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Politik

EU-Gipfel: Die Sorgen weglächeln

19. Oktober 2017

Ob Katalonien-Krise, Brexit oder Rechtspopulismus - auf die EU geht ein Tsunami beunruhigender Entwicklungen nieder. Christoph Hasselbach berichtet aus Brüssel.

Belgien Brüssel EU-Gipfel
Die großen drei Ms: Merkel, May, MacronBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Wieder einmal ein Gipfel, bei dem aktuelle Entwicklungen die Agenda durcheinanderbringen. Der Konflikt zwischen der separatistischen katalanischen Regional- und der spanischen Zentralregierung spitzt sich immer mehr zu. Da keine Seite nachgeben will, droht womöglich sogar ein Bürgerkrieg in dem wichtigen EU-Land. Trotzdem ist das offiziell kein Thema in Brüssel. Die Begründung: Das sei eine innere Angelegenheit Spaniens. Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy verbittet sich auch ausdrücklich jede Einmischung.

Immerhin scheint er die Lage zuhause im Moment als so stabil einzuschätzen, dass er sein Land für den Gipfel verlassen hat. Es hagelte Journalistenfragen, als er der Limousine entstieg, die er aber stumm und ernst ignorierte. Grundsätzlich kann er sich auf die Rückendeckung der übrigen Gipfelteilnehmer verlassen, vor allem die der beiden wichtigsten: Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich eindeutig hinter Madrid: "Wir unterstützen die Position der spanischen Regierung", gesucht werde "eine Lösung auf dem Boden der spanischen Verfassung", sprich: eine Absage an eine Abspaltung Kataloniens. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron bekundete, es gebe unter den Staats- und Regierungschefs eine "Einheit hinter Spanien". Der belgische Ministerpräsident Charles Michel, in dessen Regierung flämische Separatisten sitzen, stellte sich zwar ebenfalls hinter diese Position, verurteilte aber auch die Gewaltanwendung der spanischen Polizei in Katalonien. Das hat bereits zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Belgien und Spanien geführt.

Die Situation in Katalonien droht, außer Kontrolle zu geraten Bild: Getty Images/AFP/L. Gene

Mays Brief an die EU-Ausländer

Sehr wohl auf der Gipfel-Tagesordnung steht das Thema Brexit, wohl kaum angenehmer als der innerspanische Konflikt. Die EU-Ausstiegsverhandlungen mit Großbritannien kommen auch nach Monaten kaum vom Fleck, weil die britische Regierung und der Rest der EU unterschiedliche Vorstellungen haben. Die anderen Regierungen sind vor allem gegen den Londoner Wunsch, schon jetzt über das künftige Verhältnis und speziell über Handelsfragen zu reden. Auch über die Höhe der Austrittsrechnung für die Briten wird heftig gestritten. Geht es um 20 oder 60 Milliarden Euro?

Premierministerin Theresa May hatte kurz vor dem Gipfel in einem offenen Brief an die in Großbritannien lebenden EU-Ausländer Kompromissbereitschaft in diesem wichtigen Punkt gezeigt: "EU-Bürger, die heute rechtmäßig in Großbritannien leben, dürfen bleiben", hieß es darin, das gelte auch für deren Familien. Dafür erwartet May aber Entgegenkommen an anderer Stelle, wo genau, ist noch unklar. Der Luxemburger Xavier Bettel stellt befriedigt fest: "Die Sprache von London ist eine andere geworden." Früher habe May gesagt, gar kein Abkommen sei besser als ein schlechtes, dies habe sich offenbar geändert.

Der Streit um den Brexit wird auch innerhalb Großbritanniens erbittert ausgetragenBild: Getty Images/AFP/O. Scarff

May versuchte bei ihrer Ankunft in Brüssel auch, ein wenig von den Brexit-Verhandlungen abzulenken, indem sie sagte, es gebe schließlich noch andere wichtigen Fragen, etwa bei der Verteidigung und Terrorismusbekämpfung. Dabei, so May, werde Großbritannien "weiterhin eine uneingeschränkte Rolle spielen". Vielleicht hat ihr auch Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei auf die Sprünge geholfen. Corbyn ist nämlich ebenfalls in Brüssel, um, wie er dem Sender Sky News sagte, "dafür zu sorgen, dass die Verhandlungen in die Spur kommen".

Giftige Dämpfe aus der Küche

Nach den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden hatten viele in der EU aufgeatmet, dass Rechtspopulisten unter ihren Erwartungen geblieben waren. Mit Emmanuel Macron in Paris hat sich sogar ein ausgesprochener Europafreund an die Spitze einer Erneuerungs- und Integrationsbewegung gesetzt. Umso mehr beunruhigt viele jetzt das Wahlergebnis in Österreich. Sieger ist die stark nach rechts abgedrehte ÖVP unter dem erst 31 Jahre alten Sebastian Kurz. Er dürfte zusammen mit der rechtspopulistischen FPÖ die neue Regierung bilden. Zwar wird Österreich jetzt in Brüssel noch vom SPÖ-Kanzler Christian Kern vertreten. Doch Kurz ist ebenfalls nach Brüssel gereist, um vorsorglich mögliche Sorgen vor einem EU-kritischen Kurs zu dämpfen. "Was klar ist: Jede Regierung, die ich bilde, wird eine pro-europäische sein, eine Regierung, die in Europa aktiv mitgestalten möchte", sagte er vor einem Treffen konservativer Parteien. "Ich möchte eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland und Frankreich und anderen Staaten." Er bestritt auch, sich in Zukunft den Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe in Ostmitteleuropa zuwenden zu wollen, die strikt gegen eine Flüchtlingsverteilung sind und auch sonst entschieden auf nationale Interessen pochen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte sich im Wahlkampf für einen Beitritt seines Landes zur Visegrad-Gruppe ausgesprochen.

Statt Christian Kern (l.) dürfte bald Sebastian Kurz als österreichischer Bundeskanzler nach Brüssel fahren Bild: DW/Aureliusz M. Pędziwol

Ein Sinnbild für die momentan aufgewühlte Stimmung ist vielleicht, dass das ganz neue Ratsgebäude kurz vor dem Gipfel geräumt werden musste, zum zweiten Mal schon in einer Woche. Grund sind giftige Dämpfe aus der Küche. Ob zu viele Köche den Brei verdorben haben, ist nicht bekannt. Jedenfalls war der Umzug kein Problem: Es gibt ja noch das alte Gebäude nebenan.

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