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Politik

EU-Gipfel sucht Spitzenpersonal

28. Mai 2019

Die Staats- und Regierungschefs beraten über den Ausgang der Europawahl und die Besetzung von Spitzenämtern. Dabei geht es auch um den mächtigen EU-Kommissionspräsidenten. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Europäische Kommission Eingang Personal
Bild: picture-alliance/Winfried Rothermel

Wenn es nach Manfred Weber, dem Spitzenkandidaten der Christdemokraten im Europäischen Parlament, ginge, könnte alles ganz einfach sein. Er steht für die größte Fraktion im Parlament und sollte deshalb von den Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel in Brüssel für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten nominiert werden. Weber, dessen Fraktion nach der Wahl vom Sonntag um 41 Sitze auf 180 Sitze geschrumpft ist, weiß, dass er keine eigene Mehrheit im Parlament hat. Deshalb hat er alle anderen Fraktionen, außer die Rechtspopulisten und die Linken, zur Zusammenarbeit aufgefordert. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale haben allerdings eigene Kandidaten und Vorstellungen, wie die Suche nach dem neuen Kommissionspräsidenten der EU ablaufen sollte.

Welche Chancen hat Weber?

Vielen der 28 Staats- oder Regierungschefs ist die Webersche Gleichung zu simpel. Erstens wollen sie sich ihr Vorschlagsrecht für den wichtigsten Posten in Brüssel nicht vom Parlament nehmen lassen, zweitens haben sie nach wie vor Zweifel an der persönlichen Eignung des deutschen Kandidaten und drittens müssen sie ein ganzes Paket von fünf Personalentscheidungen schnüren, was Kompromisse nötig macht. Manfred Weber könnte im Laufe des Prozesses, der heute erst beginnt und vielleicht im Juni endet, ein Opfer der Rücksichtnahmen werden.

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Offiziell unterstützt die konservative Bundeskanzlerin Angela Merkel den Kandidaten Manfred Weber, aber aus Diplomatenkreisen heißt es, sie sei im Sinne einer "großen europäischen Lösung" zu Kompromissen bereit. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lehnt die Logik, dass nur ein Spitzenkandidat aus dem Europawahlkampf EU-Kommissionpräsident werden kann, ab. Er unterstützt eher die liberale dänische EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Macrons Partei "Republik auf dem Weg", die in Frankreich nur zweite hinter den Rechtspopulisten war, arbeitet im EU-Parlament mit den Liberalen zusammen, zu denen wiederum Vestager gehört.

Vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs gab es eine ganze Reihe von Vortreffen, Koordinierungszirkeln und Sondierungsrunden. Die bisherigen Fraktionsvorsitzenden des Parlaments haben beraten. Der französische Präsident traf sich mit den Regierungschefs aus Spanien, den Niederlanden und Belgien. Emmanuel Macron streckte seine Fühler sogar zur eher EU-kritischen Visegrad-Gruppe aus Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn aus. Der ungarische Premier Viktor Orban propagiert zwar die "illiberale Demokratie", also das Gegenteil dessen, was der Franzose will, aber Orban lehnt auch Manfred Weber als Kandidat für den Chefsessel der Kommission ab und könnte so wieder ein Verbündeter sein.

Fünf Spitzenposten 

Zu besetzen sind neben der EU-Kommission auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, der Präsident des Europäischen Rates, der EU-Außenbeauftragte und der Präsident des Parlaments. Für die fünf Spitzenposten ist ein Gleichgewicht zwischen den großen und kleinen EU-Staaten, zwischen reichen und armen Staaten und den Parteifamilien zu berücksichtigen. Die Runde der 28 Staats- und Regierungschefs ist genauso bunt zersplittert wie die Fraktionen im Parlament. Die konservativen und liberalen Regierungschefs sind in der Mehrheit, aber einige sind auch nicht so richtig handlungsfähig. Österreich hat nach der Abwahl des konservativen Bundeskanzlers keine Regierung. Belgien ist nach nationalen Wahlen seit Sonntag ohne föderale Regierung. In Spanien, Finnland und Estland laufen Koalitionsverhandlungen. Großbritannien ist wegen des Brexits sowieso ein Sonderfall. Niemand weiß so genau, was die populistische Regierung in Italien eigentlich will. Italien hatte bislang drei Spitzenposten inne: Präsident der Europäsichen Zentralbank, EU-Außenministerin und Parlamentspräsident. Wird Rom deshalb auf eigene Kandidaten verzichten?

Ohne Merkel und Macron läuft nichts, wenn es um Entscheidungen in der EU gehtBild: picture-alliance/AP Photo/O. Matthys
Fünf Kandidaten für den Chefposten der Kommission: Manfred Weber (re.) rechnet sich große Chancen aus. Margrethe Vestager (3. von re.) könnte es auch werden.Bild: picture-alliance/dpa/F. Seco

Als wahrscheinlich gilt, dass die Staats- und Regierungschefs sich heute Abend auf ein Verfahren, aber nicht auf konkrete Namen einigen werden. Der scheidende Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, wird den Auftrag bekommen, bis zum nächten regelmäßigen Gipfeltreffen am 21. Juni einen Vorschlag für ein Personalpaket zu machen. Wahrscheinlich wird zuerst die Europäische Zentralbank vergeben. Wenn sie an den deutschen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann geht, hätten die Franzosen das Zugriffsrecht auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, lautet eine der vielen Theorien, die derzeit in Brüssel im Europaviertel diskutiert werden. "Oder vielleicht doch umgekehrt?", gibt der EU-Experte Janis Emmanouilidis zu bedenken. Am Ende, so glaubt der Direktor der Denkfabrik "European Policy Centre", könnten die Staats- und Regierungschefs auch einen Kandidaten oder eine Kandidatin für die Spitzenposten aus dem Hut ziehen, den bislang niemand auf der Rechnung hatte.

Der dienstälteste Europaabgeordnete, Elmar Brok (CDU), warnte davor, das Spitzenpersonal diesmal wieder in Hinterzimmern in Brüssel auszukungeln. Man dürfe den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl nicht den Eindruck vermitteln, sie stimmten auch über den EU-Kommissionspräsidenten ab, und hinterher so tun, als sei das alles nicht so gemeint gewesen. Brok wird dem neuen Parlament nicht mehr angehören und verabschiedet sich mit dieser Mahnung. Personalentscheidungen fallen allerdings selten in öffentlichen Debatten auf dem Marktplatz, geben EU-Diplomaten zu bedenken. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Frans Timmermans, sagte noch in der Wahlnacht, den Menschen gehe es mehr um die Themen, also Klimawandel, Umweltschutz, Migration und Wohlstand. "Die Personen sollte man nicht so wichtig nehmen. Wer die Themen anpackt ist denen egal, nur angepackt werden müssen sie", sagte der Niederländer.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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