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PolitikEuropa

EU-Kommission startet Defizitverfahren gegen Schuldensünder

19. Juni 2024

Angesichts zu großer Haushaltslöcher nimmt die EU-Kommission Frankreich, Italien und weitere Länder ins Visier. Das könnte am Ende zu hohen Bußgeldern führen.

Symbolbild | Euro-Banknoten
Euro-BanknotenBild: Burkhard Schubert/Future Image/IMAGO

Wegen der Corona-Pandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine mussten die Mitglieder der Europäischen Union zuletzt keine Strafverfahren fürchten, wenn sie deutlich mehr Geld ausgegeben haben, als in der Steuerkasse war. Das ändert sich jetzt wieder. Aus Brüssel gibt es eine Verwarnung für insgesamt sieben Mitgliedsstaaten - darunter Italien und Frankreich: Gegen die Schuldensünder hat die EU-Kommission den Weg für Defizitverfahren geebnet.

Die Kommission stellte in ihrem aktuellen Budgetbericht fest, dass diese Staaten gegen die europäischen Schuldenregeln verstoßen. Die Einleitung eines Defizitverfahrens sei damit für folgende Länder gerechtfertigt: Belgien, Frankreich, Italien, Malta, Polen, die Slowakei und Ungarn.

Stimmen Europas Finanzminister zu, würden erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder Strafverfahren wegen Defizitverstößen eröffnet. Den sieben nun verwarnten Ländern drohen damit im äußersten Fall hohe Geldbußen. In der Vergangenheit wurden solche Sanktionen allerdings nie verhängt.

"Blauer Brief" in heiklem Moment

Vor allem für Frankreich kommt der blaue Brief aus Brüssel in einem politisch heiklen Moment: Präsident Emmanuel Macron hatte nach massiven Verlusten bei der Europawahl für den 30. Juni Neuwahlen zur Nationalversammlung angesetzt. Umfragen zufolge könnten die Rechtspopulisten von Marine Le Pen stärkste Kraft werden.

Präsident Macron bei einer Presskonferenz zu seiner Neuwahl-Entscheidung (vor einer Woche)Bild: Stephane Mahe/REUTERS

Die europäischen Schuldenregeln erlauben den Mitgliedsstaaten eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), also der wirtschaftlichen Leistung eines Landes, sowie Gesamtschulden von maximal 60 Prozent des BIP. Frankreich verstößt mit 5,5 Prozent deutlich gegen die Drei-Prozent-Höchstmarke.

Sorge bereitet der EU aber vor allem die Lage in Italien: Unter der Regierung der Postfaschistin Giorgia Meloni verzeichnete das Land 2023 mit 7,4 Prozent des BIP die höchste Neuverschuldung der EU. In diesem Jahr dürfte das Defizit laut Kommission zwar auf 4,4 Prozent sinken, danach aber wieder ansteigen. Die Gesamtverschuldung Italiens ist mit rund 140 Prozent die zweithöchste der EU nach Griechenland. Frankreich kommt auf über 110 Prozent.

Der selbstbewusste Minister und der Rüffel aus Brüssel

Mit Blick auf die Schieflage der beiden großen Partnerländer verteidigte Deutschlands Bundesfinanzminister Christian Lindner sein Festhalten an der Schuldenbremse in den Berliner Haushaltsverhandlungen: Deutschland müsse "Stabilitätsanker" in Europa bleiben - "wegen der Entwicklungen zum Beispiel in Frankreich, aber auch der fiskalischen Lage in Italien", sagte Lindner im Deutschlandfunk.

Bundesfinanzminister Lindner: "Deutschland muss Stabilitätsanker bleiben"Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance/dpa

Die EU hatte ihre Schuldenregeln während der Pandemie vorübergehend ausgesetzt, um den Ländern milliardenschwere Wirtschaftshilfen zu erlauben. Macron setzte sich maßgeblich für eine Reform ein. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen trat Ende April der überarbeitete Stabilitäts- und Wachstumspakt in Kraft.

Mit der Reform soll die individuelle Lage der Staaten stärker berücksichtigt werden. Auch Ausgaben für die Verteidigung werden nun in die Bewertung einbezogen. Deutschland setzte zugleich verbindliche Ziele zum Schuldenabbau durch.

Gegen Deutschland sieht die EU-Kommission kein Verfahren vor, denn die Neuverschuldung liegt deutlich unter der Drei-Prozent-Marke. Die EU-Kommission rüffelt die Bundesregierung allerdings wegen unzureichender Investitionen. Die bisherigen Fördermaßnahmen hätte in Deutschland "weder zu wesentlichen Fortschritten geführt noch ausgereicht".

Die Empfehlung der EU-Kommission, die sieben Defizitverfahren einzuleiten, muss im Juli noch von den EU-Finanzministern gebilligt werden. Dies gilt als Formalie. Anschließend wird die Kommission Vorschläge dazu vorlegen, wie das Defizit gesenkt werden soll.

AR/jj (afp, rtr, dpa)

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