EU-Großbritannien-Gipfel: Die neue Annäherung
19. Mai 2025
"Ein historischer Moment", schwärmt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Pressekonferenz im Prunksaal des historischen Herrenhauses Lancaster House im Herzen Londons. Von "gesundem Menschenverstand" spricht dagegen der britische Regierungschef Keir Starmer. Die Wortwahl macht deutlich, wie unterschiedlich die Interessen der beiden sind.
Starmer will das Abkommen als pragmatisch gute Lösung verkaufen, von der vor allem britische Unternehmen profitieren. Für die Europäische Union geht es auch darum, sich angesichts der Bedrohung durch Russland geopolitisch neu aufzustellen und in Großbritannien einen verlässlichen militärischen Partner zu gewinnen. Der Gipfel war der erste dieser Art seit dem Brexit von vor fünf Jahren.
Absichtserklärung mit langer To-do-Liste
In vielen Bereichen ist das Abkommen lediglich eine Absichtserklärung, viele Details müssen noch ausgearbeitet werden. Immerhin erklären beide Seiten, in Zukunft enger zusammenzuarbeiten. Das gilt für Sicherheit und Verteidigung, bei Lebensmittelstandards, bei der Fischerei und im Energiebereich.
"Die beiden haben eine lange To-do-Liste", bewertet Jannike Wachowiak, Expertin beim Thinktank "UK in a changing Europe", das Abkommen. Für sie sticht die Sicherheitspartnerschaft heraus: Die EU müsse wegen der veränderten geopolitischen Lage bei der Verteidigung umdenken und einen Weg finden, um Drittstaaten mit einzubeziehen.
Zwar sind auch hier die Einzelheiten noch unklar, aber es ist eine Grundlage geschaffen: Alle sechs Monate werden sich beide Seiten künftig treffen. Für britische Rüstungsfirmen besteht die Aussicht, sich in Zukunft am sogenannten SAFE-Programm der EU zu beteiligen. Das ist ein Beschaffungsprojekt für Militärgüter in Höhe von 150 Milliarden Euro - und ein Erfolg für Starmer.
Beim Fisch beginnen die heiklen Themen
Kompromisse musste der britische Regierungschef dagegen bei der Fischerei machen, für die nächsten zwölf Jahre noch haben EU-Flotten unbegrenzten Zugang zu britischen Gewässern - ein "Ausverkauf" sei das, schimpft die britische Oppositionschefin Kemi Badenoch.
Ein weiteres heikles Thema für Großbritannien ist das sogenannte Youth Mobility Scheme, ein Programm, das den Jugendaustausch fördert. Hier wird noch weiter verhandelt, aber es gilt als sehr wahrscheinlich, dass man sich bald einigt. Die EU hat großes Interesse an einem Austauschprogramm, britische Universitäten zählen zu den besten in der Welt. Hier habe sich die britische Position in den letzten Monaten gewandelt, sagt Jannike Wachowiak - die EU habe klar gemacht, dass es ohne ein Jugendprogramm kein Abkommen geben werde.
"Austausch ist keine Kapitulation"
Dabei will die britische Regierung alles vermeiden, woraus konservative und rechte Oppositionsparteien einen Strick drehen könnten: alles was als "Einwanderung durch die Hintertür" oder sogar als Rückkehr der Freizügigkeit interpretiert werden könnte. Keir Starmer versprach seit Amtsantritt immer wieder, die Einwanderung zu senken: "Alle Bereiche des Einwanderungssystems - Arbeit, Familie und Studium - werden verschärft, damit wir mehr Kontrolle haben", sagte Starmer erst in der vergangenen Woche. So verspricht er denn auch, die Zahl der Teilnehmer an solchen Programmen werde begrenzt werden.
Britische Jugendorganisationen begrüßen die Ankündigung: So ein Austausch sei keine "Kapitulation", sondern im Gegenteil ein großer Fortschritt, sagt Maurizio Cuttin vom British Youth Council. Junge Menschen seien vom Brexit schließlich am stärksten betroffen.
Im Ausland eröffnen sich neue Welten
Auch die junge Britin Lauren Mason hofft, dass hier schnell weiter verhandelt wird. Sie arbeitet beim European Youth Council in Brüssel, und ihr Studienjahr in Bonn, das Erasmus ihr ermöglichte, war "eines der besten Jahre meines Lebens". Gerade zwanzig und ausgerüstet mit einem monatlichen Stipendium von damals rund 500 Euro, eröffnete sich ihr eine neue Welt, erinnert sie sich: "Ich war das erste Mal in meinem Leben im Ballett."
Es ging um viel mehr als nur darum, eine neue Sprache zu lernen: "Ich musste mich plötzlich allein zurechtfinden, ein Bankkonto eröffnen, mich um ein Telefon kümmern." Empathie habe sie in diesem Jahr gelernt. Vor allem aber auch Belastbarkeit und Durchhaltevermögen. Nun hofft sie, dass junge Briten in Zukunft wieder ähnliche Erfahrungen machen werden.
Die Wirtschaft setzt ebenso auf Mobilität
In der Wirtschaft hofft man ebenso auf Fortschritte bei der Jugendmobilität, sie könnte "neuen Schwung" in das Wirtschaftswachstum bringen, sagt der einflussreiche britische Unternehmerverband CBI. Insgesamt bewertet die Wirtschaft das Abkommen positiv. Dass sich London in Sachen Lebensmittelhygiene wieder an EU-Standards orientieren will, dürfte den Handel erleichtern. Das wäre laut CBI ein "großer Gewinn" für britsche Unternehmen.
Das Abkommen zeige, dass sich das Klima in den gegenseitigen Beziehungen deutlich verbessert habe, sagt auch Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer.
So sehr sich die Briten mit diesem Abkommen auch auf die EU zubewegen: Starmers Regierung wird weiterhin auf wichtigen Prinzipien beharren. Und eine Rückkehr in die EU steht nach wie vor außer Frage.