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PolitikEuropa

EU: Flickenteppich bei Einreisen aus China

6. Januar 2023

Immer mehr EU-Staaten verlangen negative Corona-Tests von Einreisenden aus China. Einheitlich ist das Vorgehen der EU nicht. Dabei sollte es am Ende der Pandemie eine Gesundheitsunion geben. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Corona-Testzentrum in Beijing
Getestet wird allerorten, wenn auch nicht einheitlich - hier in Peking im Dezember (Archivbild)Bild: Andy Wong/AP/picture alliance

Als erstes Land der Europäischen Union hatte Italien nach den Weihnachtstagen damit begonnen, Reisende aus China bei ihrer Ankunft in Mailand oder Rom auf Corona zu testen. Der italienische Gesundheitsminister Orazio Schillaci wollte nicht abwarten, ob Wissenschaftler und Behörden auf EU-Ebene die Infektionswelle in China als Gefahr für Europa sehen.

Vor drei Jahren hatte die Pandemie in Italien mit Einreisenden aus China begonnen. Diesmal wollte die neue rechtsextreme Regierung, die nach dem Motto "Italien zuerst" regiert, schneller sein als das Virus. Nach Angaben von Minister Schillaci wurden viele Reisende positiv getestet. In einer Maschine, die in Mailand ankam, soll die Hälfte der getesteten Passagiere positiv gewesen sein. "Die Maßnahme ist unerlässlich", so Schillaci, "um den Schutz der italienischen Bevölkerung sicherzustellen."

Vorläufige Entwarnung aus Italien

Spanien und Frankreich folgten dem italienischen Beispiel schnell und führten ebenfalls neue Einreisebestimmungen ein. Die französischen Gesundheitsbehörden gaben zwar an, nicht genau zu wissen, ob die chinesische Infektionswelle gefährlich sei, aber Maßnahmen hätten in der EU nur Sinn, wenn sie auch gemeinsam eingeführt und durchgesetzt würden. Denn Reisende können sich innerhalb der EU frei bewegen und so natürlich auch das Virus verbreiten.

Flughafen Mailand Malpensa: Einreisende aus China müssen bei Ankunft einen Test machenBild: Maule Maurizio/IPA/ABACA/picture alliance

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gab kurz vor der Jahreswende allerdings Entwarnung: Man habe keine neuen gefährlichen Varianten in den Proben von Einreisenden aus China feststellen können. Die europäische Seuchenbehörde ECDC in Stockholm teilte ebenfalls mit, solange keine neuen Varianten des Virus in China entstünden, sei die Gefahr für die weitgehend immunisierte europäische Bevölkerung eher gering.

Testpflicht auch in Nicht-EU-Ländern

Die Generaldirektion Gesundheit der Europäischen Kommission rief bereits vergangene Woche eine Sitzung des zuständigen Ausschusses der Gesundheitsministerien aus den 27 Mitgliedsstaaten ein. Beraten wurde über mögliche Maßnahmen an den europäischen Grenzen. Eine eindeutige Empfehlung gab es nicht, weil vor allem Deutschland, Reisedrehscheibe in der Mitte der EU, keine Gefahr erkennen konnte. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte unterdessen, die Daten aus China seien nicht umfassend. Man wisse nicht, wie das Infektionsgeschehen sei. Transparente Informationen über mögliche neue Varianten des Virus seien nötig.

Steigende Fallzahlen, aber unklare Datenlage: China mauert bei konkreten Angaben, meint die WHOBild: Ray Young/Utuku/ROPI/picture alliance

Über den Jahreswechsel dann wuchs der politische Druck auf die Europäische Union, eine einheitliche Regelung zu Testpflichten zu finden. "Wie soll man das alles einem EU-Bürger erklären, wenn andere Staaten wie die USA, Großbritannien oder Malaysia eine Testpflicht für Reisende aus China einführen", fragte ein EU-Diplomat diese Woche in Brüssel. Auch Kanada, Indien, Australien und andere Staaten verlangen nach Angaben des Luftverkehrsverbandes IATA Corona-Tests von Ankommenden aus China.

Die EU empfiehlt "dringend" - nicht bindend

Am Ende dieser Woche waren nun die meisten der 27 Regierungen in den Mitgliedsstaaten der Überzeugung, dass eine Testpflicht auf Corona politisch angezeigt sei, auch wenn keine vollständige wissenschaftliche Begründung vorliegt. Deshalb verabschiedete die Gesundheitskommission aus den Experten der 27 Staaten unter Vorsitz der EU-Kommission ihre "dringende Empfehlung", eine Testpflicht einzuführen.

