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EU-Abgaspläne abgeschwächt

Barbara Wesel Brüssel
8. November 2017

Die EU-Kommission verteidigt ihren moderaten Vorschlag für neue Abgaswerte. Kritiker wollten eine E-Auto-Quote und finden minus 30 Prozent CO2 bis 2030 zu wenig. War der Druck der Lobbyisten am Ende zu groß?

Produktion des AUDI A3 im AUDI Werk in Ingolstadt
Bild: picture-alliance/Ulrich Baumgarten

"Natürlich war es schwierig, wir mussten alle Interessengruppen und alle Seiten anhören", räumt EU-Verbraucherkommissarin Violeta Bulc in schöner Ehrlichkeit ein. Damit deutet sie auch an, dass die Brüsseler Entscheidung für diesen Vorschlag zur Reduzierung von Autoabgasen und zur Flottenpolitik umstritten war. Sie zum Beispiel hätte wegen des Gesundheitsschutzes für die europäischen Bürger mehr gewollt. Aber es gibt keine Quote für Elektro-Autos und Dieselfahrzeuge bleiben weiter im Spiel, denn bei anderen Kommissaren spielten andere Erwägungen eine größere Rolle. 

Die Macht der Lobbyisten

Bei Energiekommissar Miguel Canete, im wesentlichen zuständig für das Dossier Abgasreduzierung, klang die Antwort auf die Frage nach dem Lobbying der Autoindustrie bei der EU-Kommission entschieden vorsichtiger: "Das war kein Vorschlag, der uns leicht gefallen wäre. Es ging ja darum, dass die europäische Autoindustrie wettbewerbsfähig bleibt. Es gab viel Dialog, und es musste viel Konsens gefunden werden." 

In Brüssel wird von intensiver Lobbyarbeit aus Deutschland berichtet: Kommissar Günther Oettinger, eigentlich zuständig für den EU-Haushalt, und Matthias Wissmann, Chef des deutschen Autolobby-Verbandes VDA, sollen massiv für die Belange der deutschen Autoindustrie getrommelt und schärfere Vorgaben im Kommissionsvorschlag verhindert haben.

Und einen Geschmack davon, wie intensiv die Bundesregierung hier ihre Belange verteidigt, gab ein Brandbrief, den Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, offenbar in seiner Rolle als früherer Wirtschaftsminister, noch am Dienstag nach Brüssel sandte: Die Autoindustrie sei eine Schlüsselindustrie in Europa, ihre Innovationskraft dürfe nicht "durch zu eng gestrickte EU-Gesetzgebung erstickt" werden. Worauf Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (ebenfalls SPD) wütend erwiderte, für die Klimaziele seien anspruchsvolle CO2-Werte für Autos unerlässlich. Und für wen spreche eigentlich Gabriel? Bei den übrigen deutschen Sozialdemokraten sei man ehrgeiziger und wolle "einen beherzten Einstieg in die E-Mobilität". Der Streit um die Abgasvorgaben und die Zukunft des Autos zieht sich quer durch die amtierende Bundesregierung.

Wirtschaft_plus: provokant. persönlich

01:52

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Kritik von allen Seiten

Der deutsche Christdemokrat und Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz sagt, der Vorschlag der Kommission werde auf die Dauer nicht reichen. Er sehe ihn kritisch, "aber die Entourage der Autoindustrie ist sehr stark". Im nächsten Schritt werde das Europaparlament die Vorlage prüfen: "Wenn wir Paris umsetzen wollen, dann muss die Autoindustrie liefern. Sie hat auch geliefert, aber das bare Minimum."

Florenz betont, der alte Glaube sei falsch, höhere Umweltstandards bedeuteten den Verlust von Arbeitsplätzen. Wenn man mehr auf E-Mobilität setze, werde es vielleicht eine Umschichtung geben, aber am Ende würden neue Jobs geschaffen: Man habe jetzt die Wahl "ob saubere Autos 2030 in China oder in Deutschland gebaut werden". 

Kritiker wollen eine EU-Quote für Elektro-Fahrzeuge Bild: DW/A. Setiawan

Noch schärfer fällt die Kritik von den Grünen aus: "Der Vorschlag ist nicht nur schwach, sondern markiert einen Tiefpunkt im Streit um europäische Klimapolitik. (..) Für die Bonner Klimaverhandlungen ist (er) ein schlechtes Signal", sagt die Europaabgeordnete Rebecca Harms. Und Grünen-Umweltpolitiker Claude Turmes fügt hinzu: "Eine ehrgeizige Quote für Elektrofahrzeuge ist unbedingt notwendig. (...) Die EU-Kommission hat einmal mehr den Einflüsterungen der deutschen Hersteller nachgegeben."

Auch Greenpeace und andere Umweltorganisationen beklagen die "enge Sichtweise der EU-Kommission", die eine Vision für  gemeinsam genutzte Mobilität und nachhaltige Energieträger vermissen lasse. Bei den Freunden der deutschen Autoindustrie wiederum ist Erleichterung zu spüren, der CDU-Europa-Parlamentarier Peter Liese nennt den Kommissionsvorschlag eine gute Basis für Verhandlungen. Auch bei der konservativen EVP-Fraktion geht der Streit erkennbar quer durch die Reihen.

Frankreich und andere setzten auf Elektro- statt Diesel-Fahrzeuge Bild: Getty Images/AFP/F. Tanneau

Die Entscheidung fällt im Rat

Österreich, die Niederlande, Frankreich und andere, eine Gruppe von insgesamt neun Ländern, hatten sich bei der Kommission für einen schärferen Grenzwert stark gemacht: Sie wollen bis 2030 eine Verringerung des CO2-Ausstosses um 40 Prozent erreichen. Warum konnten sie sich nicht durchsetzen? Kommissar Canete verweist auf die Notwendigkeit, unterschiedliche Meinungen an Bord zu nehmen, erneut ein Hinweis auf die Arbeit der Lobbyisten. Und er fügt hinzu, man werde sehen, was im Europaparlament und im Rat passiert. 

Nicht nur im Europäischen Parlament, auch im Rat könnten die Karten noch einmal neu gemischt werden. Früher konnte sich Deutschland immer auf die Unterstützung durch Frankreich verlassen. Nachdem aber Präsident Macron den Umstieg auf Elektro-Fahrzeuge bis 2040 angekündigt hat, kann er kaum der Verabschiedung eines kleinsten gemeinsamen Nenners bei den Regierungschefs zustimmen. Und vielleicht kann der Club der "Klimafreunde" unter den Mitgliedsländern bis zur Verabschiedung im nächsten Jahr auch noch weitere Stimmen für eine Verschärfung der Regeln sammeln.

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