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PolitikEuropa

EU belässt es gegenüber Moskau bei Worten

25. Januar 2021

Harte Worte, aber keine neuen Sanktionen. So antworten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Brüssel auf die Verhaftungswelle gegen Demonstranten in Russland. Bernd Riegert aus Brüssel.

Brüssel EU | Josep Borrell, Außen- und Sicherheitsbeauftragter
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell: Vorsprechen in Moskau in Sachen NawalnyBild: Olivier Hoslet/AFP/Getty Images

"Extrem frustrierend'", nannte Reinhard Bütikofer das Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Eine angemessene Antwort auf die massenhafte Verhaftung von Regierungskritikern in Russland am Wochenende, sagte der außenpolitische Experte der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, sei ausgeblieben. Die EU-Außenpolitik sei durch den Zwang zur Einstimmigkeit zu verwässernden Kompromissen gezwungen. Das müsse sich ändern, fordert Bütikofer, sonst mache sich die EU durch "technokratisiertes Eunuchentum" in der Außenpolitik immer weiter lächerlich.

Mit der harschen Kritik an den Außenministern und ihren wortreichen, aber folgenlosen Erklärungen, steht der Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer nicht allein. Das Europäische Parlament hatte vergangene Woche mit überwältigender Mehrheit schärfere Sanktionen gegen die Funktionäre in Moskau gefordert, die für die Inhaftierung des führenden russischen Oppositionellen, Alexej Nawalny, verantwortlich sind. Seine Kritik münzte Bütikofer nicht nur auf das Thema Russland, sondern auch auf die Reaktion der EU-Außenminister gegenüber China mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen in Hongkong.

Borrell fährt nach Moskau

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte nach der Sitzung mit den 27 Außenministern, einige hätten Sanktionen gegen Russland angesprochen, andere nicht. "Es gab aber keine konkreten Vorschläge. Wir sind sicherlich in der Lage zu reagieren, wenn es die Umstände erfordern, aber heute gab es dazu keinen Vorschlag", sagte Borrell in einer virtuellen Pressekonferenz. Borrell kündigte an, er werde Anfang Februar nach Moskau reisen, um mit dem Kreml über den Fall Nawalny zu sprechen.

Physisches Treffen der EU-Außenminister in Brüssel: Deutschlands Ressortchef Maas (links) mit Luxemburgs AsselbornBild: John Thys/AFP/AP/dpa/picture alliance

Bundesaußenminister Heiko Maas nahm in seiner Erklärung nach dem Ende des Ministertreffens in Brüssel das Wort Sanktionen nicht in den Mund. Er sagte, man habe sich darauf geeinigt, die sofortige Freilassung der mehr als 3000 inhaftierten Demonstranten und Alexej Nawalnys zu fordern: "Wir erinnern Russland daran, dass in der eigenen Verfassung die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Demonstrationsfreiheit festgelegt sind."

Der russische Präsident Wladimir Putin sagte, jeder habe in Russland natürlich das Recht, seine Meinung zu sagen, wenn er sich im Rahmen des Gesetzes bewege. Die Proteste am Wochenende nannte er jedoch illegal. Die Anhänger von Alexej Nawalny kündigten für den kommenden Sonntag neue Demonstrationen an.

Litauen befürwortet Sanktionen

Etwas deutlicher als Maas wurde sein litauischer Amtskollege Gabrielius Landsbergis: "Wir haben ein effizientes Sanktions-Werkzeug, um Verletzung der Menschenrechte weltweit zu ahnden", sagte der Außenminister in Brüssel. "Wir müssen eine sehr klare Botschaft an Russland senden." Er spielte damit auf ein neues Sanktionsinstrument an, dass die EU sich erst im vergangenen Dezember gegeben hatte. Unabhängig von Staat und Standort sollen damit weltweit Menschenrechtsverletzungen geahndet werden. Es ist nach dem globalen "Magnitzky-Act" der USA geformt, mit dem Washington gegen Firmen und Einzelpersonen in aller Welt vorgeht.

Landsbergis sagte, er spüre, dass in Russland "Wandel in der Luft liegt". Deshalb sei der russische Präsident Wladimir Putin auch so nervös und lasse Tausende Menschen verhaften. Landsbergis spricht für einen der drei baltischen Staaten, die Russland als direktem Nachbarn und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken sehr kritisch begegnen.

"Ein besseres Russland"

03:27

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Die meisten EU-Staaten wollen abwarten

EU-Diplomaten berichteten aber nach den Gesprächen in Brüssel, dass weitere Sanktionen gegen Russland im Moment keine Option seien. Man wolle erst einmal abwarten, ob der russische Oppositionelle Nawalny im Februar zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt oder auf Bewährung freigelassen wird. Außerdem seien im Fall Nawalny nach dessen wahrscheinlicher Vergiftung durch den russischen Geheimdienst ja bereits Sanktionen gegen einzelne Verantwortliche verhängt worden.

Solidaritätskundgebungen in der EU, hier in Frankfurt am Main am Samstag.Bild: Y. Yanyuk/DW

Auf die erneute Forderung des Europäischen Parlaments, den Bau der Gaspipeline "Nordstream 2" zwischen Russland und Deutschland zu stoppen, gingen die Außenminister nicht ein. Deutsche Politiker argumentieren immer wieder, man dürfe den Fall Nawalny und das Energieprojekt privater Unternehmen nicht "vermischen". Polen, die Slowakei und die baltischen Staaten sehen das anders. Die Abhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen werde durch die neue Gaspipeline wachsen, warnen sie.

Der ehemalige Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), sagte der DW, Alexej Nawalny habe sehr mutig gehandelt, wahrscheinlich sei aber, dass er jetzt für längere Zeit weggeschlossen werde: "Eines hat er auf jeden Fall erreicht: Internationale Aufmerksamkeit für die Proteste in Russland. Es gibt schon kritische Reaktionen von verschiedenen westlichen Staaten und auch von der Europäischen Union." Diese Aufmerksamkeit könne zu einer weiteren Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem Westen und Russland führen, sagte Erler.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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