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EU in der Zwickmühle

Bernd Riegert2. März 2014

Verurteilen, Aufregen, Tadeln. Die Mittel der EU, Russland in der Krim-Krise zur Vernuft zu bringen, sind begrenzt. Russland, größter Energielieferant, bleibt unbeeindruckt. Welche Möglichkeiten bleiben?

Catherine Ashton (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton (Artikelbild) hat den Rahmen für das Krisentreffen der 28 EU-Außenminister am Montag (03.03.2014) in einer schriftlichen Erklärung bereits abgesteckt. Sie verurteilte das russische Vorgehen auf der Krimhalbinsel. "Das ist eine unberechtigte Handlung, die die Spannungen verstärkt", erklärte Ashton und forderte Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, von der Ermächtigung des Parlaments, Truppen in der Ukraine einzusetzen, keinen Gebrauch zu machen. Sie erinnerte Putin darin, dass er mit den Truppenbewegungen gegen internationales Recht verstoße, zum Beispiel gegen die Regeln der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Außenminister der EU werden erneut fordern, dass die Souveränität und staatliche Einheit der Ukraine respektiert werden müsse.

Auch das hat die EU-Außenbeauftragte bereits formuliert. Aber was passieren soll, wenn Russland die Krimhalbinsel weiter besetzt hält und es gar zu Kampfhandlungen mit der ukrainischen Armee kommen sollte, darüber gibt es bislang keine Aussage. Über den "Preis", so hat es US-Präsident Barack Obama genannt, den Wladimir Putin für sein Krim-Abenteuer zahlen müsse, werden die EU-Außenminister beraten. Dabei stecken sie in einer Zwickmühle, so EU-Diplomaten. Denn wer glaubhaft drohen will, muss eine wirksame Strafe in der Hinterhand haben. Was kann die EU auf den Tisch legen, um den russischen Präsidenten zu beeindrucken?

Außenbeauftragte Ashton beim ukrainische Präsident Turtschinow (24.02.2014)Bild: picture-alliance/dpa

Diplomatisches Piesacken

Die EU könnte geplante Treffen und Konferenzen mit Russland absagen, zum Bespiel das G-8-Treffen in der Olympiastadt Sotschi. Die EU trifft sich alle halbe Jahre mit Russland zu Gipfeltreffen, um über den Ausbau der Beziehungen zu beraten. Die könnte man auch aussetzen. Die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen, das jenes aus dem Jahr 1994 ersetzen soll, laufen ohnehin schleppend. Die EU könnte den Fahrplan für gegenseitige Energiegeschäfte, der im letzten Frühjahr bis 2050 festgelegt wurde, auf Eis legen.

Sanktionen gegen Personen

Präsident Wladimir Putin, Angehörige seines engen Führungskreises oder führende Persönlichkeiten auf der Krim könnte die EU mit Einreiseverboten oder Kontosperren drohen. Wohlhabende Russen haben im europäischen Ausland, insbesondere auf Zypern, große Vermögen geparkt. Die Sanktionen müssten sehr gezielt sein, um Wirkung zu erzielen. Die angedrohten Strafmaßnahmen gegen die Führungsclique des abgesetzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch wurden bis heute nicht verhängt.

Wirtschaftssaktionen trotz Abhängigkeiten

Russland ist laut EU-Kommission der drittgrößte Handelspartner der EU mit rund 300 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Die EU ist umgekehrt der größte Handelspartner und Investor für Russland. Handelsbeschränkungen hätten sicherlich einen spürbaren Effekt, würden aber immer beide Seiten treffen. Denn Russland würde, da ist man sich in der EU-Kommission sicher, mit Gegen-Sanktionen reagieren. Handelsbeschränkungen wären auch rechtlich nicht so einfach, weil Russland als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO ebenso wie die EU-Staaten gewisse Schutzrechte genießt.

