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KonflikteNahost

EU: Israel ignoriert Aufrufe der Partner

11. Dezember 2023

Diese Kritik erhob Chefdiplomat Borrell bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel. Ein Ende der blutigen Kämpfe im Gazastreifen ist indes weiter nicht in Sicht.

Josep Borrell bei Ankunft für den Außenministerrat der EU in Brüssel 2023 | Europäische Außenpolitik
Statement in Brüssel: der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Bild: Kenzo Tribouillard/AFP

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat Israel vorgeworfen, Aufrufe von Partnern wie der Europäischen Union zu ignorieren. "Wir haben unter anderem bei G7-Treffen gesagt, dass Israel im Süden von Gaza nicht die gleiche Taktik anwenden sollte, die es im Norden angewendet hat", sagte Borrell am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel mit Blick auf Gespräche in der G7-Gruppe führender demokratischer Industriestaaten. Die Bombardierung gehe nun aber mit außerordentlicher Intensität weiter. "Es ist das Gleiche, wenn nicht sogar noch schlimmer." 

Kritik übte Borrell auch an den Vereinigten Staaten, die zuletzt im UN-Sicherheitsrat in New York einen Aufruf zu einer neuen humanitären Waffenruhe für den Gazastreifen mit einem Veto blockiert hatten. Der EU-Chefdiplomat aus Spanien bezeichnete die Entscheidung als bedauerlich.

Auch extremistische israelische Siedler im Fokus

Bei dem Außenministertreffen ging es auch um die Frage, ob gegen extremistische israelische Siedler EU-Einreisverbote verhängt werden sollten. Nach der Runde erklärte Borrell, er werde den EU-Staaten einen Vorschlag nach US-Vorbild unterbreiten. Die Vereinigten Staaten hatten vergangene Woche Visa-Sanktionen gegen jüdische Siedler verhängt, die Gewalt gegen palästinensische Zivilisten im besetzten Westjordanland ausüben. Die USA wollen demnach jedem die Einreise verweigern, der "den Frieden, die Sicherheit oder die Stabilität im Westjordanland untergräbt".

Zugleich prüften die Außenminister, ob sich die Strafmaßnahmen gegen die militant-islamistische Palästinenser-Organisation Hamas noch weiter verschärfen lassen. Am Freitag hatte die EU schon den Kommandeur des bewaffneten Arms der Hamas, Mohammed Deif, sowie dessen Vize Marwan Issa auf ihre Terrorliste gesetzt. Beide gelten als Planer des schlimmsten Massakers in der Geschichte Israels, bei dem die Hamas mehr als 1200 Menschen tötete. Etwa 240 Menschen verschleppte die Hamas als Geiseln in den Gazastreifen. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und seit Ende Oktober mit einer Bodenoffensive in dem Gebiet. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der Europäischen Union, den USA und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Israel: Mehr als 22.000 Ziele attackiert

Die israelischen Streitkräfte haben seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor gut zwei Monaten nach eigenen Angaben mehr als 22.000 Ziele angegriffen. Das von Israel abgeriegelte palästinensische Küstengebiet am Mittelmeer ist flächenmäßig nur etwas größer als die Stadt München. 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte die Kämpfer der Hamas auf, ihre Waffen niederzulegen. "In den letzten Tagen haben sich Dutzende Hamas-Terroristen unseren Streitkräften ergeben", sagte er in einer Video-Botschaft. Der Krieg werde noch andauern, "aber das ist der Anfang vom Ende der Hamas", betonte Netanjahu. "Zu den Terroristen der Hamas sage ich: Es ist aus. Sterbt nicht für (den Chef der Hamas im Gazastreifen) Sinwar. Ergebt euch - jetzt."

Ein schwerer Panzer feuert aus dem Süden Israels auf ein Ziel im GazastreifenBild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

Hamas will weiterkämpfen

Ein Sprecher des bewaffneten Arms der Hamas kündigte eine Fortsetzung der Kämpfe gegen die israelischen Truppen an. Er betonte zugleich, keine Geisel werde den Gazastreifen lebend verlassen, wenn die Forderungen seiner Organisation nicht erfüllt würden. Nach israelischen Angaben befinden sich noch 137 Geiseln in den Händen der Hamas und ihrer Verbündeten. Ende November hatte ein Hamas-Vertreter gesagt, man sei zur Freilassung von Geiseln, auch israelischer Soldaten, bereit, wenn im Gegenzug alle palästinensischen Häftlinge in Israel freigelassen würden.

Im Gazastreifen sollen nach Darstellung der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen rund 18.000 Menschen getötet und fast 50.000 verletzt worden sein. Diese Zahlen lassen sich unabhängig nicht überprüfen. Israel gab die Zahl seiner getöteten Soldaten am Montag mit 432 an, 104 davon seit Beginn der Bodenoffensive. 

WHO fordert sofortige humanitäre Hilfe

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine sofortige humanitäre Nothilfe für die Menschen im Gazastreifen verlangt. Die 34 Mitgliedstaaten des WHO-Exekutivrats riefen in einer einstimmig verabschiedeten Resolution zur "sofortigen, dauerhaften und ungehinderten Weiterleitung humanitärer Hilfe" in das Palästinensergebiet auf. Medizinischem Personal müsse die uneingeschränkte Einreise erlaubt werden. Zudem müsse die Versorgung der Zivilbevölkerung mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung sichergestellt werden. Außerdem forderte das Gremium auf einer Dringlichkeitssitzung Ausreisegenehmigungen für Patienten. Der Resolutionsentwurf war von Afghanistan, Marokko, Katar und dem Jemen eingebracht worden.

Dieser Palästinenser hatte in Rafah Glück - er bekam eine Flasche mit Gas zum KochenBild: Hatem Ali/AP Photo/picture alliance

Epidemische Krankheiten auf dem Vormarsch

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte in Genf, es gebe im Gazastreifen besorgniserregende Anzeichen für epidemische Krankheiten wie blutiger Durchfall, Gelbsucht und Atemwegsinfektionen. Zugleich stehe das Gesundheitssystem im Gazastreifen kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch. Von 36 Krankenhäusern seien nur noch 14 teilweise funktionsfähig, davon nur zwei im Norden, sagte Tedros.

Durch die Kämpfe wurden etwa 1,9 Millionen Menschen im Gazastreifen - etwa 85 Prozent der Bevölkerung - vertrieben. Die meisten von ihnen sind inzwischen Richtung Süden geflohen. Die Region Rafah an der Grenze zu Ägypten ist zu einem riesigen Flüchtlingslager geworden.

Trotz ihrer Zustimmung zu der WHO-Resolution äußerten einige westliche Länder Kritik an dem Text. Die US-Diplomatin Bathsheba Crocker bemängelte "die mangelnde Ausgewogenheit der Resolution". Kanada sprach von einer "Kompromiss-Resolution". Australien kritisierte, dass die Resolution nicht ausdrücklich auf den brutalen Hamas-Angriff auf Israel Bezug nehme, der "der Katalysator für die derzeitige verheerende Situation" gewesen sei.

sti/wa/kle/se/sth/MM (afp, dpa, rtr, epd)

 

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