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Politik

Ist Polen bald eine Diktatur?

7. Februar 2020

Die stellvertretende Präsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, ist alarmiert über die Justizreform in Polen. Sie befürchtet, dass die Rechtsstaatlichkeit in dem Land nicht mehr zu retten ist.

Solidaritätskundgebung für polnische Richter
Juristen (viele in Richterrobe) und andere Bürger aus rund 20 Staaten Europas hatten im Januar in Warschau protestiertBild: Getty Images/AFP/C. Sokolowski

"Die sogenannte Reform in Polen ist jetzt an einem ganz gefährlichen Moment angekommen, weil sie unumkehrbar zu werden droht", warnt Vera Jourova. "Sie betrifft nun alle Ebenen des Justizsystems." Derzeit seien fast 400 von 10.000 Richtern von den Maßnahmen betroffen, sagte die Tschechin in einem Interview des Magazins "Spiegel".

Das Anfang der Woche in Kraft getretene Gesetz zur Bestrafung regierungskritischer Richter sei "kein gezielter Eingriff gegen einzelne schwarze Schafe mehr, wie ihn auch andere EU-Mitglieder kennen, sondern ein Flächenbombardement", stellte die für Rechtsstaatlichkeit zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission fest. Daher sorge sie sich, dass es bereits zu spät sein könnte, um den polnischen Rechtsstaat noch zu retten.

Vera Jourova: Die EU-Kommission geht seit Jahren gegen verschiedene Teile der Justizreform vorBild: Imago Images/Le Pictorium

Polens Präsident Andrzej Duda hatte das umstrittene Gesetz am Dienstag in Kraft gesetzt trotz internationaler Proteste. Damit können Richter künftig für Kritik an den bisherigen Justizreformen bestraft werden. Die Opposition sieht Polen damit auf dem Weg zu einem autoritären Regime.

Der Senatsvorsitzende Tomasz Grodzki von der oppositionellen liberalkonservativen Bürgerkoalition sprach von einer weiteren Demontage des Justizsystems. "Die europäischen Konsequenzen dieses Schritts, der uns weiter in die Richtung der autoritären Diktaturen im Osten führt, werden ernst sein", so seine Prognose.

Polens Präsident Andrzej Duda setzte das Gesetzt trotz Kritik ais dem In- und Ausland in KraftBild: Reuters/Agencja Gazeta/D. Zuchowicz

Die polnische Richtervereinigung "Iustitia" wandte sich in einem Appell an die EU-Kommission und den Europäischen Gerichtshof, "sofort alle denkbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Polens Richter vor politischen Repressionen zu schützen". Die polnischen Richter verteidigten nicht nur den Rechtsstaat in Polen, sondern die juristische Ordnung in ganz Europa, hieß es weiter.

Die EU-Kommission geht seit Anfang 2016 gegen mehrere der polnischen Justizreformen vor. Brüssel wirft Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz systematisch zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben.

Jourova sprach sich dafür aus, die Auszahlung von EU-Geldern künftig stärker an die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze zu knüpfen. "Beim Budget geht es darum, dass wir Fördermittel nur in jene Länder geben wollen, in denen man unabhängige Gerichte anrufen kann, falls es Zweifel gibt, dass das Geld ordnungsgemäß ausgegeben wird", sagte die Tschechin. Dies sei "nur fair, auch gegenüber den Bürgern in Nettozahlerländern wie Deutschland".

uh/qu ( dpa, afp)

 

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