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EU-Kommission: Mit weniger Regeln Wirtschaft entlasten

10. Dezember 2024

Bürokratie hemmt die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Deshalb will die neue EU-Kommission im Paragraphen-Dschungel die Axt anlegen. Bernd Riegert aus Brüssel.

Symbolbild Bürokratie
Bild: chromorange/picture alliance

Bessere Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU ist das zentrale Thema, das seit Monaten durch Brüssel geistert. Die neue EU-Kommission, die politische Verwaltungsspitze der Union, ist seit einer Woche im Amt und will jetzt Nägel mit Köpfen machen.

Die Staats- und Regierungschefs und -chefinnen der EU hatten bei einem Gipfeltreffen in Budapest im November Wettbewerbsfähigkeit zum Hauptziel für das Jahr 2025 erklärt.

"Europa braucht dringend eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit", meinte der neue deutsche Finanzminister Jörg Kukies (SPD) bei der Tagung der europäischen Finanzministerinnen und -minister in Brüssel. Bessere Finanzierungsbedingungen gerade für junge, wachsende Unternehmen seien nötig. "Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, den Europa da liefern kann."

Finanzminister Jörg Kukies (SPD): Erste Sitzung als neuer Ressortchef in Brüssel. Nach der Bundestagswahl am 23. Februar wird er vermutlich wieder abgelöstBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Mit dem Omnibus gegen zu viele Regeln

Die Empfehlungen aus einem viel beachteten Bericht des ehemaligen Chefs der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, zum europäischen Wettbewerb mit den USA, China und anderen Weltregionen, sollen so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Draghi hatte dringend zu mehr Investitionen der öffentlichen Hand und weniger Regulierungen gerade für kleine und mittlere Unternehmen geraten.

EU-Kommissar Valdis Dombrovskis, der seit einer Woche das Ressort "Produktivität, Umsetzung und Vereinfachung" leitet, hat es vor allem auf überflüssige und umständliche EU-Gesetze abgesehen. Er will den bürokratischen Aufwand für Wirtschaftsbetriebe um mindestens 25 Prozent zurückschneiden.

"Wir haben bereits damit angefangen, Vorschläge für Vereinfachung vorzubereiten. Zuerst kommt die Omnibus-Verordnung, die sich auf Berichtspflichten konzentriert", kündigte Valdis Dombrovskis am Dienstag in Brüssel an.

EU-Kommissar Dombrovskis: In 100 Tagen soll die Entlastung stehenBild: Nicolas Landemard/Belga/dpa/picture alliance

Omnibus-Verordnung? Damit sind keine Fahrzeuge gemeint, sondern es geht der EU-Kommission darum, alle Berichtspflichten aus drei Gesetzen in einer einzigen Verordnung zusammenzufassen.

Viele Unternehmen in der EU müssen heute langwierige Berichte mit Tausenden Daten zur Nachhaltigkeit, zu Lieferketten, zum Umwelt- und zum Waldschutz anfertigen und den Behörden vorlegen.

Die Omnibus-Verordnung soll in den ersten einhundert Tagen der Kommission, also spätestens bis zum 10. März, vorgelegt werden.

Vereinfacht werden sollen auch Berichtspflichten über Lieferketten, die eigentlich erst Anfang 2025 in Kraft treten. "Ganz, ganz wichtiges Thema. Das wird uns immer wieder von Unternehmen genannt, weil ja gerade die Einführung neuer Berichtspflichten bevorsteht, die wir natürlich gerne verschieben würden", sagte Finanzminister Jörg Kukies.

Bürokratie hemmt

In einer Umfrage haben Unternehmer darauf hingewiesen, dass Bürokratie und Regulierung für sie noch hinderlicher seien als die die hohen Energiepreise.

In den vergangenen fünf Jahren hat die EU 13.000 neue Vorschriften erlassen. Beschlossen wurden sie mit Zustimmung der 27 Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlaments, die jetzt nach dem Draghi-Report plötzlich den Rückbau der Regeln zur Priorität erklären.

