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EU kann keinen Völkermord erkennen

10. August 2004

Eine Delegation der Europäischen Union (EU) im Sudan hat keine Beweise für einen Völkermord in Darfur gefunden. Es gebe aber Zweifel am Willen der Regierung in Khartum, die Zivilbevölkerung zu beschützen.

Über eine Million Menschen sind auf der FluchtBild: AP


"Wir haben dort nicht die Situation eines Genozids", sagte Pieter Feith am Montag (9.8.2004) in Brüssel nach seiner Reise in den Sudan. Feith ist Berater des Koordinators der EU-Außenpolitik Javier Solana. "Aber es ist klar, dass das Töten weit verbreitet ist, im Stillen und langsam weiter geht und die Dörfer noch immer brennen." Der US-Kongress hatte das Plündern, Töten und Niederbrennen in Darfur als Völkermord bezeichnet.

Zweifel an Khartum

Feith sagte, er hege Zweifel an der Bereitschaft der sudanesischen Regierung, bei der Entwaffnung der Dschandschauid-Miliz zu kooperieren. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass bei Überfällen der Milizen 30.000 bis 50.000 Menschen getötet wurden. Die sudanesische Regierung bezweifelte diese Zahlen. Nach Angaben des sudanesischen Außenministers Mustafa Osman Ismail seien 5000 Menschen ums Leben gekommen. Bei einer Pressekonferenz in Kairo wies Ismail die Zahlen der Vereinten Nationen zurück. "Wer solche Zahlen anführt, muss uns Namen nennen und uns Gräber zeigen", sagte er. Unter den Toten seien 486 sudanesische Polizisten.

Feith fügte hinzu, die EU und andere Mächte hätten aber keine andere Chance als mit der Regierung in Khartum zusammenzuarbeiten, um den Frieden in die Region zu bringen, denn niemand sei bereit zu einem größeren Militäreinsatz. Die sudanesische Regierung hatte zuvor erklärt, sie rechne damit, innerhalb der von den UN gesetzten Frist die Krisenregion Darfur zu befrieden. Ismail versicherte, die Regierung werde die von den UN geforderten "sichtbaren Fortschritte" in den Bereichen Sicherheit, Politik und Menschenrechte vorweisen können. "Uns bleibt wenig Zeit, aber wir glauben, wir schaffen es", sagte Ismail. Die UN hatte der sudanesischen Regierung eine Frist bis Ende August gesetzt, die arabischen Reitermilizen in Darfur zu entwaffnen.

Sudan sagt Kooperation zu

Unterdessen hat die sudanesische Regierung dem mit der UN ausgehandelten Friedensplan für die Krisenregion zugestimmt. Das Kabinett unter Vorsitz von Präsident Omar el Baschir habe die Vereinbarung als "Zeichen der moralischen Verantwortung" beschlossen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur SUNA am Montag.

Der zwischen dem UN-Sondergesandten Jan Pronk und dem sudanesischen Außenminister Ismail ausgehandelte Plan sieht unter anderem die Schaffung von Schutzzonen für Zivilisten innerhalb von 30 Tagen vor. Außerdem sollen Zufahrtsrouten zu Flüchtlingslagern gesichert und bewachte Konvois für Hilfstransporte organisiert werden.

Sudan sucht Verbündete

Ismail zeigte sich erfreut, dass die Arabische Liga und die Afrikanische Union erklärt hätten, es habe keine ethnischen Säuberungen und keinen Völkermord im Sudan gegeben. Die UN hatten die Vorgänge in Darfur als Völkermord verurteilt. Sollten die UN versuchen, Sanktionen gegen den Sudan zu verhängen, würden sich sicher mehr Länder ihrer Stimme enthalten, als dies bei der Verabschiedung der Resolution der Fall war, sagte der Minister.

Ferner erklärte sich Khartum zu neuen Friedensgesprächen mit den schwarzafrikanischen Rebellen aus der Krisenregion bereit. Ismail nahm am Montag eine Einladung der Afrikanischen Union zu einer neuen Verhandlungsrunde an, die am 23. August in Nigeria stattfinden soll. Die sudanesische Regierung werde ohne Vorbedingungen in die Gespräche gehen, sagte er. Die Rebellen äußerten sich zunächst nicht zu der Initiative.

Bruderkrieg im Sudan

Die letzte Verhandlungsrunde im Juli war von den Rebellen abgebrochen worden. Sie werfen der Regierung vor, sich über bestehende Friedensabkommen hinwegzusetzen. Die

schwarzafrikanischen Rebellen hatten sich vor eineinhalb Jahren gegen die Regierung in Khartum erhoben, weil sie sich bei der Verteilung der Ressourcen in Darfur gegenüber arabischen Stämmen benachteiligt sahen. Khartum soll daraufhin arabischstämmige Milizen bei Angriffen auf Dörfer schwarzafrikanischer Stämme unterstützt haben.

Ruanda kündigte unterdessen an, noch in dieser Woche Truppen nach Darfur zu entsenden. Die insgesamt 145 Soldaten würden im Rahmen des Einsatzes der Afrikanischen Union in die westsudanesische Region entsandt.

In Darfur sind in den vergangenen 18 Monaten rund 1,2 Millionen Bewohner vertrieben worden. Fast 200.000 sind in den benachbarten Tschad geflohen. (ali)

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