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Politik

Stillstand in der Flüchtlingspolitik

Barbara Wesel
20. September 2018

Die EU hat in Salzburg erneut festgestellt, dass sie bei der Flüchtlingspolitik in manchem einig ist und ansonsten weiter streitet. Die Gespräche brachten trotz bester Atmosphäre keinen Fortschritt.

Flüchtlinge hinter Zaun auf Zypern
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Karadjias

Die Bundeskanzlerin fand, dass die Felsenreitschule in Salzburg, wo sonst die Festspiele stattfinden, eine "außergewöhnliche Bühne" für die Gespräche mit ihren EU-Kollegen geboten habe. War da ein bisschen Ironie im Spiel? Jedenfalls war die Atmosphäre gut, das Essen reichlich. Nur Fortschritte in der Flüchtlingsfrage gab es erkennbar nicht. Selbst die Musik im Mozarteum an Donnerstag, wo die Gespräche fortgesetzt wurden, konnte die Konsensfindung nicht befördern. Die Gegensätze zwischen den Ländern, die auf unilaterale und totale Abschottung setzen und anderen, die sich flexibler verhalten, scheinen unüberbrückbar.

Gastgeber Sebastian Kurz schwärmte in höchsten Tönen, wie konstruktiv seine jüngsten Gespräche mit dem ägyptischen Regierungschaf al-Sisi verlaufen seien. Man müsse die Zusammenarbeit mit ihm und anderen nordafrikanischen Ländern vertiefen. Ägypten sei zwar auch nicht bereit, für die EU Flüchtlingslager zu errichten - wobei sich der österreichische Kanzler immer den Begriff "Ausschiffungszentren" verbittet, obwohl er die Idee im Sommer selbst in Umlauf gebracht hatte. Kairo verhalte sich sonst aber vorbildlich dabei, Boote mit Migranten von seiner Küste nicht in See stechen zu lassen und schicke die Menschen umgehend in die Herkunftsländer zurück.

Ägyptens Präsident al-Sisi: ein vorbildlicher Kooperationspartner?Bild: imago/ZUMA Press/Egyptian President Office

Alle reisen nach Ägypten

Die neu entdeckte Liebe zu Ägypten und seiner Militärregierung geht so weit, dass Ratspräsident Donald Tusk am Wochenende erneut dorthin aufbricht, um über eine intensivere Zusammenarbeit zu sprechen. Kairo scheint auf eine kaum erklärliche Weise zum neuen Mekka der EU-Flüchtlingspolitik zu werden.

Die Bundeskanzlerin bleibt da etwas nüchterner, deutet aber an, wohin die Reise gehen soll: Man sei mit Ägypten, Tunesien, Marokko und auch Libyen im Gespräch. Am Ende brauche die EU "Abkommen und Absprachen ähnlich wie mit der Türkei". Die Frage nach Lagern oder Auffangzentren irgendwo in Nordafrika scheint dabei für sie erledigt - es gebe keine Freiwilligen dafür, heißt es von deutscher Seite.

EU-Afrika-Gipfel Ende Oktober

Insgesamt aber ist es das Ziel, so bestätigt auch Angela Merkel, die illegale Migration nach Europa spätestens in Nordafrika zu stoppen. Sebastian Kurz hält sich dabei für den Vorreiter in der EU und fühlt sich mit seiner harten Politik voll bestätigt. Dabei wird nicht mehr diskutiert, ob und wie Asylberechtigte noch den Weg nach Europa finden können. Er setze da auf "Relocation" aus Lagern der Vereinten Nationen im Nahen Osten, sagt der österreichische Kanzler.

Unüberbrückbare Differenzen: EU-Ratspräsident Tusk (Mitte) stellt gemeinsam mit Österreichs Kanzler Kurz (links) und Kommissionschef Juncker (rechts) das Gipfel-Ergebnis vorBild: Getty Images/S.Gallup

Ende Oktober soll es ein weiteres Gipfeltreffen zwischen der EU und afrikanischen Ländern geben. Diese Zusammenarbeit ist inzwischen ein wichtiges Element der europäischen Strategie. Wobei die deutsche Bundeskanzlerin ehrlich eingesteht, dass man darüber nachdenken müsse, ob die EU ihr Geld richtig einsetzt und die richtigen Lösungsansätze verfolgt.

Streit um Frontex

Wenn sich auch alle bei der Abschottung Europas einig sind - über die Wege dorthin gibt es weiter Streit. Die EU-Kommission hatte eine Aufstockung der EU-Grenztruppe Frontex auf 10.000 Mann vorgeschlagen und will ihr mehr Geld und Befugnisse verschaffen. Dem stimmen einige Länder wie Deutschland zu. Andere wie Ungarn, Italien oder Griechenland wollen sich beim Grenzschutz nicht reinreden lassen und keine Souveränität abgeben.

Grenzschutzmission Frontex: Aufstockung ja, aber wie?Bild: picture-alliance/AP Photo/N. Giakoumidis

Trotzdem könne man schon vorangehen, heißt es dazu von deutscher Seite, weil ungefähr 20 Befürworter dazu bereit seien. Allerdings sei auch klar, dass man Frontex-Beamte nicht gegen den Willen eines Landes entsenden könne. Und wer das Geld dafür gibt und welche Länder die Grenzbeamten stellen, ist ebenfalls noch offen. Sebastian Kurz als temporärer Ratsvorsitzender allerdings verspricht, er werde bis Ende des Jahres eine Lösung zustande bringen.

Kernfragen weiter offen

In der Frage, ob und wie Flüchtlinge umverteilt werden könnten, die trotz aller Abwehrmaßnahmen noch in kleinerer Zahl nach Europa kommen, gibt es ebenfalls nicht einen Millimeter Bewegung. Vor allem Italien drängt darauf und will Migranten an andere abgeben. Die EU-Kommission hatte die Idee der "flexiblen Solidarität" entwickelt, um den Stillstand zu überwinden. Wer absolut keine Flüchtlinge aufnehmen wolle, wie etwa Ungarn oder Polen, müsse eben andere Leistungen erbringen - etwa Geld zahlen oder Grenzbeamte stellen. "Hierzu gab es klar kein Resultat", erklärt Angela Merkel. Und sie macht auch deutlich, dass sie nichts von der Idee hält, dass sich jeder aussuchen könne, ob und wie er sich hier beteiligt. 

Null Fortschritt ist auch bei der seit Monaten - wenn nicht Jahren - diskutierten Reform des Dublin-Asylsystems zu verzeichnen. Weder ist ein Kompromiss bei der Erstaufnahmeregelung in Sicht, die die Mittelmeerländer ungerecht belastet, noch sind Ergebnisse bei der Vereinheitlichung des Asylrechts in greifbarer Nähe. Die Regierungschefs hatten in Salzburg vermutlich angenehme Stunden in schöner Umgebung, aber Streit und Uneinigkeit bei der Flüchtlingspolitik gehen in entscheidenden Punkten weiter.

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