massive Zweifel am Sinn der EU-Maßnahme.

Schuhe aus China werden ab April teurerBild: AP

War der Sohlenaufdruck "Made in China" soeben noch ein Garant für günstiges Schuhwerk, muss der Verbraucher schon ab 7. April 2006 mit höheren Preisen für Importware aus China und Vietnam rechnen. Die EU wirft diesen Ländern Dumping vor und wehrt sich mit drastischen Strafzöllen gegen die billigen Schuhimporte. EU-Handelskommissar Peter Mandelson wird am Donnerstag (23.3.2006) einen entsprechenden Beschluss der EU-Kommission formal annehmen.

Damit geht der Handelskonflikt zwischen der EU und China, der 2005 mit dem Streit über Textilieneinfuhren seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte, in die nächste Runde. Die Schuhzölle sind zunächst für ein halbes Jahr geplant. Sie sollen anfangs vier Prozent betragen und dann über fünf Monate hinweg auf 19,4 (China) beziehungsweise 16,8 Prozent (Vietnam) ansteigen. Kinder- und Sportschuhe sind von der Regelung ausgeschlossen.

Handel will Kostenerhöhungen an Verbraucher weitergeben

"Das ist protektionistische Willkür, die am Ende die Verbraucher hierzulande bezahlen müssen", empört sich Winfried Toubartz, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Schuheinzelhandels. Die europäischen Schuhimporteure planen, die Kostensteigerungen an die Verbraucher weiterzugeben. Diese Preiserhöhungen könnten wiederum einen Rückgang der Nachfrage und damit Arbeitsplatzverluste im Handel und bei den Importeuren bewirken, warnt Heinz Hauser, Professor für Außenwirtschaftspolitik an der Universität St. Gallen, im Gespräch mit DW-WORLD.

Sinnlose EU-Maßnahme?

Die EU hofft dagegen, mit den Strafzöllen die letzten verbliebenen Schuhhersteller in Spanien, Portugal, Italien und Polen vor der chinesischen Schuhschwemme zu schützen. Inzwischen kommt fast jedes zweite eingeführte Paar Schuhe aus China.

Doch der wirtschaftspolitische Sinn von Strafzöllen ist umstritten. Denn sie bieten höchstens einen zeitlich begrenzten Schutz für Europas Schuhindustrie, die im Bereich billige Massenware schon seit langem nicht mehr international konkurrenzfähig ist. "Damit werden nur notwendige Anpassungsprozesse hinausgezögert", sagt der Direktor des Schweizerischen Instituts für Außenwirtschaft und angewandte Wirtschaftsforschung Hauser.

Andere südostasiatische Länder sind lachende Dritte

Die Strafzölle kommen auch den Verbraucher teuer zu stehenBild: AP

Zumal mit den Strafzöllen gegen billige Schuhimporte aus China und Vietnam das eigentliche Problem bei weitem noch nicht gelöst ist. Es wird nur geografisch verschoben: entweder indem China seine Produktionsstätten ins Ausland verlagert oder indem andere Länder vom Handelskonflikt zwischen der EU und China profitieren. "Taiwan, Indien, Thailand, Kambodscha, Laos, Indonesien - im südostasiatischen Raum stehen viele Länder bereit, um Chinas Rolle als billiger Schuhproduzent zu übernehmen", betont Toubartz im Gespräch mit DW-WORLD.

Sind Anti-Dumping-Maßnahmen überhaupt rechtlich zulässig?

Nicht zuletzt ist es fraglich, ob es sich bei den billigen Schuhimporten aus China und Vietnam überhaupt um Dumping handelt. Dumping ist der Verkauf von Waren im Ausland unter den Herstellungskosten mit dem Ziel, Konkurrenten auszuschalten. Hauser vermutet, dass der Dumpingtatbestand gar nicht erfüllt wird: "Die EU konnte bisher keine entsprechenden Beweise vorlegen."

Einfache Billigverkäufe, die durch niedrigere Kosten oder höhere Produktivität im Herstellungsland ermöglicht werden, stellen aber kein wettbewerbsrechtliches Vergehen dar. Anti-Dumping-Maßnahmen der EU wären in einem solchen Falle laut WTO-Verträgen gar nicht zulässig.

EU uneins über weiteres Vorgehen

Handelskommissar Mandelson: Ob er die EU-Mitgliedsländer überzeugen kann?Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Aus diesen Gründen ist die Frage der Strafzölle auch innerhalb der EU stark umstritten. Während traditionelle Produktionsländer wie Italien und Spanien einen noch schärferen Kurs verlangen, gehen den nordischen Ländern die Sanktionen zu weit. Nur drei von 25 Staaten - Belgien, Slowakei und Malta - unterstützen derzeit die Mandelson-Linie.

In der jetzigen Phase hatten die europäischen Regierungen allerdings kein Mitentscheidungsrecht, so dass Brüssel auf eigene Faust handeln konnte. Im Herbst aber, wenn auf Grundlage der Erfahrungen mit den vorläufigen Sanktionen dauerhafte Maßnahmen zu prüfen sind, benötigt der Handelskommissar eine qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat. Und die ist zumindest im Moment noch in weiter Ferne.

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