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Politik

EU-Gipfel: Trump-Gewitter und Balkan-Frust

Barbara Wesel
17. Mai 2018

Der Streit mit Washington um das Iran-Atomabkommen und die Handelssanktionen dominiert den Gipfel in Sofia: Die EU will Trump die Stirn bieten. Und die Westbalkan-Länder müssen politisch mehr leisten.

Bulgarien EU-Balkan-Gipfel in Sofia | Donald Tusk
Donald Tusk in Sofia Bild: picture alliance/AP Photo/V. Mayo

Schon am Freitagvormittag soll das sogenannte "Blocking Statute" aktiviert werden, um den USA im Streit um das Iran-Atomabkommen mit einer deutlichen Botschaft entgegenzutreten. Mit dieser Mitteilung machte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Ende des Gipfeltreffens in Sofia noch einmal Schlagzeilen. Mit diesem Abwehrgesetz, das vor rund 20 Jahren wegen Drohungen in Bezug auf Kuba, Iran und Libyen in der EU beschlossen wurde, soll es Unternehmen verboten werden, sich US-Sanktionen zu beugen. Es musste allerdings damals nicht eingesetzt werden, weil der Streit beigelegt wurde. Deswegen gibt es jetzt keine Erfahrungen damit, wie und ob es funktioniert. Die Basis ist allerdings, dass die EU die Unternehmen für ihre Verluste entschädigt, die sie durch Verluste in den USA erleiden.

EU will Trump die Stirn bieten

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Zweifel, was die Nützlichkeit dieses Gesetzes angeht. Bei kleineren und mittleren Unternehmen könne die EU wohl Kompensationen zahlen, aber "die ganze Wirtschaft zu entschädigen, bei entsprechenden Maßnahmen der USA, da dürfen wir keine Illusionen schüren". Der Iran aber erwartet, dass ihm die Europäer wirtschaftliche Nachteile ersparen, wenn er weiter die Auflagen aus dem Atomabkommen erfüllt. Die EU ist hier in einer mehrfachen Falle: Iran stellt Forderungen, aber Großunternehmen wie Total wollen sich bereits aus dem Geschäft dort zurückziehen. Deren massive Investitionen aber können die Europäer aus ihren Mitteln nicht ersetzen. China meldet sich bereits zur Stelle. Die politische und die wirtschaftliche Seite des Konfliktes scheinen kaum beherrschbar. 

Dennoch gab es große Einigkeit bei den Europäern, dass man Trump seine "unvorhersehbaren, launischen und feindlichen" Aktionen nicht durchgehen lassen will. Zu groß war der Ärger über das arrogante Verhalten Washingtons: "Das Problem ist, wenn dein bester Freund unberechenbar ist - das ist das Letzte, was wir in Europa brauchen", erklärte Ratspräsident Donald Tusk. So etwas erwarte man von seinen Gegnern, und an Länder wie Iran habe man begrenzte Erwartungen, aber wenn so etwas von den USA käme… Es ist eine Mischung aus Ärger und Enttäuschung, die in Sofia vorherrschte.

Auch beim Streit um die angedrohten Stahl- und Aluminiumzölle versuchen die Europäer, klare Kante zu zeigen. Sie fordern eine dauerhafte Ausnahmeregelung, dann seien sie auch bereit, über die verstärkte Einfuhr von Flüssiggas, den Abbau von verschiedenen Handelshemmnissen und die Erleichterung beim Austausch von Gütern und bei öffentlichen Ausschreibungen zu reden. Aber: Die EU will nicht verhandeln, solange ihr Trump die Pistole an den Kopf hält. Das wiederholte quasi jeder Regierungschef, der in Sofia das Wort ergriff.

Angela Merkel äußerte Zweifel an der Nützlichkeit des AbwehrgesetzesBild: picture-alliance/AP Photo/D. Vojinovic

Beitrittsperspektive für den Westbalkan: Ja, aber…

Erst im März hatte die EU-Kommission unter dem Beifall des Europaparlaments verkündet, dass sie den Erweiterungszug wieder in Gang bringen wolle. Kühn nannte sie das Jahr 2025 als Zieldatum, um den sechs westlichen Balkanländern einen Anreiz für schnellere Reformen und eine konkrete Perspektive zum Beitritt zu geben.

Aber beim Gipfeltreffen in Sofia wurde deutlich, dass sie die Rechnung ohne die EU-Regierungschefs gemacht hatte. Angela Merkel sagte in ihrer bekannt nüchternen Art: "Ich halte von diesem Zieldatum nichts." Es gehe um Fortschritte in der Sache, bei Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung von Korruption und Kriminalität. Hinter den Kulissen war zu hören, dass sie in einer Reihe von bilateralen Treffen mit den Regierungschefs der Kandidatenländer oder Anwärter kräftig Druck gemacht habe. Das Problem, dass Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien, die schon Beitrittskandidaten sind, bei Reformen kaum von der Stelle kommen oder sogar zurückfallen, kennt sie schon, seit sie Bundeskanzlerin geworden ist.

