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EU erwägt Sanktionen gegen gewalttätige israelische Siedler

Ella Joyner in Brüssel
12. Dezember 2023

Die Europäische Union sorgt sich um die Sicherheit im von Israel besetzten Westjordanland. Nun will man, wie die USA, Sanktionen gegen Einzelpersonen erheben, um die wachsende Gewalt einzudämmen.

Ein Mann mit Kippa in Angriffspose gegenüber einem anderen in Abwehrhaltung; umringt von Soldaten, Kameraleuten und Umstehenden; im Hintergrund weht eine israelische Flagge neben einem Zelt
Ein Schwerpunkt der Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser ist immer wieder Hebron im südlichen Westjordanland - hier im August 2023Bild: Mamoun Wazwaz/APA Images/ZUMAPRESS/picture alliance

Die Europäische Union will Vorschläge unterbreiten, wie israelische Siedler sanktioniert werden können, die gewaltsam gegen Palästinenser im besetzten Westjordanland vorgehen. Man wolle sich damit einer aktuellen Initiative der USA anschließen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel: "Ich glaube, die Zeit ist reif, zu handeln, statt zu reden", sagte der EU-Chefdiplomat, "um Maßnahmen zu ergreifen, die wir mit Blick auf die Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland ergreifen können."

Das Westjordanland ist neben dem Gazastreifen das zweite, wesentlich größere Palästinensische Gebiet. Seit dem Ende des Sechs-Tage-Krieges 1967 ist es von Israel besetzt. Auch hier hat die Gewalt seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober zugenommen. Kämpfer der militanten Palästinenserorganisation, die von der EU, den USA, Israel, Deutschland und weiteren Staaten als Terrorgruppe eingestuft wird, töteten dabei rund 1200 Menschen. Als Reaktion riegelt Israel den Gazastreifen ab, hat mehrere Tausend Ziele in dem Gebiet bombardiert und mit Bodentruppen angegriffen. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen meldet mehr als 18.000 Todesopfer als Folge der israelischen Gegenangriffe.

Ein israelisches Armeefahrzeug in Nablus Anfang November - hier wurde kurz zuvor ein Siedler erschossenBild: Nasser Ishtayeh/SOPA Images/ZUMA Press Wire/picture alliance

Doch während die Weltöffentlichkeit vor allem auf die humanitäre Lage in Gaza blickt, wurden nach UN-Angaben auch Hunderte Palästinenser im Westjordanland sowie in Ostjerusalem getötet. Die Palästinenser beanspruchen den Ostteil Jerusalems als Hauptstadt, er ist jedoch ebenfalls seit 1967 von Israel besetzt.

Was passiert gerade im Westjordanland?

Nichtregierungsorganisationen und UN-Behörden warnen seit Wochen vor einem Anstieg der Gewalt auch im Westjordanland. Bereits vor dem 7. Oktober gab es viele blutige Zwischenfälle. Dem UN-Büro zu Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zufolge wurden zwischen Januar und Ende November bei Auseinandersetzungen im Westjordanland 28 Israelis getötet, die meisten von ihnen jüdische Siedler.

Am Sonntag warnte die UN-Nothilfekoordinatorin für die besetzten Palästinensergebiete Lynn Hastings, 2023 habe es im Westjordanland und in Ostjerusalem ein "nie dagewesenes Niveau an Gewalt durch den israelischen Staat sowie durch Siedler gegenüber Palästinensern" gegeben. Seit Jahresbeginn seien 464 Palästinenser dort getötet worden - davon allein 265 nach dem 7. Oktober. Mindestens drei der Getöteten seien Menschen mit Behinderungen gewesen, schrieb Hastings, "mindestens 1000 Menschen wurden gewaltsam von ihrem Land vertrieben".

Zunehmende Gewalt im Westjordanland

05:13

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Was könnte die EU tun?

