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Politik

2025 ist "ehrgeiziges Ziel" für den Westbalkan

Barbara Wesel das
17. April 2018

Viele der Spannungen auf dem Westbalkan könnten nur überwunden werden, wenn alle Länder der Region EU-Mitglieder würden, sagt EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Wie kann Europa im Notfall Druck ausüben?

Symbolbild Westbalkan Flaggen (mit EU)
Bild: picture-alliance/Photoshot/Qian Yi

DW: Die EU hat einen neuen Fortschrittsbericht für die Westbalkan-Staaten veröffentlicht. Welches sind für Sie die Spitzenreiter in diesem Prozess?

Johannes Hahn: Ich muss zugeben, dass mir der Begriff "Spitzenreiter" nicht gefällt, weil er auf etwas anderes deuten könnte, aber ich vermute, Sie meinen die beiden Staaten Serbien und Montenegro. Sie werden meistens als Spitzenreiter bezeichnet, weil die beiden Länder schon begonnen haben, mit uns zu verhandeln. Natürlich liegt insgesamt noch viel Arbeit vor uns. Aber wenn man auf eine längere Zeitspanne zurückblickt, sieht man, dass die Staaten der Westbalkan-Region stark auf diesen Prozess konzentriert sind.       

Wo sehen Sie diese Fortschritte im Detail?  

Es gibt Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, im Kampf gegen Korruption, bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Was wir gerne sehen würden, ist eine nachhaltige Erfolgsgeschichte in bestimmten Bereichen. Deshalb ziehe ich es vor, über einen Prozess zu sprechen und nicht nur über Verhandlungen: Es geht nicht nur darum, verschiedene Punkte abzuhaken und zu sagen: Wir haben dieses oder jenes Gesetz verabschiedet. Wichtig ist, wie man es letztendlich anwendet. Und hier würden wir gerne mehr Fortschritte sehen im Antikorruptionskampf, sowie eine stärkere, unabhängigere und transparentere Justiz. Ein Beispiel ist Albanien: Dort wurde eine sehr umfassende Justizreform verabschiedet und jetzt ist man schon in der Umsetzungsphase.  

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn Bild: DW/B. Riegert

In der Westbalkan-Region gibt es nach wie vor eine Menge Probleme. Bei welchem Land - oder welchen Ländern - haben Sie die größten Bedenken?   

Ich würde nicht von Bedenken sprechen, aber es ist kein Geheimnis, dass Bosnien-Herzegowina weiterhin eine riesige Herausforderung darstellt, denn die Lage ist dort sogar noch komplizierter als in den Nachbarländern. Was das Kosovo betrifft: Wir müssen sehen, wie der Dialog mit Serbien weitergeht; für Serbien und Kosovo ist ein rechtlich bindendes Abkommen über die bilateralen Beziehungen nötig. Doch gerade in Bezug auf das Kosovo wissen wir es auch zu schätzen, dass der Grenzkonflikt mit Montenegro nach zweieinhalb Jahren endlich gelöst wurde - und das liegt definitiv an der europäischen Perspektive [dieser Staaten - d.Red.].  

Was die Konflikte in der Region betrifft: Wie optimistisch sind Sie, dass es zu einer Einigung zwischen Mazedonien und Griechenland [im Namensstreit - d.Red.] kommen wird?   

Ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten Wochen eine Einigung geben kann. Ich denke, die beiden Seiten haben eine neue Etappe in ihren Beziehungen erreicht. Auch die Beziehung zwischen Skopje und Sofia hat sich verbessert, die Länder haben sich auf ein Nachbarschaftsabkommen geeinigt, über das jahrelang verhandelt wurde. Daher denke ich, die neue Regierung in Skopje leistet gute Arbeit. Ich begrüße es auch, dass die Opposition in Mazedonien in einer konstruktiveren Stimmung ist, ins Parlament zurückgekehrt ist und am politischen Leben teilnimmt - insbesondere im Hinblick auf das übergreifende Ziel: die europäische Perspektive.  Wenn wir an den wachsenden Nationalismus in Serbien denken und an die engen Verbindungen dieses Landes zu Ungarn, wo es anti-demokratische Entwicklungen gibt: Befürchten Sie nicht, dass sich die EU durch den Beitritt der Westbalkan-Staaten in Zukunft noch mehr Probleme aufhalst, die sie nicht bewältigen kann? 

