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Politik

EU will Brexit-Lücke durch höhere Beiträge füllen

10. Januar 2018

Obwohl der Nettozahler Großbritannien die EU verlässt, will EU-Kommissar Oettinger die Ausgaben erhöhen. Wo soll das Geld herkommen? Hartes Feilschen steht bevor. Bernd Riegert aus Brüssel.

Brüssel, Günther Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal
Oettinger: Jeder muss sich bewegen, um einen vernünftigen Haushalt zu bekommenBild: DW/B.Riegert

EU-Haushaltsminister Günther Oettinger will die Finanzlöcher, die sich durch den Brexit ergeben, mit Plastiktüten stopfen. Man müsse neue Finanzierungsinstrumente finden, um die Einnahmen der EU zu vergrößern, sagte der deutsche Kommissar in Brüssel. Seine Idee: Eine neue europaweite Steuer auf Plastiktüten und Plastikverpackungen. "Plastik wird das Umweltproblem der Zukunft sein", orakelte Oettinger vor Journalisten nach der Sitzung der EU-Kommission. Da kann man seiner Ansicht nach gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Müll vermeiden helfen und Geld für die EU auftreiben, das ihr durch das Ausscheiden des Nettozahlers Großbritannien ab 2020 fehlen wird.

Mehr Geld für die EU gefordert

Allerdings wird eine Plastikmüll-Steuer, deren Höhe und genaue Ausgestaltung sich die EU-Kommission noch ausdenken muss, die Lücke von rund 15 Prozent, die die Briten im Haushalt hinterlassen werden, alleine nicht füllen. Die Hälfte dieser Lücke soll durch Einsparungen im EU-Haushalt geschlossen werden. Die andere Hälfte soll durch Mehreinnahmen, also höhere Beiträge aus den Mitgliedsstaaten und durch neue Quellen, wie eben neue Steuern und Abgaben, aufgebracht werden.

Rund 150 Milliarden Euro verteilt die EU jedes Jahr in den Mitgliedsstaaten. Das ist rund ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der gesamten EU. Dieser Anteil sollte, so schlägt Oettinger vor, mittelfristig auf "1,1 Prozent plus x" steigen, da auf die EU neue Aufgaben bei der Migration, der Bekämpfung von Fluchtursachen und der Terrorabwehr zukämen. Gespart werden soll gleichzeitig in allen Haushaltsbereichen - mit zwei Ausnahmen: der Forschungs- und Innovationsförderung sowie dem Stipendienprogramm "Erasmus" für Studenten und junge Berufstätige.

Kein Extra-Budget für die Euro-Zone

Gespart werden soll erstmals auch bei den Agrar-Subventionen. Dagegen hatte sich bislang Frankreich als größter Nutznießer dieses Haushaltspostens mit Händen und Füßen gewehrt. Der neue französischen Präsident Emmanuel Macron ist nun bereit, hier die Axt anzulegen. Im Gegenzug hatte er wohl erwartet, dass die EU-Kommission auch einen eigenen Investitionsetat für die Eurozone vorschlägt. Doch das verweigerte Haushaltskommissar Oettinger heute. Ein eigener Etat für die Währungsgemeinschaft sei nicht sinnvoll, beschied der Kommissar. Die 19 Euro-Staaten machten bereits 85 Prozent des EU-Haushalts aus. "Warum sollten wir die übrigen 15 Prozent also ausschließen?", fragte Oettinger. Außerdem sei es ja das Ziel der EU-Kommission möglichst bald alle EU-Staaten auch in die Eurozone zu holen.

Mehrkosten für die Nettozahler

Günther Oettinger kündigte an, dass heutige Nettozahler (s. Grafik) nur "gemäßigte" Steigerungen ihrer Beiträge zu verkraften hätten. Der deutsche Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, der am Montag an einer Budget-Konferenz in Brüssel teilnahm, sieht darin kein Problem. Deutschland könne mehr zahlen. "Das Ziel ist berechtigt." Allerdings schränkte der SPD-Politiker angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin ein, es handele sich um seine "private Meinung". Offiziell hatte die Bundesregierung noch im Oktober darauf bestanden, dass die EU-Strukturförderung für die ostdeutschen Bundesländer erhalten bleibt. Die könnte nämlich laut einer Studie den Sparmaßnahmen komplett zum Opfer fallen.

Oettingers Plänen völlig ablehnend steht Österreichs neuer nationalkonservativer Europaminister gegenüber. Gernot Blümel sagte, Österreich werde nicht mehr zahlen, im Gegenteil: "Eine kleinere EU müsse auch ein kleineres Budget bedeuten." Diesen Einwand nimmt der Haushaltskommissar offenbar ernst, denn Oettinger kündigte auf Nachfrage an, dass die EU-Kommission nach dem Brexit in "moderatem Umfang" Personal abbauen werde.

Visegrad-Staaten kritisieren die EU, nehmen aber gerne die Fördermittel entgegen (Archiv)Bild: picture-alliance/dpa/PAP/R. Pietruszka

Widerspruch gegen Sparpläne

Ganz andere Interessen verfolgen beim Streit um den Haushaltsrahmen, der bis 2027 gelten soll, die Nettoempfänger. Ungarn besteht darauf, dass die Strukturmittel zur Förderung ländlicher Regionen nicht angetastet werden. "Diese Politik hat nur Gutes bewirkt und darf nicht verändert werden", sagte Janos Lazar, ein hochrangiger Mitarbeiter der ungarischen Regierung in Brüssel. Auch die ehemalige polnische Regierungschefin Beata Szydlo hatte Kürzungen pauschal abgelehnt. Polen habe ein natürliches Recht auf das Geld, hatte Szydlo stets betont. Oettinger konterte, dass überall gespart werden müsse. Daran führe kein Weg vorbei.

Ohne Rechtsstaatlichkeit kein Geld?

Um Staaten wie Ungarn oder vor allem Polen auf Linie zu bringen, denkt die EU-Kommission laut über eine Verknüpfung von Hilfsgeldern mit der Rechtsstaatlichkeit eines Empfängerstaates nach. Geld nur bei Wohlverhalten, könnte also die Kurzformel lauten. Gegen Polen hat die EU-Kommission ein Verfahren wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet. Im März sollen konkrete Vorschläge kommen, ob und wie Polen oder anderen Staaten der Geldzufluss gedrosselt werden soll, um die Einhaltung der EU-Grundwerte durchzusetzen. "Wir brauchen dazu aber Einstimmigkeit", schränkte EU-Kommissar Oettinger ein. "Alle müssen sich bewegen, sonst kommen wir nie in der Mitte an." Man werde aber "intensiv ausleuchten", welche Bedingungen an die Auszahlung von Mitteln geknüpft werden könnten.

Haushaltsverhandlungen in der EU sind traditionell hart und unerbittlich. Beim Geld hört zwischen EU-Staaten die Freundschaft auf. Erschwerend kommt diesmal neben dem Brexit und dem Verlust eines großen Nettozahlers ein sehr enger Zeitplan hinzu. Den konkreten Haushaltsplan für 2020 bis 2027 will Günther Oettinger erst im Mai vorlegen. Bereits ein Dreivierteljahr später soll er verabschiedet werden, damit er aus dem Wahlkampf für das Europaparlament im Frühjahr 2019 herausgehalten werden kann. In einer solch kurzen Zeitspanne ist bislang noch nie ein Haushaltsrahmen für die EU gezimmert worden.

Macrons Pläne für die Eurozone umstritten

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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