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Politik

EU will Klimapolitik umkrempeln

11. Dezember 2019

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergleicht ihren "Green Deal" zum Klimaschutz mit der Mondlandung. "Das ist so ein Moment", sagte sie in Brüssel. Hier sind die Vorschläge.

Mondlandung 1969
Bild: picture-alliance/dpa/NASA/CNP

Klimaschutz ist in. Die überwältigende Mehrheit der Menschen in der EU wünschen sich Umfragen zufolge mehr Maßnahmen zur Begrenzung klimaschädlicher Abgase. Greta Thunberg, die junge schwedische Aktivistin, hat eine weltweite Bewegung ausgelöst. In Madrid verhandelt die Klimakonferenz der Vereinten Nationen gerade über die nächsten Schritte. Die neue EU-Kommission will Vorreiter sein und hat die Bekämpfung des Klimawandels unter dem Label "Green Deal" zum Schwerpunkt ihrer Politik erklärt.

Im Europäischen Parlament hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Bündel von 50 Vorschlägen präsentiert. "Das ist so etwas wie Europas Moment der Mondlandung", sagte sie, um ihrem Vorschlag einen Hauch historischer Bedeutung zu geben. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren." Bereits im März soll die EU ein "Klimagesetz" auf den Weg bringen, das festschreibt, dass die EU im Jahr 2050 "klima-neutral" wirtschaften soll. Das heißt: Die dann ausgestoßenen Emissionen von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen sollen, aufgewogen durch technische Einlagerung im Boden oder Aufforstung, in der Bilanz Null ergeben.

Mission Klima: Ein kleiner Schritt für von der Leyen, ein großer Schritt für Europa?Bild: picture-alliance/dpa/AP/F. Seco

Hier sind die wichtigsten Vorschläge des "Green Deal":

Carbon-Steuer einführen

Stufenweise soll eine "Kohlenstoff-Steuer" auf die Verwendung von fossilen Brennstoffen eingeführt werden. Der Verbrauch von Kohle, Gas und Mineralöl soll so drastisch vermindert werden. Kombiniert werden könnte die Steuer mit einer Ausweitung des Handels mit Emissionsrechten auf weitere Sektoren wie den Straßenverkehr oder die Erzeugung von Heizwärme.

Emissionshandel ausweiten

Der Preis für die Lizenz zum Verschmutzen im Emissionhandel soll steigen. Außerdem sollen auch Bereiche wie der Flugverkehr die Verschmutzungsrechte, die zentral von der EU-Kommission verwaltet werden sollen, nicht mehr gratis zu erhalten. Das soll dazu führen, das Fliegen teurer wird und die Zahl der Flüge abnimmt. Auch der Schiffsverkehr soll in den Emissionshandel einbezogen werden.

Emissionen sollen kosten: Das deutsche Braunkohlekraftwerk JänschwaldeBild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Investitionen fördern

Staaten und private Unternehmen sollen große Summen für neue Infrastruktur für Elektromobilität, also für Elektroautos in der gesamten EU, aufwenden. So sollen eine Million Ladestationen für E-Autos entstehen. Außerdem sollen mehr Windparks auf See und an Land sowie umweltfreundlichere Gaskraftwerke gebaut werden. Die EU-Kommission spricht von rund 2,6 Billionen (2600 Milliarden) Euro, die im nächsten Jahrzehnt notwendig sind. Die Europäische Investitionsbank soll mehr Kredite für klimafreundliche Projekte zur Verfügung stellen. Die bessere Isolierung von Häusern und der Einbau von umweltfreundlichen Heiz- und Lüftungsanlagen soll gefördert werden.

Ausgleichszoll an der Grenze

Energieintensive Industriezweige wie die Stahl- und Aluminiumindustrie, die jetzt noch Ausnahmen vom Emissionshandel genießen, sollen nach und nach den gleichen Regeln unterworfen werden wie alle übrigen Branchen. Um Wettbewerbsnachteile mit billigeren Produzenten etwa aus den USA oder China auszugleichen, die keine verschärften Umweltstandards einhalten müssen, könnte eine neue Steuer oder ein Zoll auf entsprechende Importe eingeführt werden. Dies könnte scharfen Widerstand der USA, Chinas und anderer Produzenten hervorrufen und neue Handelskonflikte erzeugen. Möglich wäre auch eine "Kohlendioxidsteuer" für alle Produkte auf dem EU-Markt. Diese würde aber auch Exporte aus Europa verteuern.

Grüne Schulden erlauben

Investitionen und Finanzprodukte, die als umweltfreundlich eingestuft werden, könnten steuerlich begünstigt werden. Staatliche "grüne Investitionen" könnten künftig aus den Schulden heraus gerechnet werden. Dieser Vorschlag ist allerdings bei Finanzpolitikern höchst umstritten. Noch gibt es keine Einigkeit, was ein "grünes Finanzprodukt" überhaupt ist.

Verbraucherpreise anheben

Private Verbraucher sollen mehr für fossile Brennstoffe, Benzin, Heizöl und Gas zahlen. Damit soll ein Umstieg auf saubere Elektrofahrzeuge oder die Bahn erreicht werden. Einkommensschwache Haushalte sollen einen Ausgleich erhalten, um den "Green Deal" sozial verträglich zu gestalten.

Ökologische Landwirtschaft fördern

Die EU-Kommission will den Einsatz von Pestiziden und Insektiziden in der Agrarwirtschaft möglichst weit reduzieren. Transportwege sollen verkürzt werden. Lokaler Anbau soll unterstützt werden. Das Motto lautet: Vom Hof auf den Teller. Ein grundlegende Reform der Agrarförderung ist geplant.

Gilt auch für Spargel: Vom Hof auf den TellerBild: picture-alliance/dpa/J. Lübke

Produktives Recycling

Die Wiederverwertung von Abfall, schonender Einsatz von Ressourcen, die Verwendung von Biomasse und weiteren Maßnahmen sollen die Produktionsabläufe in der Wirtschaft nach und nach in einen Kreislauf umbauen. Je weniger Rohstoffeinsatz, umso besser.

Strukturwandel abfedern

Ausgleichszahlungen und besondere Strukturförderung in Höhe von 35 bis 100 Milliarden Euro ist für Regionen in Europa vorgesehen, die heute noch von der Kohleförderung und -verstromung leben. Das betrifft Regionen in Polen, Ungarn und Tschechien, aber auch Kohlereviere in Deutschland. Höhe und Systematik dieser Zahlungen müssen auf EU-Ebene noch mühsam ausgehandelt werden und berühren natürlich den Mittelfristigen Haushaltsrahmen der EU (MFR). Dieser MFR wird gerade von den Mitgliedsstaaten beraten. Die Vorstellungen der Netto-Zahler (wie Deutschland) und Netto-Empfänger (wie Polen) liegen dabei noch weit auseinander.

Nächste Schritte

Dem neuen grünen Gesellschaftsvertrag müssen nun die 27 EU-Mitgliedsstaaten (voraussichtlich ohne Großbritannien) zustimmen. Welcher Staat wie viel zum Klimaschutz und zu Ausgleichsmaßnahmen beisteuern muss, ist umstritten und noch nicht festgelegt. Vor allem die osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, die viel Kohle verbrennen, sind skeptisch und verlangen finanzielle Entlastung. Auch Deutschland müsste, so rechnen Umweltverbände vor, seine Klimaziele abermals verschärfen, sollte die EU schon 2030 insgesamt 50 oder 55 Prozent der C02-Emissionen, verglichen mit dem Bezugsjahr 1990, einsparen wollen. 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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