Eine gute Nachricht gab es allerdings: Die Regierungschefs von Griechenland und Mazedonien glauben, sie hätten in Sofia am Rande einen Durchbruch beim Namensstreit erreicht. "Vor allem für Mazedonien hängt so viel davon ab", sagt Angela Merkel und hofft, dass der endlose Streit um den Namen "Mazedonien" jetzt mit einer Kompromissformel beigelegt werden kann. Im Juni soll die Entscheidung fallen, Mazedonien möchte im Juli bereits in die NATO aufgenommen werden. Ob das Nachbarland der Griechen dann allerdings unter Nieder-, Ober- oder Klein-Mazedonien firmieren wird, wollten die Delegationen nicht verraten.

EU ist bei neuer Erweiterungsrunde gespalten

Im Prinzip war das Gipfeltreffen in Sofia für die Balkanländer eine Enttäuschung. Zwar wurde ein Investitionsprogramm für die Verbesserung der Infrastruktur vom Internet über Bahn- bis Flugverbindungen aufgelegt, aber die entsprechenden Milliarden sind kein neues Geld, sondern stammen aus vorhandenen Töpfen.

Tatsächlich sind es vor allem geostrategische Überlegungen, die einen künftigen EU-Beitritt der Westbalkan-Staaten überhaupt auf der Tagesordnung halten. Man fürchtet den wachsenden politischen Einfluss Russlands und die wirtschaftliche Landnahme durch China im Hinterhof Europas. Aber es gibt Widerstände - etwa bei Frankreich. Präsident Emmanuel Macron machte in Sofia erneut klar, dass er die EU erst reformieren will, bevor er bereit ist, neue Mitglieder aufzunehmen. Er führt hier die Skeptiker an, die den "Sechs auf der Reservebank" keine konkreten Hoffnungen machen wollen. Dazu gehört auch der finnische Ministerpräsident Juha Sipilä: Es sei wichtig, eine Vision zu haben, aber man müsse "beim Zeitplan realistisch bleiben. Es ist zu früh, über Daten oder Jahre zu reden".

Gastgeber Borissow (r.) und Macron: Der bulgarische Premier will die Westbalkan-Staaten schneller in die EU bringenBild: Reuters/S. Nenov

Andere, wie der bulgarische Gastgeber Boiko Borrissow und der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, wollen die Westbalkan-Staaten schneller in die EU bringen. Die Bulgaren hatten mehr Tempo bei diesem Prozess zu einem der wesentlichen Ziele ihrer Ratspräsidentschaft gemacht. Beim Gipfel in Sofia sehen sie sich aber enttäuscht. Denn die Erweiterungsbeschlüsse müssen einstimmig getroffen werden und die Skeptiker bremsen. Inzwischen ist fraglich, ob wie erwartet im Juni beim Gipfel in Brüssel das Signal für den Beginn der Beitrittsgespräche mit Albanien kommt. Denn die Kritik - vor allem an albanischer Kriminalität im eigenen Land und in der weiteren EU - ist deutlich. Man müsse leider sehen, scherzte Ratspräsident Donald Tusk, dass die "Pro-Kopf Kapazität der westlichen Balkan-Länder, Probleme zu machen", um ein Vielfaches höher sei als in Deutschland und Frankreich zusammen. Der Satz enthält einen Kern echter Kritik. 

EU-Kommission kommt an ihre Grenzen

Die Institution in Brüssel, die sich am meisten für die Beitrittskandidaten einsetzt, ist die Europäische Kommission. Sie sieht gerne die Dinge etwas rosiger, als sie sind. Aber selbst Erweiterungskommissar Johannes Hahn musste einräumen: "Es gibt noch eine Menge zu tun." Alle Westbalkan-Länder hätten Fortschritte gemacht, wenn auch in unterschiedlichem Tempo. Jetzt will Brüssel etwa eine regionale Freihandelszone in Gang bringen, damit die Länder untereinander stärker kooperieren, ihre Wirtschaftsleistung steigt und die sozialen Zustände sich verbessern.

Vor allem aber sind es anhaltende Missstände bei der Rechtsstaatlichkeit, Kriminalität und Korruption, sowie endloses Zögern bei der Überwindung alter Konflikte, die die Länder zurückhalten. Ende des Jahres, so hofft man etwa im Kosovo, könne man zu einer Klärung des Status mit Serbien kommen. Erst danach kann es überhaupt einen Fortschritt in der Zusammenarbeit zwischen EU und Kosovo geben, das bislang von Spanien und einigen weiteren EU-Mitgliedern noch nicht anerkannt wird. Bei allem jahrelang demonstrierten guten Willen gerade auch in Brüssel: "Wir können nicht so tun, als ob alles in Ordnung wäre", sagt Ratspräsident Donald Tusk am Ende mit erfrischender Ehrlichkeit. 

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