Der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und die grüne Europaabgeordnete und Ukraine-Kennerin, Rebecca Harms, haben schon oft darauf hingewiesen. Die EU ist auf Energieimporte aus Russland angewiesen, aber Russland ist auch von der EU als Gas- und Ölkunden stark abhängig. Zwei Drittel der russischen Export-Erlöse stammen nach Statistiken der Internationalen Energieagentur (IEA) aus Energieverkäufen an die EU.

Ein Bild aus besseren Tagen: Catherine Ashton, Wladimir Putin, José Barroso und Sergej Lawrow (v.l.n.r.) beim Gipfel 2010Bild: dapd

Dieses Abhängigkeitsverhältnis lässt sich aber nur langfristig ändern. Seit der letzten Gaslieferkrise im Jahr 2009 versucht die EU massiv, die Bezugsquellen für Erdgas auszuweiten und die Lieferwege russischer Kontrolle zu entziehen. Dabei wurden erste Erfolge erzielt: Der Lieferanteil russischen Gases nach Europa sinkt. Im Moment bezieht Europa noch rund ein Viertel seines Gases aus Russland. Beim Erdöl allerdings ist der Trend umgekehrt. Hier wächst der russische Lieferanteil. Einige EU-Länder, wie die baltischen Staaten, sind zu großen Teilen von Russlands Energiezufuhr abhängig. Die könnte der Kreml in einem sich zuspitzenden Konflikt quasi als Energie-Geiseln nehmen, wenn er den Gashahn zudrehen würde.

Militärische Mittel

Ein direktes militärisches Eingreifen in den sich entwickelnden Konflikt kommt weder für die EU-Mitgliedsstaaten noch für die NATO in Frage. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Eine Bestandspflicht besteht also nicht. Als Russland und Georgien 2008 in einen Krieg verwickelt waren, haben NATO und EU ebenfalls nur mit diplomatischen Mitteln reagiert. Die EU vermittelte ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Russland und Georgien. Die NATO setzte ihre Zusammenarbeit mit der russischen Seite im NATO-Russland-Rat vorübergehend aus. Die NATO-Verteidigungsminister hatten am Rande ihrer Tagung in Brüssel am vergangenen Mittwoch auch kurz über militärische Optionen in der Ukraine-Krise gesprochen. Ein Eingreifen der NATO wurde ausgeschlossen, allerdings war zu dem Zeitpunkt die Krim noch nicht faktisch von Russland besetzt worden.

Wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine

Die EU-Außenminister werden am Montag über wirtschaftliche Hilfen für die Übergangsregierung in der Ukraine sprechen. Insgesamt sollen kurzfristig aus EU-Kassen und bilateral zwei bis vier Milliarden Euro aufgebracht werden. Man könne und wolle die neue Regierung, die ja erst nach der erfolgreichen Vermittlung durch die Außenminister Steinmeier (Deutschland), Sikorski (Polen) und Fabius (Frankreich) ins Amt gekommen ist, nicht im Regen stehen lassen, heißt es in Brüssel. Eine wirtschaftlich kollabierende Ukraine würde im Streit mit Moskau wohl den Kürzeren ziehen. Wenn das Geld nicht über die üblichen Mechanismen des Internationalen Währungsfonds beschafft und verliehen werden könne, wolle man andere Wege finden, so EU-Diplomaten.

Vermittler Steinmeier (Mi.) in Kiew: Alles schien gut zu werdenBild: Reuters

Der Schweizer Außenminister Didier Burkhalter ist zurzeit Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Er hat in Bern vorgeschlagen, die OSZE als Plattform für einen konstruktiven Dialog zu nutzen. "Ich fordere alle beteiligten Staaten auf, von einseitigen Aktionen Abstand zu nehmen und stattdessen Verhandlungen in bilateralem oder internationalem Format zu führen. Die OSZE bietet dazu Gelegenheit." Der Organisation gehören neben den EU-Staaten auch Russland, die Ukraine und die USA an. Die OSZE hat in zahlreiche Konflikte Beobachter entsandt.

Nach dem Außenministertreffen der EU will die Außenbeauftragte Lady Ashton mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow sprechen und dann am Mittwoch nach Kiew reisen. Der Gesprächsfaden soll nicht abreißen.

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