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PolitikEuropa

EU-Gipfel: Umbau der Wirtschaft beschleunigen

24. März 2023

Die europäischen Banken sind stabil trotz der Verluste an der Börse, meinen die Staats- und Regierungschefs. Sie wollen die Wirtschaft grüner und resillienter aufstellen. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Deutschland Blick vom Maintower in Frankfurt am Main
Banken in Frankfurt und sonstwo in Europa sind stabil und werden genau beobachtet, sagt der EU-Gipfel Bild: picture-alliance/imageBroker/U. Kraft

Die Staats- und Regierungschefs und -chefinnen der Europäischen Union versuchen sich und die Märkte in Europa zu beruhigen. "Das Bankensystem in Europa ist stabil", sagten sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch der französische Präsident Emmanuel Macron neben vielen anderen. Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel erklärten sie, es gebe im Moment kein Risiko, dass sich in der Währungsgemeinschaft des Euro ähnliches abspielen könnte wie im Bankensektor in den USA oder bei der Credit Suisse in der Schweiz.

"Die Widerstandsfähigkeit der Banken ist in den letzten Jahren verbessert worden. Das ist das Ergebnis einschneidender Regulierung. Ich bin mir sicher, dass Liquidität und Widerstandsfähigkeit in unserem Bankensystem gut ausgebaut sind", sagte der Chef der Euro-Gruppe, der irische Finanzminister Paschal Donohue in Brüssel. "Wir werden aber nicht nachlässig jetzt. Deshalb beobachten die Aufsichtsbehörden die Entwicklung der Euro-Zone ganz genau."

"Kein Anlass zu Sorgen"

Die Inflation in der EU bleibt hoch, bei rund fünf Prozent in diesem Jahr. Deshalb wird die Europäische Zentralbank wohl weiter die Leitzinsen erhöhen, allerdings könnte die Geschwindigkeit der Erhöhungen etwas abnehmen, deutete die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, schon in den letzten Tagen an. Lagarde nimmt ebenfalls am Europäischen Gipfel teil. Die EZB geht auch davon aus, dass der Kollaps einzelner Banken in den USA die europäischen Banken nicht unmittelbar betrifft. Allerdings stürzte an diesem Freitag der Aktienkurs der Deutschen Bank in Frankfurt um zeitweise 15 Prozent ab. Die Sorgen der Anleger halten wohl noch an. "Die Deutsche Bank ist eine sehr profitable Bank. Es gibt keinen Anlass, sich Sorgen zu machen", hielt Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem EU-Gipfel in Brüssel dagegen.

Banken-Union soll vollendet werden

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, sagte nach den Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs schon gestern am späten Abend, dass die Kapitalmarktunion und die Banken-Union innerhalb der Europäischen Union weiter vorangetrieben werden müssen. Die Banken-Union hakt vor allem noch bei der gemeinschaftlichen Einlagen-Sicherung. Deutschland sperrt sich gegen eine komplette Vergemeinschaftung, weil deutsche Banken und Sparkassen nicht die Anleger in anderen EU-Staaten retten sollten, die weniger robuste Einlagensicherungssysteme haben. Der Chef der Euro-Gruppe, Paschal Donohue, mahnte ebenfalls die längst beschlossene Banken-Union nun auch wirklich einzurichten. Das gleiche gilt für die Stärkung des "Abwicklungsfonds", der dazu gedacht ist, gemeinschaftlich Banken in der Euro-Zone abzuwickeln, die nicht überlebensfähig sind.

Eurogruppen-Chef Donohue (li.) und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen lesen die letzten Meldungen beim EU-Gipfel: Alles sicherBild: John Thys/AFP

Lage in der Euro-Zone nicht schlecht

Insgesamt zog der irische Finanzminister Paschal Donohue aber ein eher positives Bild von der Lage in der EU. "Die Euro-Zone ist widerstandsfähig und wir erwarten ein Wirtschaftswachstum in diesem Jahr," sagte Donohue. Die Beschäftigungsquote sei hoch, die Energiepreise fielen. Von einer Rezession könne trotz der Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in der EU keine Rede sein. Es sei aber nötig, so der Euro-Gruppenchef, dass die Mitgliedsstaaten ihre Fiskalpolitik anpassten, weniger Geld ausgeben und weniger Kredite aufnehmen, um die Inflation nicht anzuheizen. Das sei nach der Coronakrise der richtige Weg gewesen, aber jetzt ist nach der Analyse der Experten in der EU-Kommission eher staatliche Ausgabendisziplin und Sparen statt Neuverschuldung angesagt. In diesem Zusammenhang versprachen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen, die Reform des Wachstums- und Stabilitätspaktes, der die Schuldenregeln vorgibt, ernsthaft anzugehen. Im Moment ist der Pakt, der die Neuverschuldung auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzt wegen der Coronakrise immer noch ausgesetzt.

