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KonflikteEuropa

EU und Ukraine: Unterstützung ja, schneller Beitritt nein

11. März 2022

Fünf Stunden berieten die 27 Staats- und Regierungschefs, dann verkündeten sie das Ergebnis: Die Bindungen zur Ukraine sollen gestärkt werden, doch eine rasche Aufnahme in die Europäische Union wird es nicht geben.

Ukraine-Konflikt - EU-Gipfel in Versailles
Bild: Chigi Palace Press Office/IMAGO/ZUMA Wire

In der Erklärung des EU-Gipfels im französischen Versailles vom frühen Freitagmorgen heißt es zwar: "Die Ukraine gehört zu unserer europäischen Familie." Konkrete Zusagen an Kiew mit Blick auf einen schnellen EU-Beitritt wurden jedoch auch nach den rund achtstündigen Gipfel-Beratungen nicht gemacht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen versprachen der Ukraine lediglich, die Bindungen weiter zu stärken und die Partnerschaft zu vertiefen, um sie auf ihrem europäischen Weg zu unterstützen. Mit Blick auf den am 28. Februar gestellten Aufnahmeantrag heißt es: "Der Rat hat rasch gehandelt und die Kommission aufgefordert, ihre Stellungnahme zu diesem Antrag im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Verträge abzugeben." Bis dahin "und ohne Verzögerung" wolle man aber die Partnerschaft vertiefen, "um die Ukraine auf ihrem europäischen Weg zu unterstützen".

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Gipfel in VersaillesBild: Chema Moya/IMAGO/Agencia EFE

Langer Beitrittsprozess...

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angesichts des russischen Kriegs gegen sein Land vergangene Woche die Mitgliedschaft in der EU beantragt. Der EU-Beitritt ist allerdings ein langer und komplizierter Prozess. Selbst wenn die EU-Kommission den Antrag positiv bewerten sollte, könnte allein der Start der Aufnahmeverhandlungen noch lange auf sich warten lassen, da alle EU-Staaten einverstanden sein müssen.

Die Ukraine hofft hingegen auch deutlich mehr Tempo. "Es geht nicht darum, dass wir morgen die Mitgliedschaft bekommen. Wir wollen keinen Freifahrtschein. Aber wir wollen, dass das in einem Eilverfahren geschieht, innerhalb von wenigen Jahren", sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der Deutschen Presse-Agentur.

Die EU und die Ukraine haben 2017 ein Assoziierungsabkommen geschlossen, das die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen vertiefen soll. Neben der Ukraine haben zuletzt auch Moldau und Georgien einen Beitrittsantrag gestellt. Der EU-Gipfel verwies darauf, dass man die EU-Kommission auch um eine Einschätzung dieser beiden Anträge gebeten habe.

… keine Sonderbehandlung

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte betonte nach den Beratungen, dass es keine Abkürzung beim Beitrittsprozess gebe unter Verweis auf die Beratungen zu den Verfahren für künftige Mitglieder. "Dies wäre ein Schlag ins Gesicht von Montenegro, für Serbien und Albanien und Nord-Mazedonien, die so lange gewartet haben, in den Beitrittsprozess aufgenommen zu werden", fügte er hinzu.

Die Niederlande gehören in der EU selbst zu den Bremsern bei den Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkanstaaten. "Niemand kann der EU über Nacht beitreten", sagte auch der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic zu Forderungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach einer schnellen Aufnahme seines Landes.

Hilfe für Flüchtlinge zugesagt

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben allen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine umfangreiche Hilfe zugesagt. "Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden sich weiterhin solidarisch zeigen und allen Flüchtlingen und Aufnahmeländern humanitäre, medizinische und finanzielle Unterstützung bieten", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Zugleich riefen sie Russland dazu auf, humanitären Zugang zu Opfern und Vertriebenen des Kriegs in der Ukraine zu gewähren sowie Zivilisten eine sichere Flucht zu erlauben. Russland müsse "seinen Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht uneingeschränkt nachkommen". 

Flüchtlinge aus der Ukraine in HamburgBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar mehr als 2,3 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Die EU-Staaten hatten vergangene Woche beschlossen, fast allen schnell und unbürokratisch vorübergehenden Schutz von mindestens einem Jahr zu gewähren. Die Geflüchteten dürfen sich frei in der EU bewegen, sie dürfen arbeiten und haben unter anderem ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Bildung für die Kinder.

Erst Waffen, dann Hilfe beim Wiederaufbau

Die ukrainischen Streitkräfte könnten weitere Waffen und Ausrüstung aus der EU bekommen. Nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel hat der Außenbeauftragte Josep Borrell den Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen in Versailles vorgeschlagen, für zusätzliche Lieferungen 500 Millionen Euro zu mobilisieren.

Ein erstes Paket über 500 Millionen Euro war bereits Ende Februar bewilligt worden. Das Geld wird den Planungen zufolge aus der sogenannten Europäischen Friedensfazilität kommen. Sie ist ein neues Finanzierungsinstrument der EU, das auch genutzt werden kann, um die Fähigkeiten von Streitkräften in Partnerländern zu stärken. Für den Zeitraum von 2021 bis 2027 ist die Friedensfazilität mit rund fünf Milliarden Euro ausgestattet.

Auch den Menschen in der Ukraine versprechen die EU-Staaten politische, finanzielle, materielle und humanitäre Unterstützung. "Wir werden sie nicht alleine lassen." Man sei zudem dazu bereit, Hilfe beim Wiederaufbau einer demokratischen Ukraine zu leisten, sobald der russische Angriff beendet sei.

mak/ack (dpa, afp, rtr)