Der Unternehmensberater und Nachhaltigkeits-Experte Florian Wupperfeld mit Sitz in London meint, die vielen EU-Regeln führten nicht zu mehr Transparenz, sondern "füllen nur den großen Beratungsfirmen die Kassen." Die müssten den Unternehmen nämlich helfen, das Dickicht der EU-Gesetze zu durchschauen und zahllose Fragebögen zu beantworten.

Unternehmer verbringen laut einer Studie 20 Prozent ihrer Zeit mit Formularen und BerichtenBild: Countrypixel/IMAGO

"Clean Deal" statt "Green Deal"

Auf neue Gesetze und Regeln will die EU-Kommission aber nicht verzichten. Um den "Green Deal", also mehr Klimaschutz", durchzusetzen, sind weitere Bestimmungen in Arbeit. Die dienten aber dazu, "Klimapolitik und Wirtschaftspolitik zu verheiraten", sagte der EU-Kommissar für Klima und Null Emissionen, Wopke Hoekstra, bei der Tagung der Finanzminister in Brüssel.

Sein Ressort umfasst daher den vom "Green deal" der letzten EU-Kommission zum "Clean deal" der aktuellen Kommission umbenannten Aussöhnungsversuch zwischen Klima- und Wirtschaftspolitik.

Hoekstra kündigte an, er wolle die Emissionen in der Luftfahrt und im Schiffsverkehr senken. Ob das über neue Steuern geschehen soll, ließ der niederländische Kommissar offen. "Wir müssen vorsichtig eine neue Politik entwerfen", sagte Hoekstra. Das werde geradezu mit Lichtgeschwindigkeit geschehen, also innerhalb der ersten 100 Tage der neuen EU-Kommission.

Neue EU-Kommission: Neun der 27 sind irgendwie auch für Wirtschaft zuständig. Chefin bleibt Ursula von der Leyen (4.v.re, erste Reihe)Bild: Jean-Francois Badias/AP Photo/picture alliance

Arbeitsprogramm der neuen Kommissare

Ebenfalls in den ersten 100 Tagen soll ein deutscher Herzenswunsch erfüllt werden. Das sogenannte "Verbrennerverbot" für neue PKW ab 2035 soll revidiert werden.

Das Gesetz soll dann das Verbrennen von klimaneutral erzeugten E-Fuels in Otto-Motoren zulassen. So steht es in einem Entwurf des Arbeitsprogramms der EU-Kommission, der noch nicht beschlossen ist. Er liegt der DW vor.

Die Liste der Vorhaben, die die Wirtschaft entlasten und Wachstum fördern sollen, ist laut diesem Entwurf lang. Der Emissionshandel soll flexibilisiert werden. Die Klimaschutzziele sollen überarbeitet werden. Die Folgen für Unternehmen sollen stärker berücksichtigt werden.

Für jedes neue Gesetz, dass die Unternehmen betrifft, sollen zwei alte gestrichen werden, heißt es in dem Papier der EU-Kommission. Der Zugang zu Fördermitteln aus EU-Töpfen soll vereinfacht werden. Ein einheitliches Portal für alle Regulierungen und Förderprogramme soll geschaffen werden, nach dem Motto "Ein Behördenschalter für alle Fragen".

Mario Draghi (re.) attestierte der EU schwere Versäumnisse und enormen Investitionsbedarf: Kommissionspräsidentin von der Leyen lächelt trotzdemBild: NICOLAS TUCAT/AFP

Keine ganz neue Idee

Von EU-Diplomaten in Brüssel, die nicht genannt werden wollen, heißt es, der Ansatz der neuen EU-Kommission sei zu begrüßen. Es werde hitzige Debatten mit den Vertretern der 27 Mitgliedsstaaten geben, die alle ihre speziellen Interessen haben.

Die Diplomaten erinnern auch daran, dass der neue Versuch, Bürokratie abzubauen, nicht der erste in der EU ist. Schon 2007 wurde der ehemalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) zum EU-Beauftragten für Bürokratieabbau ernannt.

Jahrelang spürte er überflüssige Gesetze und Regulierungen auf. Durchschlagend war sein Erfolg nicht. Im Sommer 2024 sagte er in einem Interview mit dem Mitteldeutschen Rundfunk: "Der Staat regelt heute unendlich viel mehr, als er überhaupt verwalten kann. Die Leute gibt es gar nicht, die das alles vollziehen können."

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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