Die Westbalkan-Pläne der EU

01:40

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In erster Linie gibt es sowohl in der Region als auch außerhalb von ihr die Einsicht, dass viele der Spannungen und Schwierigkeiten auf dem Westbalkan nur überwunden werden können, wenn alle Teile dieser Region früher oder später EU-Mitglieder werden. Die Gesamtsituation kann nur verbessert werden, wenn es eine europäische Perspektive gibt. Deshalb betrachten wir das alles als Prozess. Das bedeutet, die Länder müssen uns beweisen, dass sich auch ihre politische Kultur zum Positiven verändert. Dazu gehört es, nicht nationalistisch und populistisch zu sein, sondern zum größeren europäischen Projekt beizutragen.  

Brauchen wir auf europäischer Seite nicht härtere Mittel, um im Notfall Druck auszuüben?  

Unser härtestes Mittel sind die Verhandlungen. Ich sage immer, wir haben einiges an Einfluss vor dem Beginn der (Beitritts-)Verhandlungen, sehr viel Einfluss wärend der Verhandlungen und leider kaum mehr Einfluss nach dem EU-Beitritt eines Staates. Also haben wir unsere Lektion gelernt: Der gesamte Prozess während der Verhandlungen ist uns sehr wichtig. Beispielsweise hat dieser Prozess im Fall von Kroatien zwischen sieben und acht Jahre lang gedauert. Es geht also darum, zu schauen, ob das betreffende Land wirklich nachhaltige Fortschritte in die richtige Richtung macht.  

Ist 2025 ein realistisches Ziel für den EU-Beitritt der Westbalkan-Staaten?

Auf politischer Ebene klingt das sehr weit weg - und sieht auch so aus. Es würde bedeuten, dass die Verhandlungen 2023 abgeschlossen werden müssen. Im Prinzip ist es machbar, aber es ist ein sehr ehrgeiziges Ziel.   

Die EU hat begonnen, die politischen Entwicklungen in der Türkei mit härteren Worten zu kritisieren. 

In der Tat. Wenn es um europäische Standards geht, die für Beitrittskandidaten gelten, müssen wir zugeben, dass sich die Türkei verschlechtert: in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Justiz, Transparenz, Meinungsfreiheit. Das wurde im Fortschrittsbericht deutlich gemacht.

Gibt es also wirklich keine Hoffnung mehr? Wenn es um die Türkei geht, sagen Sie doch immer wieder: Wir sollten die Tür nicht schließen.   

Ich denke, "die Tür nicht zu schließen" ist das richtige Bild. Die EU-Mitgliedsstaaten sind sich einig, dass keine neuen Kapitel in den Verhandlungen mit der Türkei eröffnet werden sollen und dass die Vor-Beitrittsgelder an die aktuelle Situation angepasst werden. Hier stehen wir zurzeit. Auf der anderen Seite wäre es nicht klug, Türen zu schließen, wenn man bedenkt, dass sich sehr viele Menschen in der Türkei immer noch in Richtung Europa orientieren. Sie erwarten unsere Unterstützung, unabhängig davon, ob es um eine europäische Perspektive geht oder generell um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit usw. Letztendlich ist die Türkei ein sehr wichtiger Nachbar für Europa. Beide Seiten sind gut beraten, normale und gute nachbarschaftliche Beziehungen zu pflegen. 

Johannes Hahn ist seit dem 1. November 2014 EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen.

Das Interview führte Barbara Wesel.

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