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PolitikEuropa

Vertrauenskrise: Wie die EU die Gen Z für sich gewinnen will

13. Oktober 2025

Junge Europäer sind von den demokratischen Strukturen der EU nicht sonderlich überzeugt. Das zeigen Umfragen. Die EU möchte diese Einstellung ändern, aber schafft sie das auch?

Junge Menschen bei einer Demo in Kopenhagen, sie klatschen und halten ein Plakat hoch
Junge Menschen der Generation Z bei einer Demo - kann die EU als Institution überzeugen? Bild: Thibault Savary/Le Pictorium/IMAGO

Für die 18-jährige Aisling Giltinane ist Cybermobbing ein sehr persönliches Thema: "Ich bin da wirklich leidenschaftlich, weil ich als Kind selbst gemobbt wurde." Damals habe sie nicht gewusst, was sie dagegen tun sollte, und nicht darüber gesprochen, erzählt sie der DW. Jetzt möchte sie etwas ändern, damit andere nicht dasselbe durchmachen müssen.

Deshalb kam sie Mitte September nach Brüssel zum Hauptsitz der EU-Kommission, um gemeinsam mit einem Dutzend anderer junger Europäer mit EU-Kommissar Glenn Micallef über Cybermobbing zu diskutieren. Der Sozialdemokrat aus Malta ist in Brüssel zuständig für Generationengerechtigkeit, Jugend, Kultur und Sport.

Ailsing Giltinane beim EU-JugenddialogBild: Lucia Schulten

Die Teilnehmer - einige von ihnen gehen noch in die Schule - bringen ihre eigenen Überlegungen mit. Es geht um einfachere Meldemechanismen, mehr Aufklärung und die Einbeziehung von Lehrern und Eltern. 2026 will die EU einen "Aktionsplan gegen Cybermobbing" vorlegen und die Ergebnisse dieser Runde sollen dort einfließen. 

Den Teilnehmern geht es allerdings um mehr als Cybermobbing: "Ich will nicht nur meine Bedenken, sondern auch meine Ideen äußern", sagte der 18-jährige George Vella aus Malta der DW. Das direkte Gespräch mit dem verantwortlichen Politiker macht ihm Hoffnung, dass sie eine größere Chance haben, umgesetzt zu werden, als wenn er sie nur in den sozialen Medien oder mit Freunden bespricht.

Aisling Giltinane fand den Austausch mit Kommissar Micallef "nützlich", sagt sie: "Wir konnten ihm sagen, was wir wollen, und er hat das wirklich aufgegriffen."

Junge Europäer zeigen zu wenig Vertrauen in die Demokratie

Doch nicht alle jungen Menschen in Europa haben so viel Vertrauen in die Europäische Union oder ihre demokratischen Strukturen. Dies zeigt eine von der deutschen TUI-Stiftung veröffentlichte Umfrage. Mehr als 6000 junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland, Polen und dem Vereinigten Königreich haben daran teilgenommen.

40 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Arbeitsweise der EU nicht besonders demokratisch sei. Weitere 51 Prozent meinten, die EU sei ein gutes Konzept, das aber schlecht umgesetzt werde. 53 Prozent sind der Meinung, dass sich die EU zu sehr mit Nebensächlichkeiten beschäftigt. Lediglich 57 Prozent vertraten den Standpunkt, dass die Demokratie im Allgemeinen anderen Regierungsformen vorzuziehen sei.

Kann Europa seinen jungen Menschen etwas bieten?

EU-Kommissar Micallef gibt sich dennoch überzeugt, dass "junge Menschen die Europäische Union als Teil der Lösung für die Herausforderungen sehen, denen sie gegenüberstehen." Die jungen Menschen erwarteten, dass ihr Vertrauen in die EU durch konkrete Maßnahmen belohnt werde, sagt er nach dem Treffen zum Thema Cybermobbing und fügt hinzu, dass sich die EU für erschwinglichen Wohnraum, Qualität von Arbeitsplätzen und eine Senkung der Energiekosten engagiere. 

EU-Kommissar Micallef mit Teilnehmern des EU-JugenddialogsBild: Lucia Schulten

Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einem Plan für bezahlbare Wohnungen und will einen sogenannten "Quality Jobs Act" vorschlagen. Beide Initiativen sollen in den kommenden Monaten vorgestellt werden.

Greifbare Ergebnisse für junge Europäer zu erzielen, könnte für die Europäische Union jedoch schwierig werden. Dafür fehle es der EU in vielen relevanten Bereichen an Befugnissen sagt der Jugendforscher Enrique Hernández-Diez, Professor für öffentliches Recht an der Universität von Extremadura. Bei Arbeitsmarkt, sozialer Sicherung und Wohnungsbau könne die EU lediglich ihre Mitgliedstaaten unterstützen, koordinieren oder Geld und Ideen bereitstellen.

Ist die EU sichtbar genug?

Nicht immer könnten die Menschen erkennen, welchen Wert die EU für sie habe, sagt Hernández-Diez. Zudem werde die Staatengemeinschaft von nationalen Politikern gerne für unpopuläre Maßnahmen verantwortlich gemacht. Dies verzerre das Bild der EU in einigen Bevölkerungsgruppen.

Der Student George Vella beim EU-JugenddialogBild: Lucia Schulten

George Vella ist ähnlicher Meinung wie der Jugendforscher. Auch wenn die EU viel für junge Menschen tue, sei sie nicht immer "sichtbar genug", sagt der Student. Oft würden nationale Regierungen von den Initiativen der Europäischen Union profitieren.

Europas Jugend als Schwerpunktprojekt?

Die Unterstützung junger Menschen und die Generationengerechtigkeit hat die bis 2029 amtierende EU-Kommission zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt. Seit dem vergangenen Jahr hat es mehr als 35 solcher Treffen gegeben, wie das mit Aisling Giltinane und George Vella. Die Ergebnisse dieser "Jugendpolitischen Dialoge" sind öffentlich und sollen in die Gestaltung neuer politischer Maßnahmen einfließen. Weitere Initiativen sind die Einrichtung eines "Jugendbeirats" und der "Jugendcheck", mit dem aktuelle und neue Rechtsvorschriften auf ihre Auswirkungen auf junge Europäer hin überprüft werden.

Können EU-Jugendinitiativen die Skeptiker erreichen?

Weitere Formen der Jugendbeteiligung in der EU sind der "EU-Jugenddialog" und das "Europäische Jugendtreffen", zu dem alle zwei Jahre Tausende junger Menschen zusammenkommen. Diese unterschiedlichen Formate sollen eine Vielfalt an Perspektiven gewährleisten.

Ein Problem gebe es jedoch, sagt der Jugendforscher Hernández-Diez: Wer nicht an die Demokratie glaube, beteilige sich auch nicht daran. Und dennoch sei es eine lohnende Aufgabe, positive demokratische Erfahrungen für junge Menschen zu schaffen. Denn von deren Engagement hänge die Zukunft der Demokratie ab.