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Politik

Digitale Mogule bedrohen Demokratie

8. Mai 2019

Mehr Kontrolle über Facebook, Google und Co: Vor der Europawahl setzt die Netzgemeinde auf der re;publica in Berlin ein Zeichen für Demokratie und trommelt gegen die Übermacht der Internetkonzerne.

re:publica 2019 | Internetkonferenz in Berlin, Deutschland
Demokratie im Netz: "Die Zeit ist jetzt" Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Drei Wochen vor der Europawahl stellt sich die 13. "re;publica 2019" klar an die Seite der Demokratie. Bunt, divers und verspielt wie immer bekennt sich die Netzcommunity bei ihrem Treffen in Berlin in all ihrer Anarchie vor allem zu ihrer politischen Verantwortung im Netz. Während sich immer mehr Macht über den politischen Diskurs und Marktteilhabe bei Google, Amazon, Twitter, Facebook und Instagram sammelt, haben Politiker und Nerds allerdings sehr unterschiedliche Ansichten, wie Demokratie im Netz funktionieren kann und soll.

"Die schnelle Lüge" einfangen

Beim Schulterschluss der re:publica mit der großen Politik gleich zu Beginn des dreitägigen Treffens rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Social-Media-Firmen dazu auf, "ihre Verantwortung für die Demokratie endlich" wahrzunehmen. Steinmeier drängt auf mehr Regulierung und mehr Filter, denn: "Solange die schnelle Lüge und die seriöse Nachricht unterschiedslos nacheinander in Newsfeeds auftauchen, haben es Demagogen viel zu einfach."

Bundespräsident Steinmeier auf der re;publica 2019Bild: Getty Images/S. Gallup

Das Problem bestreitet auf der re:publica niemand. Doch die Idee strengerer Regulierung greift nach Ansicht wichtiger Vertreter der Szene zu kurz. "Jeder Filter, der eingebaut wird, wird vom politischen Gegner genutzt", kritisiert Frank Rieger, einer der Sprecher des "Chaos Computer Clubs".

Der Mann, der seit Jahren gegen den "digitalen Analphabetismus" in Deutschland ankämpft, wird nicht müde, sein Publikum auch hier daran zu erinnern, dass Twitter und Facebook nicht etwa als soziales Kommunikationsmittel, sondern "von Anfang an als Instrument der  Manipulation konzipiert wurden, um gezielt Werbung zu verkaufen":  Als Nachweis empfiehlt Rieger allen, sich mal als Werbekunde einzuloggen.

"Mal was Neues ausdenken"

Rieger kommt zu dem radikal anmutenden Fazit: "Wir müssen uns was Neues ausdenken." Es sei mit einer demokratischen Gesellschaft nicht zu vereinbaren, "dass Hass profitabel ist". Als Negativbeispiel führt er den Brexit an. Vor dem Referendum hätten die unterschiedlichen Seiten nicht mehr über dieselbe Realität geredet. Grund zur Sorge gebe es da auch für die Europawahlen am 26. Mai.

Europawahl: Kein Schutz vor Manipulation

Für die bevorstehende Europawahl sieht sich auch Google in der Pflicht. Die Leiterin des Google News Labs, Isa Sonnenfeld, sagte der DW, der Konzern sehe seine Verantwortung weiter darin, die relevantesten Informationen zuerst anzuzeigen, "da spielt der Wahrheitsgehalt eine große Rolle".

Google sehe sich "in Partnerschaft mit der Fact Checking Community" und mache überprüfte Informationen selbst kenntlich. Doch von einem breit angelegten Negativfilter ist man weit entfernt. "Wir glauben, dass Qualitätsjournalismus die beste Antwort auf die Entwicklung sein kann", sagte Sonnenfeld. Gleichzeitig müsse man auch die Medienkompetenz der Nutzer stärken.

Auf der re:publica Facebook-Vertreter diskutierten auf der Bühne, gaben aber keine InterviewsBild: DW/M. Küfner

Von Transparenz bei den Algorithmen will man auch weiterhin weder bei Google noch bei Facebook etwas wissen. Facebook-Vertreter gaben auf der re;publica gab keine Interviews. Auf der Bühne zum Thema Soziale Medien im Wahlkampf betonte Semjon Rens, Public Policy Manager für Facebook Deutschland, es gelte grundsätzlich für alle Akteure derselbe Algorithmus, und somit erst mal die gleichen Chancen im politischen Wettbewerb im Netz.

Facebook habe mittlerweile mehr Transparenz geschaffen. So könnten sich Nutzer bei jedem Post anschauen, warum dieser angezeigt wird. Rens wünschte sich eher eine politisch-ethische Beantwortung der Frage, ob in Zukunft "datenbasiertes Marketing", also die Ansprache der direkten Interessen von Wählern verwendet werden dürfe.

In den USA ist dies schon seit Jahren der Fall. Dort werden politische Botschaften gezielt gemäß der Informationen über das Verhalten von Nutzern platziert. Doch die Vielzahl an einzelnen Schritten, die die digitalen Tech-Giganten bisher im Namen der Transparenz unternehmen, überzeugten auch auf der re;publica weder Anwender noch Experten.

Tools - aber keine Kontrolle

Im Hinblick auf die Europawahl macht sich der Präsident des Deutschen Cyber-Sicherheitsrats, Hans-Wilhelm Dünn, am meisten Sorgen um die Nutzung von Fake-Accounts. Von staatlicher Seite könne man dieses Problem nicht lösen. "Die Firmen werden die Einzigen sein, die das am Ende beherrschen werden, denn dazu braucht man hochspezifische Algorithmen", sagte Dünn der DW. "Ein Wahnsinnsaufwand, der von der Seite der Betreiber getroffen werden muss, so denn der Wille dazu vorhanden ist". 

Demokratie und Digitalisierung

Dieser geballte Wille saß in Person der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am letzten Tag der re;publica auf der Bühne, wo sie als eine der meist gefürchteten Politikerinnen im Silicon Valley vorgestellt und auch ein bisschen gefeiert wurde. Hatte sie doch Konzernen wie Google und Apple mit Strafen in Milliardenhöhe das Fürchten gelehrt.

In Berlin wiederholte Vestager, was bei den Firmen als blanke Drohung verstanden wird. Brüssel müsse sich um den Zugang zu den von Amazon, Facebook und Co. zu kommerziellen Zwecken gesammelten Daten kümmern und Wettbewerb ermöglichen. Vestager mahnte: "Wir wollen, dass unsere Demokratien die Richtung des rasanten Wandels bestimmen und nicht eine handvoll Firmen."

Das sieht auch re;publica-Gründer Markus Beckedahl so. Die Gesellschaft habe sich abhängig gemacht von ein paar großen Internet-Firmern, erklärte er gegenüber der DW am Ende der dreitägigen Veranstaltung. Er habe nicht das Gefühl, dass es bei diesen Aktiengesellschaften eine Verantwortung für die Demokratie gebe. Auf der re;publica könne man nur diskutieren, was gemacht werden kann und sollte. Nun sei es an der Bundesregierung, auch mit entsprechender Ausstattung der Behörden zu handeln.

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