Dagegen richten sich aktuelle Pläne der EU. Borrell zufolge arbeitet das Staatenbündnis bereits mit einzelnen Mitgliedsländern an konkreten Listen von Personen, die für "gewaltsame Aktivitäten und Attacken gegen Palästinenser im Westjordanland" bekannt sind. Allerdings müsse erst die für Sanktionen notwendige Einstimmigkeit unter allen EU-Staaten hergestellt werden, sagte Borrell.  Noch habe man den Ländern keinen offiziellen Entwurf dafür vorlegen können. Borrell kritisierte auch die israelische Regierung für die Genehmigung neuer Wohneinheiten in Ostjerusalem.

Will Sanktionen gegen gewalttätige Siedler im Westjordanland: EU-Außenbeauftragter Josep BorrellBild: Kenzo Tribouillard/AFP

Einige Mitgliedsländer haben bereits Unterstützung für Sanktionen gegen gewalttätige Siedler signalisiert, darunter Frankreich und auch Deutschland, das zu den Ländern gehört, die sich seit dem 7. Oktober am deutlichsten hinter Israel gestellt haben. In einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel haben die Regierungen von Belgien, Irland, Malta und Spanien gefordert, Reisebeschränkungen und Vermögenssanktionen gegen "gewalttätige Siedler, die palästinensische Gemeinden angreifen und vertreiben" zu erheben. "Wir müssen eine Eskalation im Westjordanland verhindern", forderten die vier Staaten in dem Brief, der der DW vorliegt. Gleichzeitig seien auch weitere Sanktionen gegen die Hamas im Gespräch.

Wie und warum sanktionieren die USA Siedler?

Die USA kündigten vergangene Woche Reisesperren für "Dutzende" Personen und möglicherweise auch ihre Familien an. "Die Vereinigten Staaten werden Visa-Beschränkungen gegen Einzelpersonen verhängen, die Frieden, Sicherheit oder Stabilität im Westjordanland unterminieren oder bedeutsam dazu beitragen", sagte US-Außenamtssprecher Mathew Miller vor einer Woche. Das könne für Israelis wie für Palästinenser gelten.

Israels Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland wird selbst von den USA und anderen engen Verbündeten in Europa regelmäßig kritisiert. Die Siedlungen gelten als kontraproduktiv für eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung.

Der israelische Siedlungsaußenposten Evyatar - hier kam es im Juni zu einem tödlichen ZusammenstoßBild: Tania Kraemer/DW

Neue israelische Siedlungen im Westjordanland sowie in Ostjerusalem würden "die Möglichkeit eines zusammenhängenden und lebensfähigen palästinensischen Staates im Rahmen einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung untergraben", erklärte etwa die Bundesregierung 2020.

Was ist das Westjordanland - und wie viele israelische Siedler leben dort?

Israel besetzte das palästinensische Westjordanland 1967 und begann in den 70er- und 80er-Jahren mit dem Bau von Siedlungen, obwohl kaum ein Staat die israelischen Ansprüche auf die Gebiete anerkannt hat. Seit einer Einigung im Osloer Friedensprozess 1994 hat dort formell die Palästinensische Autonomiebehörde das Sagen. In der Praxis gilt dies jedoch nur in bestimmten Zonen, andere werden von Israel kontrolliert.

Der Internationale Gerichtshof sowie die Vereinten Nationen stufen solche Siedlungen als illegal ein. Israelische Regierungen haben dem stets widersprochen. Das aktuelle rechte Bündnis will die Siedlungsaktivität sogar weiter intensivieren. Einige Israelis rechtfertigen dies mit sicherheitspolitischen Begründungen oder einem historischen Anrecht.

2021 lebten nach Angaben der israelischen Nichtregierungsorganisation Peace Now 465.000 israelische Siedler im Westjordanland. Sie machten demnach rund 14 Prozent der Gesamtbevölkerung des Westjordanlands von 3,3 Millionen Menschen aus. Hinzu kommen etwa 230.000 israelische Siedler in Ostjerusalem, sodass rund 7,5 Prozent der israelischen Bevölkerung Siedler im Westjordanland einschließlich Ostjerusalems sind.

Aus dem Englischen von David Ehl.

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