Von der Leyen: Beim Umbau der Wirtschaft noch "Hausaufgaben" für die EUBild: John Thys/AFP

Trotz aller Schwierigkeiten sieht der Ökonom Jakob Kirkegaard von der Denkfabrik "German Marshall Fund" die EU auf einem wirtschaftlich guten Weg. "Verglichen mit den Krisen-Gipfeltreffen, die wir in der Vergangenheit hatten, wo es um das Verhindern der fiskalischen Kernschmelze ging, sind wir heute an einem ganz anderen Punkt. Wir können der Ukraine helfen, weil wir die Mittel dazu haben. Wir können es uns erlauben, über langfristige wirtschaftliche Strategien nachzudenken. Und ich bin erfreut, dass die EU-Regierungschefs genau das machen", sagte Jakob Kirkegaard der DW.

Umbau der Wirtschaft nötig

In der Tat haben die EU-Staats- und Regierungschefs die Gesetzesvorlagen der EU-Kommission begrüßt, die darauf zielen, die europäische Wirtschaft unabhängiger von Rohstoffen und Vorprodukten aus China zu machen, die Produktion von Computerchips und Batterien zurück nach Europa zu holen. Außerdem soll der Umbau hin zu einer nachhaltigen klimaneutralen Wirtschaft stärker mit EU-Mitteln gefördert werden. Das schließt auf französischen Wunsch hin auch "moderne" Nukleartechonlogie mit ein. An diesen Gesetzen werde gearbeitet, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Nur müsse alle schneller gehen. "Wir müssen technologisch vorne dabei sei", sagte Scholz. "Das ist für die EU wichtig in einer Welt, die immer weiter zusammenwächst."

Beispiel Chips-Produktion: Die EU will mehr davon nach Europa holenBild: Harald Tittel/picture alliance/dpa

Die EU setze nicht auf Subventionen und Protektionismus sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Sie kündigte an, dass im Streit mit den USA um unfaire Subventionen für die Hersteller von Elektroautos eine Lösung gefunden worden sei. "Die USA haben jetzt zugestimmt, dass europäische Autobauer den gleichen Zugang zum amerikanischen Markt und Steuervorteilen bekommen sollen wie ihre amerikanischen Mitbewerber. Rohstoffe, die in der EU erzeugt oder verarbeitet wurden, sollen genauso behandelt werden wie Rohstoffe aus den USA", teilte von der Leyen mit. Außerdem wolle man sich intensiv über die Subventionen für die Hightech-Industrie austauschen. Man wolle sich ergänzen und nicht gegenseitig Konkurrenz machen.

"Es geht zu langsam voran"

Der Chefökonom der Denkfabrik "European Policy Centre" (EPC), Fabian Zuleeg, sieht die Ergebnisse des EU-Gipfels kritisch. "Wir müssen nicht nur schneller werden, wir müssen auch intelligenter werden, was unsere Antworten angeht", sagte Fabian Zuleeg der DW in Brüssel.  Die Zeitenwende, die der Bundeskanzler ausgerufen habe, müsse in der Politik jetzt auch umgesetzt werden. Das bedeute, "dass die EU-Mitgliedsstaaten sich eben auch ihre Tabus angucken müssen, ihre Bereiche, wo sie sich nicht bewegen wollen und erkennen müssen, dass es nicht gehen wird, wenn alle auf ihren Positionen beharren." Deutschland, so der Ökonom Fabian Zuleeg, sei nicht das Land, das da vorangehe. Der Streit um den Verbrenner-Motor und efuels mit der EU-Kommission zeige, dass Deutschland eher zurückrudere in manchen Punkten. "Das ist nicht die Führung, die wir in Europa brauchen, damit es schneller vorangeht." Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ringt mit der EU immer noch um die Zusage, dass auch nach 2035 Fahrzeuge mit Ottomotoren zugelassen werden können, wenn sie aus Strom erzeugten Kraftstoff verbrennen.

Chefökonom Fabian Zuleeg vom European Policy CentreBild: European Policy Centre

Der Verband der europäischen Industrie "business europe" kritisierte die Ansätze des EU-Gipfel als zu wenig ambitioniert. Man brauche insgesamt weniger Vorschriften und weniger komplexe europäische Bürokratie meinte Verbandspräsident Fredrik Persson in einer Stellungnahme. "Eine breitere industrielle Strategie ist nötig. Die staatlichen Stellen sollten mit den Sozialpartnern zusammenarbeiten, um die Lücken bei Fachkräften und qualifiziertem Personal anzugehen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit wirklich gefährden", mahnte der Vertreter der europäischen Wirtschaftsverbände.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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