Bindend beschließen kann dieses Gremium, das zwei Tage in Brüssel zusammensaß, nichts. Die Kompetenz in Gesundheitsfragen und Grenzkontrollen liegt bei den Mitgliedsstaaten allein. Die EU kann nur beraten. An diesem Donnerstag hat dann der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Testpflicht eingeführt, die er vor wenigen Tagen noch nicht für nötig hielt. Jetzt geht es vor allem um die einheitliche, geschlossene Haltung der EU, nicht so sehr den Sinn der Maßnahmen. Schweden, Belgien und Griechenland wollen sich der Testpflicht ebenfalls anschließen.

EU-Kommissarin Stella Kyriakides: Die drei Säulen der Gesundheitsunion in Europa stehenBild: KENZO TRIBOUILLARD/AFP

Allerdings: Wie und was genau getestet wird, ist in der EU nicht einheitlich. Einige Staaten verlangen einen Schnelltest vor und nach dem Flug aus China. Andere wollen einen aufwändigeren PCR-Test sehen. Spanien ist mit dem Nachweis des vollständigen Impfschutzes zufrieden, auch ohne Test. Schweden will eine Testpflicht nur für Chinesen einführen, nicht aber für schwedische Staatsbürger. Einreisende, die positiv getestet werden, müssen nicht unmittelbar zurückfliegen, sondern könnten sich in EU-Staaten in Quarantäne begeben.

Die ist in den verschiedenen EU-Staaten ebenfalls unterschiedlich ausgestaltet. Reisende, die schon vor Abreise in China positiv getestet werden, werden nicht befördert. Einige Staaten wollen nun das Abwasser aus Flugzeugen, andere das Abwasser ganzer Flughäfen auf Virusvarianten überprüfen lassen.

Deutscher Gesundheitsminister Karl Lauterbach: Nun soll doch getestet werden, auch in Deutschland (Archiv)Bild: /dpa/picture alliance

Gesundheitsunion unvollendet

Die komplexe Diskussion und zähe Beschlussfassung wirft ein Schlaglicht auf die Gesundheitsunion, die die Europäische Union als Antwort auf die Corona-Pandemie entwickeln will. Die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides hatte im Oktober noch als großen Erfolg gefeiert, dass nun neue rechtliche Grundlagen geschaffen seien, um innerhalb der EU bei der Seuchenbekämpfung koordinierter vorzugehen. Bei Vorsorge, Überwachung, Risikobewertung und Reaktion sollte die Europäische Gesundheitsunion eine entscheidende Rolle spielen.

Der erste praktische Test über den Jahreswechsel verlief dann doch recht zäh. Im Grunde kann jedes Mitgliedsland nach wie vor handeln, wie es will. Als nächster Test steht auf der Tagesordnung, wie mit Weltregionen verfahren werden soll, in denen neue Virusvarianten auftauchen, die gefährlich sein könnten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat gerade vor der Variante XBB.1.5 aus den USA gewarnt.

China testet selbst

Die chinesische Regierung, die von Sonntag an Ausreisen aus und Einreisen nach China leichter machen will, beschwert sich über die europäischen Regelungen. Sie seien diskriminierend, heißt es aus Peking. Das kann man in Brüssel nicht nachvollziehen, denn China verlangt bei Einreisenden aus Europa weiter einen negativen PCR-Test. Nur die bisher verpflichtende Quarantäne bei Einreise fällt weg. Zurzeit gibt es ohnehin nur wenige Flüge aus China nach Europa. Auch die Visavergabe ist wesentlich restriktiver als vor der Corona-Pandemie.

Der internationale Luftfahrtverband IATA hat die Einführung von neuen Testpflichten für Reisende aus China als "wirkungslos" kritisiert. "Es ist äußert enttäuschend, diese impulsive Wiedereinführung von Maßnahmen zu sehen, die sich in den letzten drei Jahren als unwirksam erwiesen haben", erklärte der IATA-Vorsitzende Willie Walsh. Einreisebeschränkungen hätten schon 2021 die weltweite Ausbreitung der Omikron-Variante nicht verhindern können.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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